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Die Fata Morgana eines globalen Euros

Eine der grossen Behauptungen, die einst zugunsten des Euros ins Feld geführt wurden, war, dass er dem US-Dollar als eine zweite globale Reservewährung Konkurrenz machen würde. Diese Hoffnungen haben sich nicht bestätigt. Die Bedeutung des Euros in den weltweiten Devisenreserven und an den globalen Finanzmärkten ist heute ungefähr gleich wie vor zwei Jahrzehnten, als er die D-Mark und zehn andere nationale Währungen ablöste.

Doch die Hoffnung stirbt zuletzt, und in diesem Geist hat die EU-Kommission vor kurzem eine Mitteilung mit dem Titel «Towards a stronger international role of the euro» veröffentlicht. Die Kommission geht, wie die meisten EU-Politiker, davon aus, dass es der Eurozone Vorteile brächte, wenn der Euro eine stärkere globale Rolle spielte. Aber das ist nicht zwangsläufig richtig.

Einer dieser Vorteile beruht, vorgeblich, auf der weit verbreiteten Nutzung von Eurobanknoten ausserhalb des gemeinsamen Währungsraums. Bei Anlage dieser Messgrösse zumindest ist der Euro ein grosser Erfolg. Die im Umlauf befindliche Menge an Bargeld hat sich in den vergangenen zwanzig Jahren mehr als verdoppelt, sowohl absolut als auch als Anteil am BIP der Eurozone. Der Gesamtwert der im Umlauf befindlichen Eurobanknoten beläuft sich inzwischen auf 1,2 Bio. €. Es wird gemeinhin angenommen, dass ein grosser Anteil des Eurobargelds ausserhalb der Eurozone verwendet wird.

Banknotenausgabe nicht mehr profitabel

Doch die wirtschaftlichen Bedingungen der Banknotenausgabe haben sich geändert. Sie war für die Notenbanken früher ein profitables Geschäft, weil sie den Erlös in Staatsanleihen mit einer ordentlichen Rendite investieren konnten. Bei Zinsen von 5% und einem Umlaufvolumen von 1,2 Bio. € an Banknoten hätte die Europäische Zentralbank Einnahmen von etwa 60 Mrd. € jährlich erwirtschaften können. Obwohl das im Vergleich zum Gesamt-BIP der Eurozone von 10 Bio. € nicht viel ist, entspricht die Summe doch fast der Hälfte des EU-Haushalts.

Bei den heutigen Negativzinsen jedoch ist die Ausgabe von Banknoten nicht mehr profitabel. Dies könnte ein weiterer Grund sein, warum sich die EZB entschieden hat, die Ausgabe des 500-€-Scheins einzustellen, der zudem im Umgang mit grossen Mengen Schwarzgeldes viel praktischer ist als der 100-€-Schein. Man solle es nicht als Vorteil des Euros ansehen, dass er ein praktisches Hilfsmittel für illegale Transaktionen im Ausland darstellt.

Ein weiteres Argument dafür, eine globale Reservewährung zu haben, ist, dass dies ausländische Kredite verbilligt. Dies ist das «exorbitante Privileg», das die USA gemäss der bekannten Aussage Valéry Giscard d’Estaings (damals französischer Finanzminister) aufgrund des Status des Dollars als globale Reservewährung geniessen. Doch während die Ausgabe auf Dollar lautender Schulden für die USA (als weltgrössten Schuldner) ein wichtiger Vorteil ist, ist die Eurozone ein Nettogläubiger. Da die Realzinsen in Dollar tendenziell höher sind, wäre es besser, wenn das Aussenvermögen der Eurozone auf Dollar statt auf Euro lauten würde.

Anteil der Eurozone an der Weltwirtschaft sinkt

Darüber hinaus hätte es für den Euro besonders problematische Folgen, wenn er eine wichtige Ankerwährung wäre. Zum Glück haben die Länder, die ihre Währungen an den Euro knüpfen, wirtschaftlich kaum Gewicht. Man stelle sich vor, was etwa passieren würde, wenn China seine Währung an den Euro und nicht an den Dollar anbinden würde. Die chinesischen Behörden würden dann den Wechselkurs des Euros gegenüber dem Dollar bestimmen – der Währung des grössten Handelspartners und Konkurrenten der EU. Eine Ankerwährung zu haben, kann tatsächlich einen Kontrollverlust nach sich ziehen.

Natürlich gibt es andere Gründe, warum es im Interesse der EU liegen könnte, dass der Euro eine grössere globale Rolle spielt. So erschwert die extraterritoriale Anwendung von Sanktionen durch die USA es europäischen Unternehmen enorm, ihre Handelsbeziehungen zum Iran aufrechtzuerhalten, weil der internationale Handel des Irans überwiegend in Dollar abgerechnet und abgewickelt wird. Doch die Fähigkeit der USA, so weitreichende Sanktionen zu verhängen, beruht im Wesentlichen auf ihrer diplomatischen und militärischen Macht. Selbst wenn der Euro eine viel grössere Rolle innerhalb des globalen Finanzwesens spielte, würden die USA, was die «Hard Power» angeht, dominant bleiben.

Eine globale Reservewährung zu haben, ist sinnvoll für eine grosse Volkswirtschaft, die gegenüber der übrigen Welt nicht zu stark exponiert ist. Auf die USA passt diese Beschreibung. Für die etwas kleinere Volkswirtschaft der Eurozone, in der der Handel mit Waren und Dienstleistungen mehr als ein Viertel des Gesamt-BIP ausmacht, ist es weniger sinnvoll. Zudem ist der Anteil der Eurozone an der Weltwirtschaft von etwa 25% bei Einführung des Euros auf heute 15% gefallen, und er wird bald  unter 10% sinken.

Dollar bleibt die Schlüsselwährung

Das relative Gewicht der US-Volkswirtschaft wird natürlich ebenfalls abnehmen, da China und Indien weiterhin schneller wachsen. Doch der Dollar wird seine traditionelle Rolle als Schlüsselwährung für internationale Handelstransaktionen so lange beibehalten, wie China Kapitalbewegungen einschränkt, um sich die Kontrolle über seine Binnenwirtschaft zu bewahren. Eine Ausweitung der globalen Rolle des Euros andererseits wäre nur möglich, wenn die Eurozone den relativen Niedergang ihrer Volkswirtschaft durch hohes Wachstum verlangsamt.

Doch selbst wenn man annimmt, dass sich der relative Niedergang der Eurozone fortsetzt, hätte dies nicht zwangsläufig einen Rückgang des Lebensstandards zur Folge. Der Anteil der japanischen Volkswirtschaft am globalen BIP hat sich während der vergangenen zwanzig Jahre halbiert, während sich der dortige Lebensstandard, wenn auch langsam, weiter verbessert hat.

So oder so ist es gut, dass frühe Hoffnungen, der Euro würde eine echte globale Währung werden, sich nicht verwirklicht haben. Die Eurozone steht derzeit auch ohne die zusätzliche Last der Ausgabe einer globalen Reservewährung vor genügend wirtschaftlichen Herausforderungen.

Copyright: Project Syndicate.