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Ebola steckt auch Afrikas Wirtschaft an

Der bislang schlimmste Ausbruch des Ebola-Virus hat in den drei am schwersten betroffenen Ländern Westafrikas grosse wirtschaftliche Schäden verursacht – und droht nun weitere Staaten der Region zu erfassen, darunter Afrikas grösste Volkswirtschaft Nigeria und den Verkehrsknotenpunkt Senegal. Seit dem Ausbruch vor einem halben Jahr hat die Epidemie in der Region rund 1600 Menschen getötet; mehr als 3000 sind infiziert. Allerdings könnten die wahren Zahlen nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) auch um das Drei- bis Vierfache höher liegen, weil viele Infizierte nicht gemeldet werden und oft im Stillen sterben.

Neben dem zwischenstaatlichen Handel leiden vor allem die Landwirtschaft und der Bergbau in Liberia, Guinea und Sierra Leone unter den Folgen des oft tödlichen Virus. Zusammen erwirtschaften die drei Länder ein Sozialprodukt von nur 13 Mrd. $ – weniger als der Bürgerkriegsstaat Afghanistan. Umso mehr sind ihre winzigen öffentlichen Haushalte nun unter Kostendruck geraten: Um den Kampf gegen die Epidemie zu finanzieren, haben alle drei Länder zuletzt Staatsanleihen begeben. Allerdings droht sich ihre Misere dadurch nur zu verschärfen. «Der Aussenhandel der Staaten liegt am Boden, die Märkte funktionieren nicht mehr, Projekte werden storniert, und Geschäftsleute ziehen ab», klagte Donald Kaberuka, Präsident der Afrikanischen Entwicklungsbank (AfDB), bei seinem Besuch in der Region zu Wochenbeginn. Kaberuka rechnet zumindest kurzfristig mit einer weiteren Verschärfung der zunehmend dramatischen Lage.

Bedenklich stimmt ihn vor allem, dass die Felder in den drei besonders hart betroffenen Ländern oft unbestellt bleiben und selbst der geringe Ernteertrag kaum noch auf die Märkte gelangt. Als zusätzliches Hindernis erweist sich der von vielen Fluggesellschaften verhängte Anflugstopp. Nach British Airways, Kenya Airways und einer Reihe arabischer und asiatischer Gesellschaften hat nun auch Air France die Flüge in die am schwersten heimgesuchten Länder wegen des stark rückläufigen Passagieraufkommens fast alle storniert.

Touristen bleiben fern

Doch nicht nur Westafrika ist von der zunehmenden Hysterie betroffen: Inzwischen hat die Ebola-Epidemie auch direkte Auswirkungen auf den Tourismus im übrigen Kontinent, weil dessen insgesamt 54 Staaten vielerorts über einen Kamm geschoren werden – und  Besucher aus Übersee Afrika aus Angst vor einer Ansteckung generell meiden. Dies gilt auch für traditionelle Touristenziele wie Kenia, Tansania und Südafrika, die weit vom eigentlichen Infektionsherd entfernt sind.

Einige afrikanische Regierungen haben die Ängste noch dadurch verstärkt, dass sie ihrerseits voreilig Sicherheitsmassnahmen verhängt haben, die jedoch nur wenig zur Eindämmung des Virus beitragen. So lässt Kenia ausser eigenen Landsleuten und Medizinern derzeit keine Personen mehr aus dem direkten Infektionsgebiet einreisen. Auch andere afrikanische Airlines haben den Flugverkehr in den Westen des Kontinents trotz der insgesamt nur sehr geringen Übertragungsgefahr weitgehend eingestellt.

Bereits jetzt hat die Epidemie das Wirtschaftswachstum in der Region stark beeinträchtigt. In Sierra Leone, wo die Regierung in diesem Jahr ein Wachstum von 14% erwartet hatte (allerdings ausgehend von einer extrem niedrigen Basis), dürfte der Zuwachs nach Angaben der AfDB nun allenfalls noch halb so hoch ausfallen, vermutlich noch viel geringer. Verantwortlich dafür sind die Auswirkungen der Epidemie auf die Landwirtschaft, in der noch immer rund zwei Drittel der Menschen Sierra Leones beschäftigt sind. Der Ausbruch des Virus gefährdet hier nicht nur die Ernte, sondern treibt auch die Lebensmittelpreise in die Höhe.

Erschwerte Versorgung mit Nahrungsmitteln

Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) hat vor kurzem ausdrücklich gewarnt, dass sich die angespannte Versorgungslage in den nächsten Monaten eher noch verschärfen dürfte. Vor allem die eingeschränkte Bewegungsfreiheit und die Schaffung von Quarantänezonen, mit denen eine weitere Ausbreitung des Virus verhindert werden soll, haben vielerorts zu Panikkäufen und Lebensmittelengpässen geführt. So ist der Preis des Grundnahrungsmittels Cassava, einer Wurzelknolle, in der liberianischen Hauptstadt Monrovia im August 150% gestiegen. «Bereits vor dem Ausbruch der Epidemie haben viele Haushalte fast 80% ihres extrem geringen Einkommens für Lebensmittel ausgegeben», sagt Vincent Marin, Chef der FAO-Niederlassung in Senegals Hauptstadt Dakar. Durch den jüngsten Preisanstieg seien viele Nahrungsmittel quasi unerschwinglich geworden, was die Eindämmung der Infektionskrankheit zusätzlich erschwert. Viele Menschen sind nach dem Verbot des Verzehrs von sogenanntem Buschfleisch (von Fledermäusen und Affen), das als Hauptübertragungsquelle des Ebola-Virus gilt, ohnehin kaum noch in der Lage, sich auch nur halbwegs ausgewogen zu ernähren.

Auch die Schliessung der Ländergrenzen und der dadurch verursachte Unterbruch des Warenaustauschs haben in den Ländern zu weiteren Engpässen geführt, zumal alle Staaten Getreideimporteure sind. Die FAO hat inzwischen ein Notprogramm zur Bereitstellung von 65’000 Tonnen Lebensmitteln beschlossen, um die vom Virus besonders geschädigten Regionen bis zum Jahresende ausreichend zu versorgen.

Besorgniserregend ist vor allem, dass die Epidemie inzwischen das Zentrum der nigerianischen Ölindustrie in der Hafenstadt Port Harcourt erreicht hat. Erst zu Wochenbeginn hatten die Behörden dort den dritten Ebola-Fall gemeldet, wodurch die Zahl der bestätigten Infektionen landesweit auf siebzehn gestiegen ist. Mehr als 270 Menschen stehen inzwischen unter Beobachtung.

Zuvor war das Virus auf die Wirtschaftsmetropole Lagos beschränkt und war somit weitgehend unter Kontrolle. Port Harcourt ist mit seinen 3,5 Mio. Menschen Sitz einer Reihe von Ölkonzernen. Eine Ebola-Epidemie in dieser Stadt könnte nach Ansicht von Beobachtern die Ölindustrie des mit 170 Mio. Einwohnern bevölkerungsreichsten Landes in Afrika zum Stillstand bringen. Gegenwärtig fördert Nigeria knapp 2,2 Mio. Barrel Öl am Tag, womit es der grösste Produzent des Kontinents ist.