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Erfolgsfaktor Verwaltungsrat

Er besteht aus sieben Personen und trifft sich acht Mal im Jahr. Ein Mitglied wird auf zwei Jahre gewählt, der Präsident übt vier weitere Mandate aus. So sieht derzeit der durchschnittliche Verwaltungsrat von 150 kotierten Schweizer Unternehmen aus. Das dürfte den wenigsten bekannt sein, denn in der öffentlichen Wahrnehmung stehen Verwaltungsräte oft im Schatten des Managements. Zu Unrecht, weil die langfristige Strategie des Unternehmens im VR entsteht. Ein guter Verwaltungsrat sollte die passenden Führungskräfte auswählen, die richtigen Weisungen erteilen, die Interessen relevanter Anspruchsgruppen angemessen berücksichtigen, die Kontrollfunktion ausüben und eine wirksame Risiko­kultur im Konzern fördern. Damit kann das Gremium den Unternehmenswert nachhaltig steigern.

Wie gut die Verwaltungsräte von 150 kotierten Schweizer Gesellschaften ihre Aufgaben tatsächlich meistern, hat «Finanz und Wirtschaft» in Zusammenarbeit mit dem unabhängigen Vermögensverwalter zCapital ermittelt. Alle Verwaltungsräte mussten sich in siebzehn einzelnen Kategorien beweisen. Die Daten zeigen, dass die Verwaltungsratsarbeit nicht automatisch umso besser wird, je grösser das Unternehmen ist, und dass nicht die Verwaltungsräte mit den bekanntesten und schillerndsten Persönlichkeiten auf den obersten Rängen stehen, sondern eher diejenigen mit stillen Schaffern.

Professionalität nimmt zu

Die Resultate zeigen auch, dass die Corporate Governance der Unternehmen in bestimmten Punkten noch besser sein könnte. Dies bestätigen Aktionärsrechtler und Anlegerschützer. Sie attestieren den Schweizer Verwaltungs­räten zwar gute Fortschritte und eine immer professionellere Arbeit, doch gleichzeitig sehen sie gewisse Mängel in der Struktur und der Funktion der Gremien. Diese Probleme sind zum Teil hausgemacht, zum Teil eine Konsequenz der stets wachsenden Anforderungen.

Es lassen sich verschiedene Defizite ausmachen. Das erste betrifft die Unabhängigkeit der einzelnen Mitglieder und des gesamten Verwaltungsrats. Von den untersuchten Gesellschaften hat rund ein Fünftel kein unabhängiges Gremium. Dort stellen mehrheitlich Entscheidungsträger mit persönlichen und wesentlichen geschäftlichen Beziehungen zum Unternehmen die Weichen. Einerseits können (Ex-)Manager oder Unternehmensgründer dem Verwaltungsrat wichtige Dienste leisten, doch fehlt es an einem unvoreingenommenen Blick, steigt andererseits das Risiko für Fehlentscheide. Dies gilt besonders für die Doppelrolle Präsident-CEO.

Weiche Faktoren schwer zu erkennen

Die Definition der Unabhängigkeit könnte ausserdem noch weiter gefasst werden. Weiche Faktoren sind oft schwer zu erkennen. Ein Verwaltungsrat kann beispielsweise finanziell von seiner Funktion abhängig sein, weil er kaum weitere Einkünfte hat, oder in sozialer Abhängigkeit stehen, weil er auf das mit dem Amt verbundene Netzwerk nicht mehr verzichten kann bzw. möchte. Wie der Faktor Unabhängigkeit in familiengeführten Unternehmen zu werten ist, daran scheiden sich die Geister. Gleichzeitig betrifft es eine stattliche Anzahl Gesellschaften: Gemäss der Anlagestiftung Ethos haben rund 45% der hundert grössten kotierten Unternehmen in der Schweiz einen Aktionär, der über ein Drittel der Stimmen hält.

Es gibt gute Argumente, warum auch in diesen Fällen mindestens die Hälfte der Mitglieder eines Verwaltungsrats unabhängig sein sollte. Eines davon ist die Ausschüttungspolitik. Für einen Gross- oder Familienaktionär ist die Versuchung gross, via Mehrheit im Verwaltungsrat eine Dividende zu lancieren, die die finanzielle Fähigkeit des Unternehmens übersteigt.

Bewusste und unbewusste Vorselektion

Der Informationsstand ist ein weiterer Prüfstein für den Verwaltungsrat. Ein guter Verwaltungsrat muss zwar nicht jedes Detail aus dem Tagesgeschäft kennen, doch er sollte sicherstellen, dass ihn die relevanten Informationen überhaupt erreichen. Dazu muss er das interne Kontrollsystem entsprechend gestalten. Eine Schlüsselrolle kommt dem mittleren Management zu, das Informationen – bewusst oder unbewusst – vorselektieren kann. Verantwortlichkeit lässt ein Verwaltungsrat je nach Situation eines Unternehmens dann vermissen, wenn das Gremium nur so oft zusammenkommt wie unbedingt nötig. Um über die Umsetzung der Strategie zu wachen und einen engen Kontakt mit der Geschäftsleitung sicherzustellen, erscheinen vier Sitzungen pro Jahr als zu wenig.

