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Die Schweiz darf dem Druck nicht nachgeben

Der Bundesrat hat dem Parlament einen Revisionsentwurf für das Steueramtshilfegesetz vorgelegt, mit dem das Vorgehen der Schweiz im Fall von gestohlenen Bankdaten gelockert werden soll. Bereits 2013 hatte der Bundesrat einen ersten Vorschlag gemacht, der noch vorsah, den auf gestohlenen Daten beruhenden Amtshilfegesuchen ausländischer Staaten stattzugeben. Doch da dieser erste Entwurf in der Vernehmlassung sehr heftig kritisiert worden war, hatte der Bundesrat ihn schliesslich zurückgezogen.

In der Neuauflage schlägt die Regierung nun vor, auf Amtshilfegesuche ausländischer Staaten auf der Grundlage gestohlener Daten einzutreten, sofern diese Daten im Rahmen eines ordentlichen Amtshilfeverfahrens oder über allgemein und öffentlich zugängliche Quellen erworben wurden.

Probleme in Peer Review

Die Amtshilfe wäre damit aber weiterhin ausgeschlossen, wenn der ersuchende Staat versucht hätte, ausserhalb eines Amtshilfeverfahrens und durch eigenes aktives Handeln an diese Daten zu gelangen (beispielsweise durch den Kauf der Daten).

Als Argument zur Rechtfertigung dieser gesetzlichen Lockerung wird vorgebracht, dass die gegenwärtige Praxis der Schweiz von wichtigen Partnerstaaten sowie vom Global Forum on Transparency and Exchange of Information for Tax Purposes immer häufiger in Frage gestellt wird, da Letztere der Ansicht sind, diese Praxis entspreche nicht den OECD-Standards.

Die Landesregierung befürchtet in erster Linie, dies wirke sich negativ auf die Bewertung der Schweiz in der zweiten Phase der Länderüberprüfung (Peer Review) des Global Forum aus. Das könnte im schlimmsten Fall zu wirtschaftlichen Sanktionen führen.

Der Entwurf des Bundesrats ist jedoch durchaus anfechtbar. Es ist zunächst nicht ersichtlich, wie diese Gesetzesänderung, die frühestens in ein paar Monaten in Kraft tritt, die seit dem 1. Oktober 2015 laufende Bewertung der Schweiz durch das Global Forum in entscheidender Weise beeinflussen könnte. Überdies bezieht sie sich ausschliesslich auf die Periode vor Juni 2015. Zudem wird die gegenwärtige Praxis der Schweiz, ein auf gestohlenen Daten beruhendes Amtshilfegesuch abzulehnen, als Kriterium allein nicht ausreichen, um die Schlussnote «nicht konform» zu erteilen. Der beste Beweis dafür ist Liechtenstein: Das Fürstentum hat die Evaluation bestanden, obwohl seine Vorgehensweise betreffend gestohlene Daten mit derjenigen der Schweiz identisch ist.

Strategische Vision fehlt

Der Vorschlag einer Gesetzesrevision ist im Wesentlichen allein auf die Tatsache zurückzuführen, dass dem Bundesrat diesbezüglich eine strategische Vision fehlt. Die Exekutive bezahlt heute den Preis für ihre frühere Passivität. Sie hätte sich seit mehreren Jahren gegen die Instrumentalisierung des Global Forum der OECD durch einige wenige Staaten wehren können, ja wehren müssen. Sie  hätte die Willkür, die mangelnde Konsequenz, die politische Voreingenommenheit und die schreiend ungerechte Behandlung innerhalb dieser Institution konsequent anprangern müssen.

Durch die vorgeschlagene Gesetzesänderung wendet der Bundesrat keinesfalls eine explizite und legitime Rechtsnorm an, sondern gibt einfach nur dem Druck einiger Staaten nach und unterwirft sich ihrer Interpretation einer OECD-Vorschrift (Model Tax Convention), obwohl sich weder diese Vorschrift noch die entsprechenden Kommentare überhaupt explizit zur Problematik der gestohlenen Daten äussern.

Diese resignierte Haltung kommt auch in den Antworten der zahlreichen Instanzen zum Ausdruck, die zum Gesetzesentwurf konsultiert worden sind. Dies gilt insbesondere für die Schweizerische Bankiervereinigung Swissbanking, die den ersten Vorschlag aus dem Jahr 2013 kategorisch abgelehnt und dies damit begründete hatte, der von ausländischen Staaten ausgeübte Druck sei keine legitime Grundlage, um in Fällen mit gestohlenen Daten auf Amtshilfegesuche einzugehen. Heute beruft sich Swissbanking jedoch auf die Reputation des Schweizer Finanzplatzes und erklärt, der Vorschlag des Bundesrats müsse als «Ultima Ratio» angesehen werden.

Dies bedeutet also, dass man sich aus Angst vor den Folgen fügen und dem Druck von aussen nachgeben soll, auch wenn man dabei gegen grundlegende Rechtsprinzipien verstösst. Die gleiche Ansicht vertritt der Waadtländer Regierungsrat, der davon ausgeht, dass es die vom Bundesrat vorgeschlagene Lösung «erlaubt, auf die nachdrücklichen Forderungen aus dem Ausland einzugehen», und dass «das Festhalten an einer harten Linie Vergeltungsmassnahmen seitens der ausländischen Staaten nach sich ziehen würde».

Rechtsunsicherheit

Wie das Bundesverwaltungsgericht in seiner Stellungnahme vom 17. November 2015 hervorhebt, verletzt ein auf gestohlenen Daten beruhendes Amtshilfegesuch den Grundsatz von Treu und Glauben, das heisst eine der wesentlichen Grundlagen des Völkerrechts, die eine eigenständige Quelle des internationalen Rechts darstellen. Die Art und Weise (aktiv oder passiv), mit der sich ein um Rechtshilfe ersuchender Staat diese gestohlenen Daten beschafft hat, spielt bei der Anwendung dieser allgemeinen Rechtsgrundsätze keine Rolle.

Daher verletzt der Gesetzesentwurf die grundlegenden Garantien eines Rechtsstaates und führt zwangsläufig zu einer Situation der Rechtsunsicherheit und des Zweifels. Die Effizienz des Informationsaustauschs, die unter dem Druck mächtiger Staaten von den G-20 und der OECD gefordert wird, darf aber keinesfalls auf Kosten eines Verstosses gegen die grundlegenden Prinzipien des Rechtsstaates durchgesetzt werden.

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