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Globalisierung als Fluch und Segen

Unter Globalisierung versteht man in Wirtschaftskreisen vor allem die internationale Arbeitsteilung. Wer etwas günstiger und besser produzieren kann als andere, fokussiert seine Tätigkeit darauf und tauscht im Freihandel sein Produkt dann mit anderen.

Auf diese Weise resultieren unter dem Strich für die Konsumenten der Welt günstigere Produkte. Das ist der primäre Segen der Globalisierung. Neben diesem offensichtlichen Gewinn gibt es in der Praxis auch Verlierer, die von manchen Politikern und Wirtschaftsführern fälschlicherweise als ungebildet abgekanzelt werden.

Mit der Integration Chinas in die Weltwirtschaft und dem Fall der Berliner Mauer ging im Laufe der vergangenen fünfundzwanzig bis dreissig Jahre die Integration Chinas und des Ostblocks in die Weltwirtschaft in einem rasanten Tempo vonstatten.

Dabei haben primär die multinational tätigen Unternehmen eine Lohnarbitrage zwischen den Schwellen- und den Industrieländern vollzogen. Dies schuf einen neuen Mittelstand in den Schwellenländern, besonders in China.

Die multinationalen Konzerne konnten von dieser Arbitrage profitieren durch niedrigere Kosten und sich neu öffnende Märkte; ihre Aktionäre profitierten mit.

Andererseits litt der Mittelstand in den Industrieländern unter einem Rückgang der Realeinkommen und zunehmenden Befürchtungen, dass immer mehr Lohnempfänger Opfer dieser Entwicklung werden würden. Dies wiederum löste in den vergangenen Jahren eine politische Revolution gegen das politische und wirtschaftliche Establishment aus.

Trends stimmen skeptisch

Die Einführung des Euros hat gleichzeitig immer mehr Volkswirtschaften Europas strukturell geschwächt und so die Probleme aus der Globalisierung noch verschärft.

Aus der Sicht einer zunehmenden Zahl von Menschen nehmen die Eliten die Sorgen und Nöte der breiten Bevölkerung nicht mehr ernst. Vielerorts entsteht der Eindruck, die hohe Politik vertrete primär ihre eigenen Interessen und diejenigen der Grosskonzerne und vergesse dabei das Volk.

Falls die Aussichten des Mittelstands durch eine bessere Konjunktur verbessert werden könnten, würden sich diese Probleme von selbst lösen, doch die Trends weisen in die Gegenrichtung.

Das Wirtschaftswachstum ist primär eine Folge des Wachstums der Bevölkerung und der Produktivität. Aggregiert wuchs die Bevölkerung bis Alter 65 in der OECD, China, Brasilien und Russland seit den Fünfzigerjahren jährlich um 25 bis 30 Mio.

In den Neunzigerjahren begann sich der Zuwachs abzuflachen; 2008 betrug er noch 14 Mio. 2018 wird es null sein, danach geht es stets zurück, bis zu einer Schrumpfung von 12 Mio. 2035.

Auch der Zuwachs der Produktivität fällt seit einiger Zeit, in der OECD schon seit zehn Jahren und in den Schwellenländern seit ein paar Jahren. Aufgrund dieser Faktoren dürfte sich das Wachstum der Weltwirtschaft im Lauf der nächsten zwei Jahrzehnte zusehends verflachen.

Wenn der Kuchen Weltwirtschaft nicht mehr genügend wächst, der Wohlstand des Mittelstands in den Industrieländern erodiert und die etablierten Parteien die Probleme nicht erkennen oder verharmlosen, dann wird der Einfluss des Establishments weiter abnehmen. Dies spielt in die Hände von Populisten, die kurzfristig Abhilfe versprechen.

Ausserdem werden die Parlamente durch immer mehr Parteien von Unzufriedenen pulverisiert, was schwache Regierungen nach sich zieht. Belgien brauchte 537 Tage, bis nach den Wahlen eine Regierung stand, und in den Niederlanden dauerte es 209 Tage, bis sich eine (fragile) Koalitionsregierung bildete.

Damit können die notwendigen strukturellen Veränderungen in diesen Volkswirtschaften nicht angepackt werden; im Gegenteil, das Risiko populistischer Politik, die nur Probleme aufschiebt statt löst, steigt.

