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«Novartis sind immer noch unterbewertet»

«In unserem Dividendenfonds haben wir die Position in ABB aufgestockt»: Will Browne.

Will Browne ist ein Value-Investor alter Schule. Von den gegenwärtigen Krisenherden lässt er sich nicht beirren. Stattdessen sucht der Partner der New Yorker Investmentboutique Tweedy, Browne nach unterbewerteten Aktien, die es trotz beachtlicher Sommerrally immer noch gibt. Besonders gerne investiert Browne in Unternehmen, die hohe, stabile Kapitalrenditen erwirtschaften und gleichzeitig in Wachstum investieren. Ebenso angetan haben es ihm Geschäftsmodelle, die wiederkehrende Einnahmen ermöglichen. Fündig wird er in den klassisch defensiven Sektoren wie Basiskonsumgüter oder Gesundheit, aber auch im Energie- und Technologiebereich, wo Namen wie Google und Cisco Systems auf seiner Kaufliste stehen.

Herr Browne, mit heftigen Schwankungen haben die meisten Börsen dieses Jahr respektabel abgeschnitten. Wie sieht es mit den Bewertungen aus – finden Sie noch genügend attraktive Anlageobjekte? - Wir haben in den letzten sechs bis neun Monaten etwas mehr verkauft als gekauft und in unseren Value-Fonds die Cashpositionen leicht aufgebaut. Da und dort sind aber immer noch spannende Anlagen zu finden – dann schlagen wir zu.

Wo zum Beispiel? - Wir haben in den Sommermonaten eine Position in Safran aufgebaut, dem französischen Triebwerkhersteller. Der Markt ist weitgehend ein Oligopol, kontrolliert von General Electric, United Technologies, Safran und Rolls-Royce, was den Anbietern stabile Margen ermöglicht. Die Franzosen liefern Triebwerke für Kurzstreckenjets wie den Airbus A-320 und die neue Version der Boeing-737. Der Verkauf der Triebwerke ist in etwa kostendeckend, aber Safran verdient gutes Geld mit Wartung und Ersatzteilen, denn keine seriöse Fluggesellschaft wagt es, Triebwerk-Ersatzteile von einem Billiganbieter zu beziehen. Safran verfügt zudem über eine saubere, solide Bilanz.

Ein weiteres Beispiel? - Vallourec, ebenfalls aus Frankreich, stellt nahtlose Röhren für die Öl- und Gasgewinnung her. Die Aktie war brutal abgestürzt und notierte im Sommer noch zu zwei Dritteln ihres Buchwerts, was angesichts der soliden Bilanz und der guten Marktposition ungerechtfertigt ist. Es existieren weltweit nur drei Anbieter von derart hochwertigen Stahlröhren, die dem Druck von Tiefenbohrungen standhalten. Auch hier gilt: Ein Ölbohrkonzern, der eine enorm teure Förderplattform betreibt, kann nicht bei der Qualität der Bohrröhre sparen. Vallourec ist zudem ein Nutzniesser des Schiefergasbooms in den USA. Die Aktie ist mehr als 40 € wert.

In der Schweiz haben Sie nichts gekauft? - In unserem Dividendenfonds haben wir die Position in ABB etwas aufgestockt.

Sind nicht Italien und Spanien momentan interessant für Value-Anleger? Die Märkte stehen im Zentrum der Eurokrise. - Nein, wir sehen da nicht viel, was uns gefällt. Spanien ist ein sehr konzentrierter Aktienmarkt; er besteht aus Banken, Baukonzernen, der Ölgruppe Repsol sowie ­Telefónica. Nichts wirklich Attraktives. Wir halten gegenwärtig mit Mediaset Telecinco eine Aktie in Spanien. Das ist die grösste TV-Sendergruppe im Land. Die Valoren wurden hart abgestraft, weil sie zyklisch sind. Aber Mediaset Telecinco besitzt keine Schulden, und wenn die Konjunktur in Spanien wieder anzieht, wird das Unternehmen enorm profitieren.

Wie steht es mit Italien? - Ungefähr gleich. Aktien von italienischen Banken oder Fiat sind nicht attraktiv. Und die meisten Luxusgüterwerte sind viel zu teuer. Es gibt deutlich attraktivere und weniger riskante Märkte.

Apropos teure Luxusgüteraktien. Tweedy, Browne hielt vor zwei, drei Jahren noch eine grössere Beteiligung an Richemont. Haben Sie die verkauft? - Ja. Die Aktien Richemont sind zu teuer bewertet. Man könnte meinen, jeder Chinese werde bald auch an seinem Fussgelenk eine Schweizer Luxusuhr tragen. Eines Tages wird die chinesische Wachstumsfantasie wohl zunehmend in Frage gestellt, und dann werden sich Investoren in Scharen von Richemont trennen. Dann werden sie wieder interessant für uns.

Sie erwähnten, die spanischen und die italienischen Banken seien nicht attraktiv. Gilt das generell für den europäischen Bankensektor? Zahlreiche Banktitel handeln ja deutlich unter Buchwert. - Die fassen wir nach wie vor nicht an. Es bringt nichts, denn als Aussenstehender hat man keine Ahnung, was in diesen Bilanzen steckt. Wieso soll ich das Risiko auf mich nehmen, in eine Deutsche Bank oder eine BNP Paribas mit ihrer winzigen Eigenkapitaldecke zu investieren? Klar, vielleicht gelingt mir mit dem richtigen ­Timing ein Home Run, aber das wäre einfach Glück.

