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Was Negativzinsen für die Schweiz bedeuten

SNB-Präsident Thomas Jordan an der heutigen Pressekonferenz zur Einführung des Negativzinses.

Was hat die SNB getan? - Die Nationalbank hat Negativzinsen angekündigt. Die Guthaben der Banken bei der SNB werden künftig mit einem negativen Zins von –0,25% belegt. Zudem erweitert die SNB das Zielband für den Leitzins in den negativen Bereich.

Wieso hat sie dies getan? - Um den Franken-Euro-Mindestkurs zu verteidigen. SNB-Präsident Thomas Jordan erklärte: «Mit dieser Massnahme werden die Zinsen auf Anlagen in Franken weiter sinken. Frankenanlagen werden somit weniger attraktiv, wodurch sich der Aufwertungsdruck verringert.»

Weshalb gerade jetzt? - Vor allem die Krise in Russland hat dazu geführt, dass der Franken als sichere Währung gesucht ist. Die zusätzliche Nachfrage bewirkt Aufwertungsdruck. Damit strebt der Franken-Euro-Kurs abwärts, gegen die Untergrenze von 1.20 Fr./€. Ausserdem sind seit Anfang Jahr die Zinsen in Euro schneller gesunken als in Franken. Schmilzt der Zinsvorteil des Euros, wird die Gemeinschaftswährung unattraktiver und schwächt sich gegenüber dem Franken ab. Auch deshalb ist der Wechselkurs gegen die Untergrenze gesunken.

Wann tritt die Massnahme in Kraft? - Am 22. Januar 2015.

Wieso erst dann? - Die Nationalbank muss ihre Geschäftsbedingungen ändern, und dafür ist eine Frist von einem Monat festgelegt. Jordan geht aber davon aus, dass bereits die Ankündigung die Finanzmärkte beeinflusst.

Hat es so etwas schon einmal gegeben? - Negativzinsen gab es in der Schweiz in den Sechziger- und Siebzigerjahren. Nach der jüngsten Finanzkrise führten die Europäische Zentralbank und die dänische Nationalbank negative Zinsen für Einlagen bei der Notenbank ein. Neu am Vorgehen der SNB ist, dass auch der Leitzins negativ werden soll.

Ist der Franken denn noch überbewertet? - Eindeutig berechnen lässt sich das nicht. Die Mehrheit der Devisenökonomen wie auch die SNB sagen, der Franken sei weiterhin überbewertet. Credit Suisse dagegen hält ihn für fair bewertet. Das Problem liegt jedoch woanders. Der Franken ist ein sicherer Hafen. Sein Volumen ist zu klein, als dass er als Auffangbecken dienen könnte. In der Eurokrise 2011 wertete sich der Franken dramatisch auf. Das bedrohte die Exportwirtschaft und hätte über fallende Importpreise zu Deflationsdruck geführt. Das will die SNB mit dem Mindestkurs verhindern.

Reicht der Negativzins,  um den Mindestkurs zu verteidigen? - Nein. Der Negativzins ist nicht tief genug, um den Aufwertungsdruck auf den Franken längerfristig aus der Welt zu schaffen.

Wer muss Negativzinsen zahlen? - Die Massnahme zielt auf ausländische Banken und Institutionen, die geschätzt ein Viertel aller Sichteinlagen bei der SNB halten. Auf die Gelder, die pro Institut 10 Mio. Fr. übersteigen, wird der Negativzins von –0,25% erhoben. Dasselbe gilt für nichtreservepflichtige Finanzmarktteilnehmer wie Versicherungen, Abwicklungsgesellschaften,  internationale Organisationen und Zentralbanken. Inländische Banken sind von der Massnahme gegenwärtig kaum betroffen.

Somit ist keine Schweizer Bank betroffen? - Weder die Einlagen von CS und UBS – die Teile der Liquiditätsreserven in Dollar halten dürften – noch vom Gros der Geschäfts- und Kantonalbanken überschreiten den Freibetrag, der beim Zwanzigfachen des Mindestreserve-Solls liegt. PostFinance und ZKB liegen leicht darüber. ZKB teilt mit: «Wir haben bereits eine sehr hohe Liquiditätsposition und werden vor allem im Interbankenmarkt und gegenüber professionellen Gegenparteien im Geldmarkt nicht für kurzfristige Liquiditätszuflüsse zur Verfügung stehen und behalten uns entsprechende Gegenmassnahmen vor.» Sie werde mit der Rückweisung von Zuflüssen oder mit Konditionenanpassungen auf Einzelgeschäften reagieren. Privatkunden und KMU würden von den Massnahmen allerdings nicht tangiert. Dies betonen auch alle anderen Banken.

