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Kaffee mit…

Der Botschafter spricht auf Chinesisch mit ruhiger Stimme. Sein Übersetzer überträgt ins Deutsche: «Ich richte mich über Ihre Zeitung an die schweizerischen Firmen: Wenn chinesische Unternehmen deren geistiges Eigentum verletzen, sollen sie mir Bescheid geben!» Geng Wenbing, seit zwei Jahren Botschafter der Volksrepublik China, sitzt auf einem weissen, breiten Sessel in seiner Residenz in Muri bei Bern, neben sich die rote Landesfahne. Die Villa im Chaletstil liegt auf einer Anhöhe in einem grossen Gelände, von der Strasse sind nur Bäume und das Einfahrtstor zu sehen. Ein Hausangestellter mit weissen Handschuhen serviert schwarzen Kaffee in Gläsern. Der Koch der Residenz hat chinesisches Sesamgebäck vorbereitet. Draussen ist es über dreissig Grad. Der grosse Turm einer Klimaanlage chinesischen Fabrikats kühlt den Saal.

Der 61-jährige Geng sieht die Berichterstattung in schweizerischen Medien voll von Missverständnissen und Vorurteilen geprägt: «Von 1100 in China aktiven schweizerischen Firmen hat gerade mal eine ein Problem mit einem chinesischen Partner», erklärt Geng. Die alarmistische Berichterstattung über Übernahmen durch chinesische Unternehmen in der Schweiz habe sich bereits negativ ausgewirkt: «Deswegen sind die Investitionen aus China dieses Jahr schon zurückgegangen.» Die Volksrepublik würde dagegen begrüssen, wenn sich mehr schweizerische Firmen dort niederlassen.

Das Projekt der neuen Seidenstrasse, die Belt-and-Road-Initiative, dürfe man nicht als chinesischen Wirtschaftsimperialismus kritisieren: «Es ist eine offene Initiative, in der ausländische Unternehmen sehr willkommen sind.» Den grossen Wert des Projekts habe auch die schweizerische Regierung gut verstanden – doch die Medien würden hierzulande zu gerne auch gegen die eigene Regierung schreiben.

Kritische Fragen kontert Geng routiniert. Wie kommentiert er Berichte von der Unterdrückung der Uiguren in der westchinesischen Provinz Xinjiang? Gibt es dort Umerziehungslager und Einschüchterung durch die Polizei? Geng verteidigt die grosse Polizeipräsenz mit schweren Waffen: «In Paris oder Mailand ist das zur Verteidigung gegen Terrorismus auch normal.» Umerziehungslager gebe es keine, sondern Ausbildungszentren für die Jugend, «in denen während der Schulzeiten Anwesenheitspflicht gilt».

Der Botschafter kennt die politische Linie seiner Regierung aus eigener Anschauung besser als manch anderer Diplomat. Vor seiner Entsendung in die Schweiz leitete er die Disziplinaraufsicht im Pekinger Aussenministerium, war damit Teil der weitreichenden Anti-Korruptionskampagne von Präsident Xi Jinping. Nach mehr als fünf Jahren als Disziplinarchef hatte Geng Anspruch auf einen Botschafterposten. «Wir haben Strafen verhängt gegen diejenigen, die gegen Regeln verstossen haben», beschreibt Geng seine damalige Tätigkeit. Wurden Strafgesetze gebrochen, hat er Beamte der Justiz zugeführt.

Was hat er für sich aus der Aufgabe gelernt? «Man muss die Regeln immer einhalten», meint er kurz. «Verstösst jemand gegen die Regeln, muss man Härte zeigen.» Die Korruption sei dank der Kampagne von Xi weniger akut geworden. Seit 2012 seien fast 500 hohe Funktionäre verurteilt worden. Nun könne man sich darauf konzentrieren, die Korruption durch Änderungen des Systems zu bekämpfen. «Unsere Wirtschaft ist so schnell gewachsen, dass die Entwicklung der Regulierung und Aufsicht nicht mithalten konnte.» Achillesferse seien die lokalen Regierungen: «Die haben die meiste Macht über die Ressourcenverteilung – dort gab es den Deal zwischen Macht und Geld.»

Kann der Botschafter sich an seine Motivation erinnern, in den diplomatischen Dienst einzutreten? Er hatte damals keine klare Vorstellung seiner künftigen Karriere, erinnert sich Geng. Beim Eintritt in die Diplomatie halfen ihm seine Sprachkenntnisse – er hat französische Literatur studiert. «Aber die Fachwahl war vom Staat vorgegeben.» In Peking waren es sechs Tage die Woche, zehn Stunden am Tag; «ich habe noch nie Ferien genommen, die länger als eine Woche dauerten», sagt er. Sein Leben in der Schweiz sei etwas weniger fordernd. Täglich nimmt er sich Zeit, «eine Stunde zu lesen und eine Stunde nachzudenken». Am liebsten entspannt er beim Fischen – das will er einmal in allen Kantonen gemacht haben.

Ab dem Jahr 2000 war er für fünf Jahre Gesandter Chinas in Syrien. «Es war sicher. Man konnte nachts die Türen offen lassen, nichts wurde gestohlen.» Kurz vor Ausbruch des Irakkriegs besuchte er Bagdad, die chinesische Botschaft dort war schon geschlossen. Ein Abendessen wurde mit Koffern voll Bargeld bezahlt. Drei Jahre später kam er zurück in das kriegsgezeichnete Irak. Um seine Botschafterwürde zu schützen, wurde er über den Matsch an der Grenze von seinen Mitarbeitern getragen. «Irak und Syrien zeigen, dass es nichts schöneres als den Frieden gibt», sagt er. Man müsse das Recht der Syrer schützen, ihre eigene Regierung zu wählen.

Er erinnert sich an eine befreundete syrische Familie in Damaskus – ein Ingenieur, dessen Frau und zwei Töchter. «Sie besassen einen Kirschgarten und haben der Botschaft oft Kirschen geschenkt; in einem Fluss neben dem Haus konnte ich fischen.» Als der Krieg ausgebrochen ist, bat er den jetzigen Botschafter, nach ihnen zu schauen. Das Haus lag in Trümmern. Geng weiss nicht, wo die Familie heute ist.