Auch der Umgang mit den Ausschüssen eines Verwaltungsrats ist kritisch zu hinterfragen. Die Komitees sollen Entscheidungsgrundlagen für das Plenum ausarbeiten und vorbereiten. Teils wird auch argumentiert, dass sie einer Machtkonzentration beim Präsidenten entgegenwirken können. Wer als einzelner Verwaltungsrat aber nicht im Audit-, Nominations- oder Entschädigungs­ausschuss sitzt, hat sich im ungünstigsten Fall zu wenig intensiv mit einer Frage auseinandergesetzt und fühlt sich später nicht ausreichend verantwortlich für die Folgen. Je mehr Ausschüsse der Verwaltungsrat zusätzlich bildet, desto eher drohen inhaltliche Überschneidungen und unklare Verantwortlichkeiten.

In Verwaltungsräten ist je nach Zusammensetzung die Gefahr von Gruppendenken gross. In einer solchen Situation trifft eine Anzahl von eigentlich kompetenten Personen schlechtere oder realitätsfernere Entscheidungen als im Grunde möglich, weil jeder Beteiligte seine Position der erwarteten Gruppenmeinung anpasst. Begünstigende Faktoren sind eine grosse Ähnlichkeit in der Zusammensetzung des Gremiums und ein starker Meinungsführer. Das heisst im Umkehrschluss: Eine gesunde Vielfalt in Bezug auf Alter, Nationalität, Branchenkenntnisse und Geschlecht verbessert den Entscheidungsprozess.

Acht und mehr zusätzliche Mandate

Zeit ist für Verwaltungsratsmitglieder ein knappes Gut, vor allem für diejenigen, die mehrere Ämter auf sich vereinen. Ein Kenner der Verwaltungsratspraxis rechnet Folgendes vor: Sechs Sitzungen im Jahr von je einem Tag plus Einarbeiten in die Unterlagen, Vordiskussionen, Teilnahme an den Ausschusssitzungen, Telefonkonferenzen und gegebenenfalls Nachdiskussion ergibt einen Zeit­aufwand von mindestens 150 Stunden. Andere Experten gehen von einem 20%-Pensum pro Mandat aus, das aber je nach Situation oder Interpretation der Aufgabe bis auf 50% steigen kann. So dürften drei Verwaltungsratsmandate von kotierten Unternehmen schon das Höchste der Gefühle sein. In der Praxis haben aber mehr als ein Dutzend Verwaltungsratspräsidenten der untersuchten Unternehmen acht und mehr zusätzliche Mandate.

Was bedeutet das alles für Anleger? Zum einen kann ein Unternehmen mit Schwächen in der Corporate Governance und speziell in der Verwaltungsratsarbeit trotzdem eine gute wirtschaftliche Performance in Verbindung mit einer ansprechenden Kursentwicklung an der Börse bieten – zeitweise. Es lassen sich ohne grosse Mühe Beispiele für erfolgreiche Schweizer Unternehmen finden, in denen ein Vertreter der Eigentümerfamilie gleichzeitig auch Verwaltungsrat und Geschäftsleitung anführt. Wenn das Risikomanagement und die Kontrollfunktionen in Krisenzeiten aber versagen oder eine dominante Persönlichkeit innerhalb des Unternehmens plötzlich nicht mehr zur Verfügung steht, kann sich das Blatt rasch wenden. Daher stärkt eine gute Corporate Gover­nance die Perspektiven jeder Gesellschaft.

Nicht nur fordern, auch mitgestalten

Zum anderen sind Publikumsaktionäre gefordert, auch ihren Teil zu beizutragen. Wer eine gute Leistung vom Verwaltungsrat fordert, sollte selbst ebenfalls aktiv werden. Das heisst vor allem die Aktionärsrechte kennen und das Stimmrecht an der Generalversammlung ausüben. Es gibt vielversprechende Signale: In dieser Generalversammlungssaison ist die Präsenz gemessen an Vorjahreswerten gestiegen. In einigen Fällen wurden Vergütungsberichte abgelehnt, wenn auch nur fakultativ, Personalien und ­Kapitalerhöhungen nicht einfach durchgewinkt. Mit der Umsetzung der Minder-Initiative nimmt die Aktionärsverantwortung zu. Jährliche Neuwahlen und Abstimmungen über die Gesamtvergütung der Unternehmensspitze rücken den Verwaltungsrat in Zukunft stärker ins Licht. Eine grössere Aufmerksamkeit der Anleger ist im Sinne einer guten Corporate Governance zu begrüssen.