Was kostet der Negativzins in Franken? - Eine Überschlagsrechnung anhand der letzten verfügbaren Daten ergibt insgesamt direkte Zinskosten von rund 43 bis 50 Mio. Fr. pro Jahr. Die Einlagen bei der SNB schwanken jedoch stark.

Was bedeutet der Negativzins für die Grossbanken? - Credit Suisse und UBS erheben seit Ende 2012 Gebühren auf Gelder, die andere Banken bei ihnen hinterlegen, um übermässige Einlagen abzuhalten. Andere Firmen- und Kundensegmente sind davon ausgenommen. CS will nun die «Marktentwicklungen genau verfolgen». UBS wird «evaluieren, ob weitere Schritte wie Gebühren oder negative Zinsen angebracht sind». Gegenwärtig unterliegen die beiden Grossbanken den Strafzinsen nicht, da ihre Einlagen bei der SNB unter dem Freibetrag liegen.

Was bedeutet der Negativzins für die Kantonal- und Regionalbanken? - Die Gruppe der Kantonal- und Regionalbanken ist nicht direkt betroffen. Ihre Giroguthaben bei der SNB liegen in den allermeisten Fällen deutlich unter dem Freibetrag der SNB und werden also nicht mit dem Negativzins belastet. Indirekt dürften sie aber die Folgen der nach unten verschobenen Zinskurve im Ergebnis spüren und sich bei der Annahme von Geldern grosser ausländischer Kunden zurückhalten.

Werden nun Sparkonti mit Negativzinsen belastet? - Nein, das schliessen viele Banken explizit aus. Die Verzinsung ist heute schon sehr niedrig, und eine Notwendigkeit für negative Sparzinsen besteht nicht, weil die Retailbanken nicht direkt betroffen sind. Spargelder sind zudem die Basis für die Refinanzierung, die nicht aufs Spiel gesetzt werden wird. Auch technisch wäre ein Negativzins für Kleinkunden schwierig umzusetzen: Die Informatiksysteme sehen diesen Fall nicht vor.

Sind Unternehmen betroffen oder nur ausländische Spekulanten? - Es gibt «gute» Marktteilnehmer wie Schweizer KMU, die Euro in Franken tauschen, aber auch den «bösen» Spekulanten, der mit riesigen Beträgen Franken kauft. Es ist den Banken überlassen, welchen Kunden sie die zusätzlichen Kosten belasten für neue Frankeneinlagen, die über dem Freibetrag liegen. Als Spekulant gilt, wer der von der Mehrheit abweichenden Meinung ist, der Franken sei unterbewertet. Mit solch einer Währungswette bekannt wurde George Soros, der 1992 auf eine Abwertung des Pfunds wettete.

Was bedeutet der Negativzins für die Schweizer Industrie? - Aufseiten von Economiesuisse, dem Dachverband der Schweizer Wirtschaft,  und Swissmem, die die Maschinen- , Elektro- und Metallindustrie vereint, zeigt man Verständnis dafür, dass die SNB Negativzinsen einführt. «Wir leben in einer schwierigen Zeit, in der man der Währung nicht freien Lauf lassen kann», sagt Rudolf Minsch, Chefökonom von Economiesuisse. Es sei nötig geworden, «ein Signal an die Märkte zu senden», dass der Mindestkurs verteidigt wird. Jean-Philippe Kohl, Leiter Wirtschaftspolitik bei Swissmem, wertet den Negativzins als starkes Signal, dass «die SNB den Mindesteurokurs konsequent durchsetzen wird». Das diene nicht nur der Industrie, sondern der ganzen Exportwirtschaft, die die Hälfte zum Schweizer Bruttoinlandprodukt beitrage. Auch bei Swissmem hält man den Franken für überbewertet. Die meisten Swissmem-Unternehmen könnten aber, wie Kohl sagt, mit einem Eurokurs um 1.20 Fr. leben. Würde die Nationalbank den Frankenkurs allerdings freigeben, kämen die allermeisten von ihnen wohl unter einen Anpassungsdruck.

Sinken die Finanzierungskosten für Unternehmen? - Sinkt der Marktzins, wie dies am Donnerstag nach dem Entscheid der SNB der Fall war, reduzieren sich die Fremdkapitalkosten. Dies gilt aber nur für Kapital, das frisch am Markt aufgenommen wird, sowie für Kapital mit variabler Finanzierung. Panagiotis Spiliopoulos, Leiter Research bei Vontobel, relativiert darum: «Die meisten Unternehmen haben sich bereits finanziert, und dies meist zu fixen Sätzen.» Die Zinsen befinden sich seit der Finanzkrise auf einem äusserst tiefen Niveau.