Erstaunlicherweise haben die meisten etablierten Parteien noch immer nicht realisiert, was da abläuft. Merkels Aussage nach der Wahlschlappe, sie wüsste nicht, was sie hätte anders machen sollen, steht stellvertretend für viele andere Politiker des Establishments – auch in der Schweiz.

Die heutige Wirtschaftspolitik ist gekennzeichnet durch immer mehr Regulierung und chronische Haushaltsdefizite bzw. steigende Staatsverschuldung, um das System zu stützen. Die inzwischen völlig entgleiste Geldpolitik überdeckt mit exzessiver Geldschöpfung die Probleme und bläst die Vermögenswerte auf, um den Eindruck zu erwecken, alles sei in bester Ordnung.

Das Vertrauen in die Behörden nimmt laufend ab, weil die Bürger erkennen, dass etwas nicht mehr stimmt. Wenn trotz guter Konjunktur die EZB noch immer jeden Monat für 60 Mrd. € Anleihen kauft und die Sparer unter dem Negativzins leiden, dann haben auch Notenbanken jedes Vertrauen verspielt.

In einem solchen Umfeld neigen schwache Regierungen in den Industrieländern zu protektionistischen Schritten, um die einheimische Produktion zu schützen und die Gunst ihrer Wähler zu erhalten.

Seit einigen Jahren schützen Regierungen mit auf einheimische Hersteller ausgerichteten Produktstandards nationale Fertigung, das gepaart mit Währungsmanipulation der Notenbanken. Nun sehen wir auch wieder vermehrt Strafzölle, vermutlich folgen bald Importverbote.

Es war ein grosser Fehler, dass die Welthandelsbehörde (WTO) die vielen Vergehen Chinas  – Technologie- und Patentdiebstahl, Ausgrenzung ausländischer Anbieter – nie wirklich sanktioniert hat.

Über viele Jahre hat China ein für die Unternehmen ertragsloses Beschäftigungsmodell über den Export betrieben, das mit dem auf Ertrag ausgerichteten marktwirtschaftlichen Modell der Industrieländer nicht kompatibel ist.

Der US-Präsident spricht diese Probleme nun als Einziger an, viele Jahre zu spät, weil frühere Regierungen und Europa schliefen. China ist inzwischen so stark, dass es wenig Rücksicht nehmen muss.

Nach der stabilen Bipolarität im Kalten Krieg ist die geopolitische Lage heute multipolar. In weniger als fünfzehn Jahren dürfte China die grösste Volkswirtschaft der Welt sein und die USA überholt haben.

Präsident Xi Jinping hat klargemacht, dass China eine grosse Militärmacht werden und seinen Einfluss in der Welt geltend machen will. Wenn der bisherige Hegemon sich durch einen neuen Aufsteiger herausgefordert fühlt, führt dies oft zu Konflikten.

Im späten 19. Jahrhundert forderte Deutschland als Parvenü Grossbritannien und Frankreich heraus, was die nachfolgenden Kriege auslöste.

Vor Kräftemessen USA-China

Es ist damit zu rechnen, dass die USA den Aufstieg Chinas und den Verlust der globalen Führungsposition nicht ohne Reaktion hinnehmen werden. Der amerikanische Nationalstolz wird sich gegen die Dominanz Chinas auflehnen. Dass das Erfolg haben kann, ist unwahrscheinlich, doch die Amerikaner sind nicht als gute Verlierer bekannt, was die geopolitischen Risiken erhöht.

Oft wird erwähnt, eine hohe wirtschaftliche Verflechtung und Abhängigkeit verringere solche Risiken. Viele vergessen, dass bereits im späten 19. Jahrhundert ein grosser Schub der Globalisierung, des Freihandels und des freien Kapitalverkehrs stattfand.

Zudem war auch die damalige Zeit geprägt durch grosse Migrationsströme, zudem von Terror wegen Unzufriedenheit mit der politischen Führung aufgrund von rücksichtloser Unterdrückung nationaler und ethnischer Gruppen.

Um den wirtschaftlichen und geopolitischen Gefahren zu begegnen, braucht es keine Gutmenschen, sondern weitsichtige Realpolitiker, die Prozesse zu Ende denken können und endlich damit beginnen, die Altlasten in den Systemen abzubauen und diese in die Marktwirtschaft zurückzuführen, trotz temporär schmerzhafter Anpassungen. Wer dies nicht tut, wird unweigerlich auf den Pfad des wirtschaftlichen Abstiegs geraten.