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Ueli Maurer: «Jetzt Schulden machen ist gefährlich»

Finanzminister Ueli Maurer fühlt sich auch ein bisschen als Buchhalter der Nation.

Der neue Finanzminister Ueli Maurer fühlt sich im Finanzdepartement sichtlich wohl. In seinem früheren Departement, dem VBS, habe er eine hektische Zeit erlebt. Im Finanzdepartement seien die Themen dagegen eher längerfristig angelegt. Aber sie sind auch komplex. Schon nur den Bundeshaushalt im Gleichgewicht zu halten, ist keine einfache Aufgabe. Maurer ist sich dessen sehr wohl bewusst.

Herr Bundesrat Maurer, Sie sind seit einem halben Jahr Finanzminister. Es wird oft gesagt, das Finanzdepartement sei das wichtigste, das VBS dagegen gilt eher als Leichtgewicht. Teilen Sie diese Einschätzung? - Das VBS hat im Moment mit dem Thema Sicherheit eine hohe Aktualität. Das Finanzdepartement ist sicher sehr wichtig, man darf es aber auch nicht überbewerten, vieles ist Geschichtsschreibung. Wir machen die Buchhaltung der Nation und schauen ein Jahr oder zwei in die Zukunft. Es ist schon Handlungsspielraum vorhanden, aber nicht unbegrenzt.

Wenn Sie diese Buchhaltung anschauen: Wie beurteilen Sie die Haushaltslage? - Kurzfristig ist sie relativ robust. Die Einnahmen der direkten Bundessteuer sind recht konstant, trotz oder vielleicht wegen der Frankenstärke und den damit verbundenen Negativzinsen, die dazu führen, dass die Unternehmen Steuern schon im Voraus zahlen. Leichte Einbussen haben wir bei der Mehrwertsteuer. Mittelfristig ist der Bundeshaushalt geprägt von etlichen Unsicherheiten. Längerfristig sind wir nicht ausfinanziert, besonders wenn man an die Folgen der demografischen Entwicklung denkt. Wir dürfen uns von der gegenwärtig guten Lage nicht einlullen lassen, das ist politisch das Problem.

Wo sehen Sie mittelfristig die Risiken? - Der Kampf um das Steuersubstrat ist in vollem Gang, auch international. Stichworte sind die Probleme um den Finanzplatz, der automatische Informationsaustausch AIA oder Beps . Es muss darum gehen, gute Steuerzahler hier zu behalten und möglichst neue anzuziehen. Das wird momentan wohl noch etwas unterschätzt.

Und längerfristig? - Das Problem ist die Demografie. Die Alterung der Bevölkerung führt im Gesundheitsbereich zu steigenden Ausgaben. Auch die Altersvorsorge wird teurer. Und wenn die erwerbstätige Bevölkerung schrumpft, sinken auch die Steuereinnahmen tendenziell, umgekehrt steigen aber die Ausgaben. Das wird allerdings die Kantone fast stärker treffen als den Bund.

Kurzfristig ist der Haushalt fast zu robust. Ökonomen kommen zum Schluss, dass die Schuldenbremse zur Stärke des Frankens beiträgt. Sollte man da flexibler werden? - Die Schuldenbremse ist nur ein Element der stabilen Rahmenbedingungen, die die Schweiz auszeichnen. Es wäre aber falsch, an der Schuldenbremse etwas zu ändern. Sie ist das beste Instrument, das wir auf Stufe Bund haben. Bei niedrigen Zinsen Schulden zu machen, ist verführerisch, im Grund der Dinge gar gefährlich. Eine Lockerung der Schuldenbremse für Investitionen würde zu erheblichen Folgekosten führen. Zudem darf man das aktuelle Zinsumfeld nicht einfach extrapolieren. Wir werden die Schulden früher oder später wieder höher verzinsen müssen.

Wie ist denn Ihre Ankündigung zu verstehen, wonach die Schuldenbremse überprüft werden soll? - Das ist ein Beschluss des Bundesrats. Es geht nicht um eine Lockerung der Schuldenbremse als solche. Es soll abgeklärt werden, ob ein Teil eines allfälligen strukturellen Überschusses in den Folgejahren für Investitionen verwendet werden kann. Der Schuldenabbau stünde dann nicht mehr im Vordergrund. Wir werden diese Auslegeordnung machen. Ich vermute, dass die Nachteile einer solchen Modifikation überwiegen werden. Ich halte es für gefährlich, die Schuldenbremse zu lockern, und glaube eigentlich nicht, dass das im Parlament mehrheitsfähig ist.

