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Spaniens frische liberale Kraft

Albert Rivera, Präsident der zentristischen Partei Ciudadanos.

Spanien hat viele Probleme. Die Partei Ciudadanos versteht sich als Teil der Lösung. Das sehen 18% der Wählerschaft Kataloniens so; am Wochenende ist die prospanische Partei zur zweitstärksten Kraft im Parlament von Barcelona aufgestiegen, hinter den Verfechtern der Unabhängigkeit. Albert Rivera, der Anführer der zentristischen Ciutadans, wie die «Bürger» auf Katalanisch heissen, darf sich Hoffnungen auf grossen Erfolg in den nationalen Wahlen im Dezember machen: Die Ära des Zweiparteienturnus dürfte dann zumal beendet werden.

Seit dem Übergang von der Franco-Diktatur zur parlamentarischen Demokratie nach 1975 haben sich stets die konservative Volkspartei und die Sozialisten an der Macht abgewechselt. Nun aber wirken die beiden bislang staatstragenden Kräfte verbraucht. Die Wirtschaftskrise nach dem Platzen des Immobilienbooms und besonders die hohe Arbeitslosenrate von gegen 25% haben breite Schichten des Volks zermürbt. Korruptionsskandale schaden den Altparteien zusätzlich. Albert Rivera erwartet daher eine «zweite Transición».

Er hält gute Karten in seiner Hand, um in der bevorstehenden Erneuerung der spanischen Demokratie zu punkten. Rivera, bald 36-jährig, wirkt naturgemäss jugendfrisch; er ist ein guter Redner, telegen, auf allen Kanälen der sozialen Medien präsent. Der Kontrast zum hölzernen Premier Mariano Rajoy der Partido Popular ist augenfällig. Der kann zwar für sich in Anspruch nehmen, Spaniens Wirtschaft durch eine Rosskur wieder auf Wachstumskurs gebracht zu haben, doch eine Botschaft der Hoffnung scheint Rajoy dem Publikum nicht wirklich vermitteln zu können.

Im Ringen mit Kataloniens Regierungschef Artur Mas, der auf Gedeih und Verderb die Unabhängigkeit anstrebt und dessen Leistungsausweis daneben dürftig ist, lässt er es zudem an Souplesse vermissen – obwohl Rajoy als Galizier selbst aus einer historischen Region stammt. Rivera wäre, obwohl er kaum gleich Ministerpräsident werden wird, in dieser Frage geschickter. Er ist Katalane, doch eindeutig gegen die Abspaltung: «Wir sind eine Partei, die in Barcelona geboren wurde. Wir verteidigen ein dezentralisiertes und vielfältiges Spanien. Wir verteidigen kulturelle Unterschiedlichkeit und Zweisprachigkeit. Das ist der Reichtum Spaniens.»

Mit dieser Botschaft macht sich Rivera in der engeren Heimat viele Feinde, doch der konstruktive Grundton ist sein Markenzeichen, das zunehmend Gefallen findet: Bloss den (berechtigten) Ärger bewirtschaften und Luftschlösser bauen, wie er es den Separatisten oder der linksradikalen Podemos zur Last legt, sei nutzlos. Der Jurist, der einst im Rechtsdienst der Bank La Caixa gearbeitet und in Jugendjahren als Schwimmer geglänzt hatte, will eher die Köpfe der Wählenden ansprechen als deren Herzen. So schlägt er vor, die Einkommens- und die Unternehmenssteuern zu senken, dafür Steuerschlupflöcher zu stopfen und Abzugsmöglichkeiten zu streichen; zudem will er das Mehrwertsteuersystem vereinfachen.

Ideen, die dem flauen Schweizer Wahlkampf übrigens gut anstünden. Sie tragen ihm den Beifall vieler Ökonomen ein, doch die Linke bemüht die verbale Allzweckwaffe des «mangelhaften sozialen Feingefühls». Rivera weiss, dass das Etikett «liberal» in Spanien (wie auch sonst in Europa) missverstanden wird, dabei sei liberal nicht der Widerspruch zu sozial, sondern die Ergänzung.

In Spanien werden die Zeiten absoluter Mehrheiten wohl bald vorüber sein; voraussichtlich wird keine Partei über ein Viertel der Stimmen holen. Es müssen also Allianzen und Koalitionen gebildet werden. In wirtschaftspolitischen Fragen stehen die Herritarrak (Baskisch) bzw. Cidadáns (Galizisch) Rajoy näher als den Sozialisten unter ihrem Spitzenkandidaten Pedro Sánchez. Daher ziehen sie auch vornehmlich bisherige PP-Gefolgschaft an: Die Wähler in der Mitte und rechts haben mit Albert Riveras Ciudadanos eine echte Alternative.