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Warum Frankreich auf Schweizer Banken zielt

Letzten Dezember wurde der Genfer Bankier François Reyl im Rahmen des Verfahrens gegen den ehemaligen französischen Finanzministers Jérôme Cahuzac in erster Instanz zu einem Jahr Gefängnis auf Bewährung und zu einer Busse von 375 000 € verurteilt. Die Bank Reyl & Cie wurde mit einer Strafzahlung von knapp 1,9 Mio. € belegt. 2014 war in Frankreich gegen die UBS ein Ermittlungsverfahren wegen schwerer Geldwäscherei im Zusammenhang mit Steuerbetrug eingeleitet worden. Die Bank hatte damals eine Kaution von 1,3 Mrd. Fr. für ein Verfahren hinterlegen müssen.

Im Oktober 2015 hatte die französische Finanzstaatsanwaltschaft Klage wegen Geldwäscherei im Zusammenhang mit Steuerbetrug gegen die HSBC Private Bank Suisse eingereicht. Die gegen diese Schweizer Banken eingeleiteten Ermittlungsverfahren, aber vor allem auch die Begründung des gegen die Bank Reyl & Cie ergangenen Urteils werfen Fragen auf. Bei einer näheren Prüfung stellt man heute nämlich fest, dass diese gerichtlichen Entscheidungen zweifellos politisch motiviert waren. Dies gilt es aufzuzeigen und anzuprangern.

Verdacht der Geldwäscherei

Die französischen Richter waren der Meinung, dass sich François Reyl als «Regisseur» der Verschleierung von Jérôme Cahuzacs Einkünften der Mittäterschaft bei Geldwäscherei im Zusammenhang mit Steuerbetrug schuldig gemacht habe. Der Bank Reyl wiederum wurde vorgeworfen, sie habe als «Instrument» zu dieser Verschleierung gedient, indem sie ihr Know-how zur Verfügung gestellt und eine Reihe legaler rechtlicher Konstrukte für einen illegalen Zweck genutzt habe.

Ein zentrales Argument der Verteidigung von François Reyl und seiner Bank war, dass die Taten, deren sie von der französischen Justiz bezichtigt wurden, nicht in Frankreich, sondern in der Schweiz begangen wurden, wo sie völlig legal waren. Das Gericht hingegen vertrat die Auffassung, dass der französische Richter in diesem Fall zuständig sei und dass er sich nicht «dem guten Willen anderer Staaten unterwerfen werde». Es stützte seine Begründung auf die Tatsache, dass nach französischem Recht ein Delikt als auf französischem Boden begangen gilt, wenn einer der Tatbestände in Frankreich erfüllt wurde.

Laut dem Gericht ist Geldwäscherei ein komplexes Delikt. Wenn also ein einziges Element oder ein einziger Tatbestand der Geldwäscherei auf französischem Staatsgebiet begangen werde (im Fall Cahuzac die Verschleierung seiner Einkünfte), sei der französische Richter zuständig, um über das gesamte Delikt zu entscheiden, d.h. auch über die im Ausland begangenen Taten. Dies gilt somit auch für die Verwaltung des Vermögens von Jérôme Cahuzac durch einen Schweizer Bankier in Genf.

Es war völlig legitim, dass der französische Staat den Steuerbetrug seines Steuerpflichtigen Jérôme Cahuzac hart bestrafte. Die Begründung, auf die sich das Gericht stützte, um auch François Reyl zu verurteilen, baut jedoch auf einer fragwürdigen Logik auf, die ganz klar eine Tendenz zu einer extraterritorialen Durchsetzung des französischen Strafrechts erkennen lässt. Und dies, obwohl die französischen Behörden 2014 die von den USA gegen die Bank BNP Paribas wegen Umgehung der US-Sanktionen gegen Kuba, den Sudan und den Iran verhängte Strafzahlung aufgrund ihres extraterritorialen Charakters vehement kritisiert hatten.