Der Bundeshaushalt ist robust, dennoch ist von Sparprogrammen die Rede. Lassen sich diese noch verkaufen? - Das ist in der Tat schwierig. Es wird nicht einfach sein, das zur Debatte stehende Stabilisierungspaket durchzubringen. Wir müssen die längerfristige Perspektive öffnen und nicht nur auf eine Legislaturperiode schauen. Wir müssen zeigen, dass es jetzt Sparmassnahmen braucht, damit wir das Gleichgewicht auch längerfristig halten können. Der Staat wird auch in Zukunft neue Aufgaben übernehmen müssen. Dafür brauchen wir Mittel. Dieses längerfristige Denken ist zu wenig ausgeprägt vorhanden, und es wird wohl Jahre dauern, um das zu ändern.

Wenn neue Aufgaben kommen, muss man sich wohl oder übel bei alten einschränken. Wo sehen Sie da Spielraum? - Man muss grundsätzlich in den am stärksten wachsenden Bereichen ansetzen. Das ist die soziale Wohlfahrt oder auch der öffentliche Verkehr. Zudem braucht es eine Deregulierung. Wir müssen den Staat schlanker machen, und zwar dringend. Innerhalb der staatlichen Institutionen ist man sich zu wenig bewusst, welche Kosten man mit Regulierungen in der Wirtschaft auslöst. Es würde etwas bringen, wenn wir den Staat in seiner Tätigkeit stabilisieren könnten. Wir diskutieren jedoch über neue Stellen und neue Aufgaben.

In der sozialen Wohlfahrt dürfte es politisch nahezu unmöglich sein, zu sparen. Wie sehen Sie das Potenzial in der Verteidigung oder in der Landwirtschaft? - Wir müssen den Begriff der Landesverteidigung ausweiten und generell von Sicherheit sprechen. Die sicherheitspolitischen Instrumente hängen heute alle zusammen. Das Gesamtpaket soll nicht wachsen, es sollte etwa stabil bleiben. In der Landwirtschaft ist es politisch ebenso schwer, etwas zu ändern. Man müsste den Fokus vermehrt auf die Produktion ausrichten und nicht nur auf Strukturerhaltung und Umweltschutz. Wenn man sich auf einen derartigen Wandel einigen würde, könnte man Geld sparen, und die Landwirtschaft würde attraktiver. Es gibt viele junge Bauern, die unternehmerisch handeln möchten, aber kaum können.

Bald steht wohl die Abstimmung über die Unternehmenssteuerreform III an, ein sehr schwierig zu vermittelndes und auch vorbelastetes Geschäft. - Ja, vielleicht kurz zur Vorbelastung: Wenn man die Entwicklung der direkten Bundessteuer anschaut, war die Unternehmenssteuerreform II ein Erfolg. Sie hat geholfen, dass die Einnahmen weiter wachsen. Sie war kein Flop, obwohl das oft behauptet wird. Die Unternehmenssteuerreform III ist ein absolutes Minimum, damit die Schweiz im Standortwettbewerb einigermassen mithalten kann. In den kommenden Jahren müssen in der Entlastung der Unternehmen weitere Schritte folgen. Wir müssen aufzeigen, dass wir die grossen Steuerzahler nicht verlieren dürfen, sonst zahlen die kleinen die Zeche.

Erreicht die Reform III die Zielsetzung, den Wegfall der steuerlichen Sonderstatus zu kompensieren und die betroffenen Unternehmen zum Bleiben zu bewegen? - Der Standortentscheid wird von der konkreten Ausgestaltung abhängen. Zudem ist die Frage der Arbeitskräfte sehr wichtig, also ob es möglich ist, hier die nötigen Fachkräfte zu rekrutieren. Politisch ist im Moment nicht mehr möglich als diese Reform. Es wird Gemeinden und Kantone geben, die kurzfristig Probleme haben werden. Bezüglich der Arbeitskräfte müssen wir auf Fachpersonal von Topniveau achten, wobei eher Drittländer als EU-Staaten im Vordergrund stehen. Genügend Spielraum ist da sehr wichtig.

