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«Die Zeit ist reif für den Kauf von Aktien»

Edouard Carmignac: «Wir werden noch lange sehr niedrige Zinsen und etwas höhere Inflation sehen. Das spricht für Gold.»

Kaum ein Fondsmanager in Europa geniesst an den Finanzmärkten ein höheres Ansehen als Edouard Carmignac. Der Chef des Pariser Investmenthauses Carmignac Gestion lobt Mario Draghi und Ben Bernanke: Die beiden Notenbanker hätten mit ihrer Politik die Systemrisiken enorm gesenkt, sagt er. Carmignac rät jetzt zum Kauf von Aktien wie Richemont oder den Titeln europäischer Banken. UBS und Credit Suisse beobachtet er allerdings nach wie vor mit Skepsis.

Herr Carmignac, die Agentur Moody’s hat Frankreich das Aaa-Rating entzogen. Was hat das für Sie als Investor für Folgen? - Die Rückstufung durch Moody’s bestätigt bloss die besorgniserregende Entwicklung in der Wettbewerbsfähigkeit der französischen Wirtschaft sowie die starke Verflechtung unseres Bankensystems in der Eurozone. Wir bei Carmignac sind bereits vor mehreren Jahren zu diesem Befund gekommen – mit der Konsequenz, dass wir in der Vermögensallokation französische Staatsschulden gemieden haben.

Sie haben die Aktienquote im Patrimoine-Fonds im dritten Quartal massiv von 4 auf 50% erhöht, obwohl Sie sich mehrfach besorgt über den Zustand der ­Wirtschaft geäussert haben. Was ist der Grund für diesen Umschwung in Ihrer ­Risikofreude? - Die Massnahmen der EZB im August ­sowie der US-Notenbank im September haben die Risiken im Finanzsystem extrem vermindert. Diese Entscheide waren wichtig – und richtig. Sie haben die Risiko­prämie an den Aktienmärkten gesenkt. Als EZB-Chef Mario Draghi sein Massnahmenprogramm bekanntgab, war uns klar, dass mehr Risikofreude angebracht ist.

Die Abkühlung der Weltwirtschaft ist plötzlich keine Gefahr mehr? - Wir leben in zwei Welten, der Finanz- und der realen Wirtschaftswelt. Die reale Wirtschaftswelt zeigt ein durchzogenes Bild mit drei Geschwindigkeiten: Europa sinkt in die Rezession, die USA schaffen es auf knapp 2% Wirtschaftswachstum, und die Emerging Markets haben sich nach ihrer Abkühlung stabilisiert respektive zeigen Signale einer Beschleunigung. Wirklich wichtig war aber, dass Draghi die Risiken im Finanzsystem dramatisch gesenkt hat.

Ist ihm das denn wirklich gelungen, oder hat die EZB bloss etwas Zeit gekauft? - Nichts ist permanent, aber die EZB hat klargemacht, dass sie ein Hochkochen systemischer Risiken nicht tolerieren wird. Wir werden bald sehen, dass es die EZB ernst meint, wenn Spanien einen offiziellen Hilfsantrag stellt und das OMT-Anleihenkaufprogramm (Outright Monetary Transactions, d. Red.) ausgelöst wird.

Wann wird das sein? - Wahrscheinlich noch in diesem Jahr, denn Spanien weist für 2013 einen signifikanten Refinanzierungsbedarf auf.

Trotzdem: Die EZB kann die Eurokrise doch allein nicht lösen. Welche Schritte möchten Sie sehen, damit die Eurokrise endlich überwunden werden kann? - Wir werden eine fiskalische Integration einer Gruppe von Ländern benötigen, die sich in wirtschaftlich sehr unterschiedlichen Situationen befinden. Wahrscheinlich werden nicht alle Länder der heutigen Währungsunion in den kommenden Jahren dabeibleiben. Für Griechenland wird es enorm schwierig. Auf der anderen Seite hat auch ein starkes Land wie Finnland bereits klargestellt, dass es für keine fremden Schulden bürgen will. Wir werden noch viele Spannungen sehen. Die Länder, die in der Währungsunion bleiben, müssen bereit sein, eine hohe finanzielle Bürde zu tragen. Alles in allem bin ich aber recht zuversichtlich, dass die Kernländer der Eurozone zusammenrücken werden.

Sie bezeichnen die Massnahmen von EZB und Fed als wichtig – trotzdem haben die Aktienmärkte seit Mitte September an Terrain verloren. Wieso? - Sie hatten von Juni bis Mitte September in Erwartung der Notenbankentscheide bereits kräftig zugelegt. Zwei Faktoren liessen in den vergangenen zwei Monaten die Furcht unter den Investoren zudem wieder steigen: die drohende Fiscal Cliff in den USA und die zögerliche Haltung Madrids, das OMT-Programm aufzurufen.

Sind das berechtigte Sorgen? - Ich würde sie nicht überbewerten. Spanien wird den Antrag bald stellen. In ­Washington fechten die beiden Parteien einen lärmigen Streit aus, aber ich denke, am Ende wird die Vernunft siegen, und es wird ein Kompromiss geschlossen.

Sie würden die aktuelle Schwächephase also für Käufe nutzen? - Absolut.

Und was kaufen Sie? - Das Umfeld hat sich für Aktienanlagen ­generell massiv verbessert. Aktien sind günstig im Vergleich mit nahezu jeder ­anderen Anlageklasse, seien es Bonds, ­Immobilien, Kunst et cetera. Ich denke, wir werden in den nächsten Jahren eine grosse Verschiebung der Kapitalflüsse von den Bond- in die Aktienmärkte erleben. Das wird nicht ohne Turbulenzen ge­schehen, aber ich habe das Gefühl, die Leute haben nach fünf Jahren fast per­manenter Krise vergessen, dass die Welt eine Zukunft hat.