Meiden Sie Finanztitel generell? - Nein. Im US-Fonds halten wir schon seit vielen Jahren eine Position in Wells Fargo. Das ist eine stabile Bank, ohne nennenswertes Investment-Banking-Geschäft. Die Aktiven von Wells Fargo sind zu 100% mit Spareinlagen finanziert, das Institut ist für seine Finanzierung nicht von den Launen des kurzfristigen Geldmarktes abhängig. Aus ähnlichen Überlegungen haben wir in den vergangenen Monaten HSBC gekauft. In Asien halten wir Beteiligungen an United Overseas Bank in Singapur und Bangkok Bank in Thailand. United Overseas ist ein schönes Beispiel: zu mehr als 100% mit Spareinlagen finanziert, domiziliert im Land mit dem wohl strengsten Bankenaufsichtsregime der Welt. Total langweilig. Genau das will man, wenn man in Banken investiert.

  • Defensive Standardwerte wie Nestlé, ­Coca-Cola oder Philip Morris International sind derweil etwas teuer geworden.

  • Es fällt auf, dass Sie in Ihren Fonds einige dieser Qualitätstitel abgebaut haben.

  • Viele dieser Valoren haben in den vergangenen Jahren eine tolle Kursleistung geliefert. Daher mussten wir einige von ihnen zurückstutzen, beispielsweise Nestlé, Diageo oder Henkel. Die Position in Philip Morris International haben wir sehr reduziert. Tabakkonzerne besitzen zwar enorme Preissetzungsmacht, trotzdem sind uns die Titel allmählich zu teuer. Philip Morris sind fast gleich hoch bewertet wie Nestlé – was angesichts der rechtlichen Risiken nicht gerechtfertigt ist.

Sind denn auch die Aktien Nestlé heute überbewertet? - Nein. Aber sie sind nicht mehr unterbewertet. Nestlé steigert den Gewinn stetig zwischen 3 und 7% pro Jahr, reinvestiert den Cashflow intelligent, bezahlt mehr als 3% Dividendenrendite. Was will man mehr? Nestlé ist wie ein Bond mit einem stetig wachsenden Coupon. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir einen Titel wie Nestlé je auf null abbauen würden.

Wie steht es mit Pharma? Novartis und Roche zählen zu den grössten Positionen in Ihren Fonds. - Novartis sind mit 57 Fr. je Aktie immer noch unterbewertet. Der Konzern besitzt einen guten Produktmix, generiert viel Cash, die Aktie wirft 4,5% Dividendenrendite ab. Pro Jahr wächst der Gewinn von Novartis 4 bis 5%, die Dividende steigt im gleichen Umfang. Wenn Sie den Titel heute zu 57 Fr. kaufen, haben Sie nach fünf Jahren 15 Fr. Dividende erhalten, während der Gewinn je Aktie um 22% gestiegen ist. Wenn das Kurs-Gewinn-Verhältnis gleich bleibt – aktuell um 10 –, dann notiert der Aktienkurs dannzumal 22% höher als heute. Und wenn der Aktienkurs nicht steigt, ist das KGV in fünf Jahren auf 7 gesunken, was die Titel noch attraktiver macht. Die Dividende haben Sie in der Zwischenzeit auf jeden Fall erhalten. All die Sorgen der Pharmabranche, von Patentabläufen bis zu neuen Regulierungen, sind in den aktuellen Preisen längst enthalten.

Wie steht es mit Roche? Oder anderen Pharmatiteln wie GlaxoSmithKline? - Unter den breit diversifizierten Schwer­gewichten gefällt uns Novartis am besten. Roche ist attraktiv, weil sich der Konzern eine solide Position im Markt für Krebsmedikamente aufgebaut hat.

Sprechen wir genereller über die Finanzmärkte. Die Notenbanken fluten die Märkte mit Geld. Was bedeutet das für Sie als Investor? - Das Geld kommt nicht in der Wirtschaft an. Fed und EZB weiten die Geldmenge zwar aus, aber kaum jemand wagt es zu investieren. Unternehmen sitzen auf riesigen Cashpositionen, und die Haushalte bauen vornehmlich Schulden ab. Investitionen werden eben nicht nur vom Zinsniveau und von der Liquidität getrieben, sondern hauptsächlich vom Vertrauen. Heute verhalten sich Unternehmen und Haushalte wie gelähmt vor Ungewissheit. Als Folge davon sind sichere Häfen wie Schweizer Staatsanleihen oder US-Trea­suries viel zu teuer geworden. Das ist eine Art Sicherheitsblase.

Verändert dieses Umfeld die Art, wie Sie als Value-Spezialist investieren? - Nein. Wir halten uns immer noch an das, was es wirklich bedeutet, wenn man in Aktien investiert. Man kauft nämlich nicht einfach ein Papier, sondern beteiligt sich an einem Unternehmen. Deshalb muss man wie der Eigentümer des Unternehmens denken. Und dann muss man sich vor Augen halten, dass die Welt trotz all der Krisen, die uns momentan beschäftigen, nicht untergehen wird. Geduld und Mut sind nötig. Wenn der Markt in Panik gerät und solide Unternehmen mit einem Abschlag bewertet, muss man kaufen.

Was ist Ihre wichtigste Erkenntnis aus den Jahren seit der Finanzkrise? - Seien Sie sich stets der Probleme bewusst, die ein hoher Fremdmitteleinsatz – Leverage – mit sich bringt. Unternehmen mit zu viel Fremdkapital haben die Finanzkrise teilweise nicht überlebt. Während die Einnahmen wegbrechen, bleiben die Schulden bestehen. Die sorgfältige Analyse der Bilanz war und ist integraler Bestandteil unserer Ansatzes. Die Finanzkrise hat uns die zentrale Bedeutung einer soliden Kapitalstruktur einmal mehr vor Augen geführt.