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Ebola als Symptom für Afrikas Schwächen

In Liberia wird womöglich gerade ein Horrorszenario wahr, das selbst viele Medizinexperten noch vor ein paar Monaten für ausgeschlossen  hielten. Das oft tödliche Ebola-Virus hat hier inzwischen ein ganzes Land durchseucht. Die Zahl der Erkrankten steigt inzwischen mit solcher  Schnelligkeit, dass allein in den vergangenen vier Wochen fast so viele Menschen infiziert worden sind wie in den sechs Monaten zuvor. Liberias Verteidigungsminister orakelt bereits, dass Ebola die nationale Existenz seines Landes gefährde. Fast 2500 Menschen sind seit Anfang März dem Virus in Sierra Leone, Guinea, Liberia und in weit geringerem Umfang auch in Nigeria erlegen, über die Hälfte davon allein in Liberia.

Mit jedem neuen Tag ist die Epidemie schwerer zu stoppen – und es wächst die Gefahr, dass sie andere, bislang noch nicht betroffene Länder wie die Elfenbeinküste erfasst. Denn auch dort gibt es nach Auskunft der Verantwortlichen kein Gesundheitswesen, das diesen Namen verdient und dem Virus langfristig Einhalt bieten könnte.

Die Annahme, dass es die mutigen Helfer von Organisationen wie «Ärzte ohne Grenzen», geschweige denn die Regierungen vor Ort, alleine schaffen würden, die Seuche in den Griff zu bekommen, hat sich als gefährlicher Trugschluss erwiesen. Während das medizinische Personal seit Langem über seinem Limit arbeitet, zeigen sich die Machthaber vor Ort in ihrer Inkompetenz völlig überfordert.

Die Eliten sind das Problem

Für die bereits von vielen Bürgerkriegen geschwächte Region bedeutet der beispiellose Ebola-Ausbruch nicht nur ein weiteres soziales und wirtschaftliches Desaster, sondern obendrein einen enormen Imageverlust nach den leichten Fortschritten in den letzten Jahren. Niemand spricht inzwischen mehr von einem «Afrika im Aufschwung». Mehr als alles andere hat das Virus vielmehr die enorme Zerbrechlichkeit afrikanischer Institutionen offenbart. Dass dies so ist, hat weit weniger mit der kolonialen Vergangenheit als den gierigen Eliten zu tun, die ihre Länder seit Jahrzehnten an einer wirklichen Entwicklung gehindert haben.

Die politische Hilflosigkeit der Regierungen vor Ort ist jedenfalls erschreckend. Unbegreiflich bleibt, warum zum Beispiel die Staatschefs der betroffenen Länder erst vier Monate nach dem Ausbruch der Epidemie einen gemeinsamen Regionalgipfel abhielten, um ihr Vorgehen abzustimmen. Symptomatisch auch, dass es Liberia und Sierra Leone mit ihren zusammen zehn Millionen Menschen auf kaum 170 Ärzte bringen. Nur sechs von Schwarzafrikas 48 Staaten haben zudem eine Deklaration aus dem Jahre 2001 eingehalten, in der  sie sich verpflichteten, 15% des staatlichen Haushalts in das Gesundheitswesen zu stecken. Oft war sogar das Gegenteil der Fall: Über ein Drittel der Unterzeichner haben ihre Ausgaben für  das Gesundheitswesen stattdessen reduziert. Während der jüngste Ebola-Ausbruch neu ist, sind die verheerenden Zustände seit Langem bekannt.

Kein Wunder, dass die Gesundheitsdienste der betroffenen Länder heute nicht etwa von ihren Regierungen, sondern oft von westlichen Hilfsorganisationen betrieben werden. Nach der jahrzehntelangen Vernachlässigung vieler Spitäler ist die medizinische Infrastruktur fast aller Länder in der Region derart verfallen, dass es an fast allem fehlt – von Gummihandschuhen und Schutzanzügen über Spritzen und Verbandszeug  bis hin zu einfachen Desinfektionsmitteln.

Der Westen allein kann die Not nicht lindern

Angesichts der ständigen Klagen aus Afrika über ihre vermeintliche Ausbeutung durch den Westen, überrascht immer wieder, wie schnell sich der Kontinent bei jeder neuen Katastrophe nicht etwa an seine vermeintlichen Freunde in China, Russland oder Arabien, sondern den oft geschmähten Westen wendet. Wieder einmal sind es die westlichen Industrieländer, die nicht nur das Personal und die medizinische Ausrüstung, sondern auch das nun bitter benötigte Geld für die notwendigen Gegenmassnahmen schicken. Natürlich darf der Westen sich der Notlage nicht verschliessen, sondern muss mit aller Kraft dabei helfen, einen noch grösseren Flächenbrand zu verhindern. Aber allein wird er das nicht schaffen.

Schon deshalb wäre es höchste Zeit, Afrikas selbstsüchtige Eliten endlich stärker in die Pflicht zu nehmen und ihnen eine gewisse - Eigenverantwortung abzuverlangen, etwa bei der Aufklärung der eigenen Bevölkerung. Bedrückend ist vor allem, dass das Drama, das sich derzeit in Westafrika abspielt, wegen der auch anderswo oft nicht vorhandenen Institutionen in anderen Teilen des Kontinents genauso möglich wäre, zumal vor dem Hintergrund des rasanten Wachstums der Bevölkerung, das den Druck auf das Gesundheits- und das Bildungswesen ständig verstärkt.

Bereits jetzt sind die ökonomischen Folgen der Epidemie gross und langfristig. So werden die am schwersten betroffenen Länder stark rückläufige Wachstumszahlen aufweisen und womöglich auf längere Zeit von Investoren gemieden werden. Niemand kann heute mit Gewissheit sagen, wie lange es nach dem Ausbrennen des Virus dauern wird, bis sich die Region wieder  stabilisiert. Sicher ist nur, dass dies sehr viel länger dauern wird, solange Afrikas Regierungen nicht endlich mehr Verantwortung für ihre eigenen Menschen übernehmen.