Welche Wirtschaftssektoren profitieren, und welche verlieren? - Der Exportsektor profitiert von der Willensdemonstration der SNB, die Untergrenze zu verteidigen. Laut Martin Hüsler, Aktienanalyst von der ZKB, profitiert zudem der Bausektor indirekt davon, dass der Immobiliensektor angeheizt werden könnte. Zu den Gewinnern zählen auch Unternehmen, die eine hohe Nettoverschuldung haben und nun für frisches Fremdkapital weniger zahlen müssen. Verlierer sind die mit Nettobargeldpositionen, da die Gelder aufgrund des tieferen Zinsniveaus weniger Zinsen abwerfen.

Sinken nun die Hypothekarzinsen? - Credit Suisse erwartet, dass die Finanzierungskosten für Immobilien sinken. «Die negativen Zinsen senken nicht nur die kurzfristigen Zinsen, sondern ziehen auch das längere Ende nach unten», sagt Fredy Hasenmeile, Immobilienexperte bei CS. UBS prognostiziert, dass Geldmarkthypotheken geringfügig günstiger werden. Doch festverzinsliche Hypotheken dürften im Vergleich attraktiv bleiben. Die Hypothekarzinsen in der Schweiz notieren bereits auf einem Allzeittief: Im Dezember kostete eine zehnjährige Festhypothek durchschnittlich rund 1,6%.

Wird nun der Immobilienboom in der Schweiz erneut angefacht? - Immobilienanlagen dürften nach dem Zinsentscheid der SNB attraktiver werden. CS-Immobilienexperte Fredy Hasenmeile erwartet, dass das Kapital besonders in den Markt für Wohnrenditeliegenschaften fliessen wird. Weniger betroffen dürfte hingegen der Wohneigentumsmarkt sein: Banken sind zunehmend restriktiv bei der Kreditvergabe. Zudem seien die Kapitalanforderungen für viele Haushalte eine Hürde, die sie auch bei erneut niedrigeren Zinsen nicht überspringen können.

Wird eine Erhöhung des von der SNB angeordneten antizyklischen Kapitalpuffers für Hypotheken nötig? - Sollte sich der Immobilienpreisanstieg beschleunigen, sind weitere regulatorische Eingriffe zu erwarten. Der antizyklische Kapitalpuffer könnte von 2% auf den maximal vorgesehenen Wert von 2,5% steigen. Ausserdem könnte die Finanzmarktaufsicht weitere Massnahmen ergreifen.

Was bedeutet der Negativzins für Pensionskassen und Versicherer? - Für die Anlagetätigkeit der Versicherer sei der Entscheid der SNB ungünstig, sagt Lucius Dürr, Direktor des Versicherungsverbands SVV. Es wird nun noch schwieriger, ertragreiche Investmentmöglichkeiten zu finden. So geht es auch den Pensionskassen. Wenn die Negativzinspolitik der Nationalbank die Renditen zinstragender Anlagen weiter schwächt, würden sie wohl noch mehr auf andere Anlageklassen ausweichen, sagt Hanspeter Konrad, Direktor des Pensionskassenverbands Asip. Attraktiv werden Schweizer Aktien und Immobilien, allenfalls auch europäische Dividendenpapiere.

Sinken die Zinsen auf Konti der 3. Säule? - Vorsorgegelder in der 3. Säule werden derzeit mit einem Zins von rund 1 bis 1,5% verzinst. Es ist denkbar, dass das eine oder andere Institut die Gunst der Stunde für eine Zinssenkung nutzt.

Sinkt nun der Mindestzins in der beruflichen Vorsorge? - Der Bundesrat hat im Oktober festgelegt, dass Pensionskassen und Lebensversicherer die Guthaben der obligatorischen beruflichen Vorsorge 2015 zu mindestens 1,75% verzinsen müssen. Die Regierung wird diesen Zins im nächsten Herbst wieder überprüfen. Die von der SNB gesteuerten Kurzfristzinsen haben keinen direkten Einfluss auf die Festlegung des sogenannten BVG-Mindestzinses. Entscheidend sind die Rendite der Bundesobligationen sowie die Performance von Aktien, Anleihen und Liegenschaften.

Was bedeutet der Negativzins für den Schweizer Aktienmarkt? - Der Schweizer Leitindex SMI wird von global tätigen Unternehmen dominiert, die einen Grossteil ihres Umsatzes im Ausland erwirtschaften. Zudem sind viele Ausländer in Schweizer Unternehmen investiert. Der Gang der Weltwirtschaft und Entscheide der einflussreichsten Notenbanken sind deshalb für die Entwicklung des heimischen Aktienmarktes wichtiger als die Schweizer Konjunktur oder geldpolitische Massnahmen der SNB.