Was wären die Folgen, wenn dieses Paket vor dem Volk scheitern würde? - Dann würden wir mittelfristig Steuersubstrat verlieren und kaum mehr neues gewinnen. Das Risiko der Abwanderung von Unternehmen inklusive Arbeitsplätze wäre sehr gross. Zudem ginge ein wichtiger Teil des Vertrauens in den Wirtschaftsstandort Schweiz verloren. So gesehen ist die Unternehmenssteuerreform III eine zentrale Vorlage.

Diese Reform hat die Schweiz nicht aus eigenem Antrieb aufgesetzt. Wie beurteilen Sie es, dass sie vieles unter dem Druck von OECD oder der EU machen musste? - Man muss fairerweise festhalten, dass der Druck der OECD nicht nur auf die Schweiz fokussiert ist, sondern für andere auch gilt. Es geht um einen Kampf ums Steuersubstrat. Wir werden auch in Zukunft Anpassungen vornehmen müssen. Wir müssen mittelfristig andere Qualitäten des Standorts Schweiz in den Vordergrund stellen, unsere Trümpfe wie die politische Stabilität, die diversifizierte Wirtschaft, die eigene starke Währung, die hohe Lebensqualität. In diesen Bereichen hat der Standort Schweiz Vorteile. Wir müssen die Schweiz als guten, stabilen und verlässlichen Wirtschaftsstandort promoten.

Die Schweiz hat in der zweiten Phase der Peer Review des Global Forum nicht optimal, aber doch recht gut abgeschnitten. Was bedeutet das für den Finanzplatz? - Für ein global so stark vernetztes Land wie die Schweiz ist es eine Voraussetzung, dass wir diese internationale Anerkennung haben. Ist dies nicht der Fall, verlieren wir an Vertrauen und geraten in Verruf. Als Standort internationaler Konzerne müssen wir diese Standards erfüllen.

Ein heikler offener Punkt ist der Umgang mit gestohlenen Daten, also ob die Schweiz in diesen Fällen Amtshilfe leistet. - Wir haben eine Botschaft an das Parlament weitergeleitet, die das in gewissen Fällen zulassen will. Sie wird politisch sehr umstritten sein. Sollte die Schweiz dazu Nein sagen, hätten wir international wieder ein Problem.

Wenn der AIA eingeführt wird, werden gestohlene Daten an Relevanz verlieren. - Ja, das sehe ich auch so. Wenn der Standard international eingeführt und anerkannt ist, dürfte die Bedeutung sinken. Die Grundsatzfrage allerdings bleibt.

Die Schweiz übernimmt den AIA auch. Wird dieser Datenaustausch funktionieren? - Das ist eine berechtigte Frage. Die Schweiz kommt ein Jahr später als andere Länder und könnte aus gewissen Erfahrungen lernen. Vorsicht ist aber am Platz, das wird nicht einfach auf Anhieb klappen.

Im Zusammenhang mit dem AIA taucht die Frage auf, wie weit er auch im Inland gelten soll. Das würde das Bankkundengeheimnis innerhalb der Schweiz infrage stellen. Ist es ernsthaft gefährdet? - Vielleicht noch nicht ernsthaft, aber gefährdet ist es. Es geht um eine Grundsatzfrage, den Schutz der Privatsphäre des Bürgers. Das Bankkundengeheimnis ist Teil davon. Diese Privatsphäre ist ein sehr hohes Gut. Ich bin dagegen, dass das Bankkundengeheimnis im Inland geopfert wird.

Ist die Sicherung dieses Schutzes über die hängige Volksinitiative der richtige Weg? - Das Parlament arbeitet an neuen Entwürfen für einen Gegenvorschlag. Das Anliegen, die Privatsphäre des Bürgers in der Verfassung zu schützen, ist sympathisch. Es muss jedoch gut und intelligent formuliert sein. Bei uns muss der Staat gläsern sein und nicht der Bürger. Das ist der Unterschied zu vielen anderen Staaten. Der Bürger muss geschützt werden, und nicht der Staat. Das ist eine der Grundsäulen unseres Selbstverständnisses. Wir marschieren jedoch in die Gegenrichtung.