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Kaffee mit…

Kurz vor acht Uhr ist im Café Bebek im Herzen Zürichs schon einiges los: Eine junge Frau klappt am Tisch nebenan ihren Laptop auf, zwei Männer im Sommeranzug holen sich einen Kaffee auf dem Weg ins Büro. In dieser geschäftigen Atmosphäre hat im September 2014 alles angefangen. Auf der Suche nach einer neuen Geschäftsidee traf Lea von Bidder zwei junge Unternehmer. Wenige Treffen später gründete sie mit drei Partnern Ava. Das Medtech-Unternehmen ist auf Schwangerschaftsplanung spezialisiert. Im Juli 2016 wurden die ersten funktionalen Armbänder zur Fruchtbarkeitskontrolle in den USA verkauft. Sie sollen Frauen helfen, schwanger zu werden. Es ist aber auch Ausdruck eines gesellschaftlichen Wandels.

Ava wächst schnell und hat kürzlich nach Asien expandiert. Heute beschäftigt das Unternehmen 85 Mitarbeiter – vor einem Jahr waren es noch dreissig gewesen. In der Schweiz steht die Gründerin deshalb oft im Rampenlicht. Aber auch international hat sie schon für Aufmerksamkeit gesorgt: 2017 schaffte es von Bidder auf die Liste der wichtigsten 30 Jungunternehmer unter 30 Jahren des US-Wirtschaftsmagazins «Forbes». Sie nimmt es gelassen. In Kalifornien sei die rasante Entwicklung des Start-ups nichts Aussergewöhnliches.

Die 28-Jährige lebt und arbeitet in San Francisco. «Der grosse US-Markt bietet aus Marketingsicht die besseren Möglichkeiten», glaubt sie. Die Schweiz sei kein einfaches Pflaster für Gründungen. Als Ava den Schritt wagte, fehlten hierzulande das Netzwerk und die Vorbilder – insbesondere für Frauen. «Diese männliche Dominanz in der Gründerszene ist überall ein Problem», glaubt sie. Denn Männer würden vor allem andere Männer rekrutieren und fördern – das gelte auch für Investoren. In diesem Umfeld hätten nur von Frauen geführte Start-ups einen schweren Stand.

Mit der Geschlechterfrage in der Wirtschaft beschäftigte sich von Bidder schon früh: Ihre Maturaarbeit drehte sich um die Frauenquote in Schweizer Unternehmen. Persönliche Diskriminierung habe sie nicht erfahren. Ihr sei aber früh die krasse Untervertretung von Frauen aufgefallen. «An der Universität St. Gallen zum Beispiel sind gerade mal 20 bis 25% der Studierenden Frauen – das wirft schon Fragen auf.» Noch heute ist von Bidder eine Befürworterin der Frauenquote in den Führungsetagen. Damit sich endlich etwas bewege, müssten sich die Strukturen wandeln. Wie das aussehen könnte, macht sie in ihrem Unternehmen vor: Bei Ava erhalten alle Mitarbeiter in den USA vier Monate bezahlten Urlaub nach der Geburt eines Kindes – wesentlich mehr als der Staat entschädigt.

Von Bidders politische Agenda geht aber über die Unternehmensführung hinaus. Denn Schwangerschaftsplanung bedeute in einer Zeit, in der immer mehr Frauen Karriere machen wollen, auch berufliche Selbstbestimmung. Es ist wohl kein Zufall, dass die durchschnittliche Ava-Kundin erst 29 Jahre alt ist. «Es sind nicht nur Paare, die sich seit langer Zeit ein Kind wünschen und auf anderem Weg nicht reüssieren», sagt sie. Manche probierten erst gar nicht, ohne Hilfsmittel schwanger zu werden. Denn oft geht es um das richtige Timing von Familie und Karriere.

Für den eigenen beruflichen Erfolg macht die Gründerin vor allem Zufall und Glück verantwortlich. Ohne ihren Ehrgeiz und die Planung wäre es aber nicht so weit gekommen. Das macht der Blick in von Bidders Lebenslauf deutlich. Bereits nach dem Grundstudium an der Universität St. Gallen wusste sie, dass sie ein eigenes Projekt umsetzen wollte. Deshalb absolvierte sie das Masterprogramm Global Entrepreneurship an drei Topuniversitäten in den USA, Europa und China.

Ihre erste Leidenschaft zog sie direkt nach dem Studium nach Indien. In Bangalore gründete sie zusammen mit einer Studienkollegin eine Ladenkette für Schokoladenprodukte. Die Süssigkeit wurde dafür eigens aus der Schweiz importiert. Der Verkauf lief bereits an, als Spannungen zwischen ihr und ihrer Geschäftspartnerin von Bidder zum Ausstieg bewogen. «Es schmerzte, aber im Nachhinein habe ich viel gelernt», sagt sie.

Bald schon tat sich in Zürich die nächste Möglichkeit auf, und dieses Mal wird ihr Einsatz von Erfolg gekrönt. «Als wir vor knapp vier Jahren hier sassen, wusste niemand, wohin wir steuern», sagt sie und lässt ihren Blick durchs Lokal schweifen. Bebek ist türkisch und bedeutet Säugling. Dass ihr Unternehmen einmal Tausenden von Frauen zu einem eigenen verhelfen würde, hatte sie damals wohl nicht erwartet.