Spannungen im Steuerbereich

Zudem kommt in diesem Urteil auch der politische Wille Frankreichs zum Ausdruck, der Schweiz über ihre Banken Schaden zuzufügen. Seit Beginn der globalen Finanzkrise 2008 haben die Spannungen zwischen Frankreich und der Schweiz im Steuerbereich deutlich zugenommen und haben sich mit der Wahl von François Hollande 2012 noch weiter verschärft. Angesichts der immensen Staatsverschuldung machte sich die französische Regierung auf die Suche nach neuen Steuereinnahmen und führt seither einen unerbittlichen Kampf gegen die Steuerflucht ihrer Steuerpflichtigen.

Durch den Skandal um Cahuzac, den der Steuerflucht in die Schweiz überführten Finanzminister, wurde Frankreich nur noch in seiner Entschlossenheit bestärkt, schonungslos vorzugehen. Ausserdem setzte Frankreich alles daran, der Schweiz im der OECD angegliederten Global Forum über Transparenz und Informationsaustausch in Steuerfragen Steine in den Weg zu legen.

Diese Unnachgiebigkeit, die vor allem innenpolitisch motiviert ist, ist deutlich an den Strafverfahren der französischen Justiz gegen François Reyl und seine Bank zu erkennen. Die oberste Finanzstaatsanwältin Eliane Houlette meinte nach dem Prozess denn auch ganz unverhohlen, «es sei wichtig gewesen, einmal kräftig mit der Faust auf den Tisch zu hauen». Sie begrüsste das strenge Urteil und fügte noch hinzu: «Wir wollten ein Exempel statuieren. Das ist uns gelungen.»

Obwohl die Situation nicht die gleiche ist, so zeigt sich dieselbe Haltung auch beim Umgang Frankreichs mit der Affäre Falciani, die zu Ermittlungen gegen die Schweizer Tochter des britischen Bankkonzerns HSBC führte. Und diese Einstellung ist auch beim harten Vorgehen gegen die UBS und ihre französische Tochter unverkennbar, könnte doch die entsprechende Klage eine Strafzahlung von bis zu 6 Mrd. € nach sich ziehen. Daher sprach sich der französische Finanzminister Michel Sapin auch gegen eine globale Vergangenheitsregelung aus. Betrug lasse sich nicht regularisieren, sagte er.

Zeichen setzen

Mit der Ablehnung der globalen Vergangenheitslösung möchten die französischen Behörden zeigen, dass sie hart durchgreifen werden. Scharfe Urteile der französischen Justiz sollen ein Zeichen setzen und abschreckend wirken. Diese Einschüchterung ergibt heute aber kaum noch Sinn, denn die Schweizer Banken haben «aufgeräumt» und die ausländischen Kunden gezwungen, unversteuerte Vermögen zu deklarieren oder die Bank zu verlassen. Im Übrigen werden Frankreich und die Schweiz ab 2018 im Rahmen des automatischen Informationsaustauschs in Steuerfragen Daten austauschen.

Obwohl die Haltung der französischen Justizbehörden gegenüber diesen Schweizer Banken in erster Linie innenpolitisch motiviert war, so ist sie doch auch eine Folge davon, dass der Bundesrat in den letzten Jahren Schwäche zeigte und dass ihm ein strategisches Gesamtkonzept für den Umgang mit den Verächtern des Finanzplatzes Schweiz und dessen Bankkundengeheimnisses fehlte. Man denke nur an das exorbitante Programm, das sich die Schweizer Regierung von den US-Behörden aufzwingen liess. Es erstaunt daher kaum, dass sich Frankreich heute von den amerikanischen Methoden gegenüber den Schweizer Banken inspirieren lässt.

Die französische Justiz verfügt zwar nicht über die Mittel, um – wie die USA – gegen alle Schweizer Banken erfolgreich vorzugehen, doch sie kann problemlos ganz bestimmte Institute wie beispielsweise Reyl & Cie, HSBC und UBS ins Visier nehmen. Daher ist es äusserst wichtig, die politische Motivation der französischen Behörden in aller Deutlichkeit aufzuzeigen und anzuprangern – nicht aber, ohne gleichzeitig zu beklagen, dass die Reaktionen auf diese Affären in der Schweiz nicht hellsichtiger waren und dass sich die Schweizer Behörden in an Gleichgültigkeit grenzendes Schweigen hüllten.