Haben negative Zinsen gar keinen Einfluss auf Schweizer Aktien? - Doch – weil sich der Schritt der SNB in eine Reihe von ausserordentlichen geldpolitischen Massnahmen von Japan über Europa bis zu den USA einfügt. Im Vergleich zu festverzinslichen Anlagen wirken Dividendenpapiere dadurch attraktiver. Weitere Zuflüsse in den Schweizer Aktienmarkt sind deshalb wahrscheinlich, was die Bewertungen weiter in die Höhe treiben würde. Das gilt umso mehr, als an der heimischen Börse defensive Qualitätswerte dominieren, die von Anlegern als Anleihenersatz gesucht werden.

Was ist die Wirkung auf die kleinkapitalisierten Werte? - Dem Gang der Weltwirtschaft können sich kleinere Unternehmen nicht entziehen. Trotzdem könnten Schweizer Small und Mid Caps zu den Profiteuren zählen, weil die Konjunktur nicht so schlecht läuft und den neuen Stimulus eigentlich nicht nötig hat. Es droht deshalb eine Überstimulierung, was die Gewinne der kleinen und mittleren Unternehmen befeuern würde, die vor allem in der Schweiz aktiv sind.

Muss man jetzt Aktien von Banken kaufen? - Nicht unbedingt. Der Negativzins ist kein Kaufargument, aber auch kein Verkaufsgrund. Die Negativzinsen treffen die meisten Banken nicht direkt. Aber die Zinsen sinken weiter. Damit dürfte der auf der Aktivseite (Kreditgeschäft) verdiente Zinsertrag mittelfristig abnehmen. Auf der Passivseite (Einlagen) besteht jedoch kaum mehr Raum für Anpassungen, sodass der Erfolg aus dem Zinsdifferenzgeschäft weiter zu schrumpfen droht. Auf die Kursentwicklung der Aktien der Grossbanken hat die Massnahme direkt kaum einen Einfluss. Ihre Wertentwicklung hängt massgeblich von anderen Faktoren ab, beispielsweise vom globalen Konjunkturausblick.

Sind die Bankdividenden gesichert? - £ Retail- und Kantonalbanken, die vom Zinsdifferenzgeschäft  leben, könnten versucht sein, mit Volumenausweitungen – besonders im Hypothekarbereich – die Einbussen zu kompensieren. Kurzfristig könnte dies helfen, die Dividenden zu sichern, was die Aktienkurse stützt. Die Exponiertheit gegenüber dem Immobilienmarkt nimmt damit aber zu, was sich mittelfristig als riskant erweisen könnte.

Der Negativzins ist Realität. Was kann die SNB noch tun? - Als Nächstes würde die SNB wohl den Negativzins herabsetzen und den davon ausgenommenen Freibetrag verkleinern.

Werden Kapitalverkehrskontrollen nötig? - Womöglich zu einem späteren Zeitpunkt. Ihre Wirksamkeit ist umstritten, da es Umgehungsmöglichkeiten gibt.

Haben andere Länder schon Negativzinsen eingeführt? - Ja, die meisten europäischen Staaten. Denn die Europäische Zentralbank hält einen der drei von ihr gesteuerten Leitzinsen, den Satz für Bankeinlagen, auf –0,2%. Er ist in den achtzehn Staaten gültig, die den Euro als Währung besitzen. Ausserhalb der Eurozone halten Schwedens und Dänemarks Zentralbanken die nationalen Einlagensätze derzeit auf –0,75 resp. –0,05%.

Reichen Banken den Negativzins weiter? Was zeigt die Erfahrung in Deutschland? - Banken versichern, dass Kundengeldern keine Negativzinsen belastet werden. Unternehmen beklagen hingegen, dass auf kurzfristigen Geldern Strafzinsen verlangt würden.

Kann die SNB jemals aus ihrer extremen Geldpolitik aussteigen? - Erst wenn sich die Eurozone wirtschaftlich erholt und ihre Währung auf ein krisenresistentes Fundament gestellt wird. Ein sicherer Euro würde den Druck von der Fluchtwährung Franken nehmen und die Gefahr einer Aufwertung verringern.

Autoren: Philippe Béguelin, Andreas Neinhaus, Tommaso Manzin, Tina Haldner, Gregor Mast, Monica Hegglin, Thomas Hengartner, Ruedi Keller, Andreas Kälin, Martin Lüscher.