Also generell Hände weg von Bonds? - Die sicheren Segmente des Bondmarktes, Bunds, Treasuries oder japanische Staatsanleihen, sind klar überbewertet. Attraktiv sind jedoch Bonds mit kurzer Laufzeit aus Spanien und Italien. Hier und da finden sich im BBB-Segment im Markt für Unternehmensanleihen Chancen, etwa von spanischen Banken. In den Schwellenländern würde ich auf Anleihen aus Ländern mit unterbewerteter Währung setzen, etwa Malaysia, Korea und China.

In Ihrer Aktienallokation fällt auf, dass Sie ein Übergewicht in Finanztiteln halten. - Der Sektor hatte dieses Jahr einen sehr ­guten Lauf, und wir haben in den vergangenen Monaten europäische Banktitel wie Santander, BNP Paribas, UniCredit, ING und Société Générale aufgebaut.

Stehen dahinter Momentum-Überlegungen, oder sprechen fundamentale Gründe für diese Engagements? - Der gleiche Faktor, der mich für spanische und italienische Bonds zuversichtlich stimmt, gilt für die Banken: Das OMT-­Programm der EZB wird ihnen eine grosse Hilfe sein. Die fünf genannten Banken gefallen uns, weil sie günstig bewertet und gut geführt sind.

Was halten Sie von UBS und Credit Suisse? - Ich mag im Fall beider Banken ihre Positionierung im Wealth Management. Allerdings bezweifle ich, dass es ihnen im Investment Banking gelingen wird, den Gewinn zu steigern und eine attraktive Eigenkapitalrendite zu verdienen. Wir halten daher keine Aktien der Schweizer Grossbanken. Im direkten Vergleich sehen wir mehr Potenzial in UBS und beobachten ihre neue Strategie sehr genau. Wir befürchten jedoch, die Annahmen des Managements betreffend die Kürzung der risikogewichteten Aktiven sind zu optimistisch, und die Umsetzung der neuen Strategie wird teurer, als die UBS-Führung glaubt.

Wo sehen Sie weitere attraktiv bewertete Titel und Segmente am Aktienmarkt? - In erster Linie Emerging Markets. Chinas Aktienmarkt ist sehr attraktiv bewertet. Zudem sehen wir Chancen in Ländern wie Brasilien, neuerdings wieder in Indien sowie in Indonesien, Peru und Kolumbien.

Chinas Aktienmarkt ist auf ein Drei­jahrestief gefallen. Was kann dort eine Trendwende auslösen? - Zunächst die Wirtschaft. Sie hat Tritt gefasst, eine harte Landung ist nicht mehr zu erwarten. Zweitens muss sich die Liquiditätsversorgung im Finanzsystem verbessern, und auch dafür sind erste Zeichen zu erkennen. Ein dritter Faktor ist die Machtübergabe an die neue Regierung, die wieder eine freiere Hand in der Ausübung der Konjunkturpolitik haben wird.

Eine der grössten Positionen in Ihrem Investissement-Fonds ist der Uhrenhersteller Richemont. Ist das eine Wette auf China? - Nicht nur. Richemont ist ausgezeichnet geführt, das Management beweist eine gute Kostenkontrolle. Mir gefällt, dass hinter Richemont eine Familie steht, die sehr sorgfältig arbeitet. Und ja, Richemont ist in Asien ausgezeichnet positioniert.

Würden Sie die Titel heute noch kaufen? - Ja. Sie sind im laufenden Jahr zwar bereits fast 40% gestiegen, aber mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 13 für das kommende Jahr sind sie immer noch günstig.

In Ihren Fonds finden sich schon seit ­langer Zeit Goldminenaktien wie Goldcorp, Randgold oder Barrick. Sind Sie immer noch zuversichtlich für diesen Sektor? - Barrick haben wir in den vergangenen Monaten verkauft. Goldminenunternehmen haben einen schweren Stand; das Finden und Ausbeuten von Vorkommen wird immer teurer, der steigende Goldpreis hat sich nicht in höheren Gewinnmargen niedergeschlagen. Wir haben daher das Portfolio umgeschichtet und neu Royalty-Titel wie Silver Wheaton und Franco-Nevada gekauft.

Sie rechnen aber immer noch mit einem steigenden Goldpreis? - Absolut. Wir werden noch lange sehr niedrige Zinsen, billiges Geld und etwas – nicht dramatisch, aber etwas – höhere Inflation haben. Das spricht für Gold.

Sie haben erwähnt, Fed und EZB hätten die richtigen Entscheide getroffen. ­Machen Sie sich keine Sorgen über die langfristigen Effekte dieser Geldpolitik? - Die Folgen am Bondmarkt werden schlimm sein. Aber wir müssen einsehen: Die meisten Länder der entwickelten Welt gehen durch einen zähen Deleveraging-Prozess, in dessen Rahmen Schulden abgebaut werden müssen. Das wird Jahre dauern. Und weil die Wachstumsraten auf beiden Seiten des Atlantiks so anämisch sind, ist es enorm wichtig, dass die Notenbanken die Zinsen so niedrig wie möglich halten. Wir können Gott für Draghi und Ben Bernanke danken. Sie sind die wahren Piloten in unserem Flugzeug.