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Trumps wichtigstes Versprechen

Der Schock ist allmählich verdaut. Als Donald Trump im Morgengrauen des 9. November 2016 zum Wahlsieger erklärt wurde, machte sich die Welt auf ein politisches Erdbeben gefasst. Ein Jahr später mutet die bisherige Bilanz des 45. US-Präsidenten harmlos an.

Die schlimmsten Befürchtungen sind nicht eingetroffen. Zwar leidet das Ansehen der Vereinigten Staaten unter dem neuen Chef im Weissen Haus massiv. Auch sind die wachsenden Spannungen um Nordkoreas Nuklearwaffenprogramm besorgniserregend.

Zu einer grösseren Katastrophe ist es aber nicht gekommen. Trump hat keinen Handelskrieg mit China angezettelt, für die Grenzmauer zu Mexiko erhält er kein Geld.

Eine Erschütterung der Finanzmärkte ist ausgeblieben. Das Börsenbarometer Dow Jones Industrial notiert annähernd 30% höher als vor einem Jahr.

Die Champagnerlaune an Wallstreet steht im Gegensatz zu Trumps ernüchterndem Leistungsausweis in der Wirtschaftspolitik. Seit dem Amtsantritt am 20. Januar hat er viele Regulierungen von Präsident Obama aufgehoben, speziell im Umweltbereich.

Ein «Big Deal» ist ihm aber nicht gelungen. Der Versuch, die Gesundheitsreform seines Vorgängers zu demontieren, ist gescheitert. Von einem Infrastrukturprogramm sind nicht einmal grobe Konturen erkennbar.

Das Verhältnis zu Corporate America ist beschädigt. Nach Trumps kontroverser Reaktion auf die rechtsextremistischen Ausschreitungen in Charlottesville haben sich seine Beratungsgremien aus US-Topmanagern aufgelöst – ein beispielloser Eklat für einen republikanischen Präsidenten.

Fast 60% der Amerikaner missbilligen, wie der vormalige Reality-TV-Star das Land führt. Das ist das schwächste Rating eines Präsidenten nach neun Monaten im Amt.

Radikalisierung rächt sich

Entsprechend dringend ist Trump nun auf einen Erfolg angewiesen, wenn es um sein wichtigstes Wahlversprechen geht: die angeblich «grösste Steuerkürzung in der Geschichte des Landes». Ebenso viel steht für die Republikanische Partei auf dem Spiel.

Während der acht Jahre unter Obamas Präsidentschaft ist es ihr in der Opposition gelungen, einen wesentlichen Teil der progressiven Agenda der Demokraten zu blockieren.

Gleichzeitig hat aber die Radikalisierung des rechten Flügels zugenommen, was die Handlungsfähigkeit der Grand Old Party einschränkt. Von Trumps Wahlsieg genauso überrascht wie er selbst, war die Parteileitung auf die Regierungsübernahme zudem nicht vorbereitet und hat sich in der Folge mit einem hastig entworfenen Krankenkassengesetz peinlich verkalkuliert.

Ein Jahr nach der dramatischen Wahlnacht liegt jetzt ein erster Entwurf für ein Steuergesetz vor. Seine Verfasser bemühen sich, den «Tax Cuts and Jobs Act» in der breiten Öffentlichkeit als Hilfspaket für die Mittelklasse zu verkaufen.

Im Zentrum steht jedoch eine Erleichterung für Unternehmen. Gemäss dem politisch neutralen Committee for a Responsible Federal Budget enthält die 429 Seiten umfassende Vorlage dreimal so viele Gesetzesänderungen zum Vorteil von Gesellschaften wie für Privathaushalte.

Hauptpunkt ist dabei die Reduktion des Unternehmenssatzes von 35 auf 20%. Zusätzlich soll die Rückführung von Gewinnen aus dem Ausland mit einer Rate von 12% begünstigt werden.

Der Zeitplan für die Umsetzung ist – gelinde gesagt – ehrgeizig. Bis gegen Ende November, zur Sessionspause über Thanksgiving, soll das Gesetz im Repräsentantenhaus verabschiedet sein und dann nach der Absegnung durch den Senat zu Weihnachten auf Trumps Schreibtisch zur Unterzeichnung liegen.

Ob der Kongress dem Präsidenten ein solches Geschenk machen wird, ist fraglich. Nachdem die Republikaner einen bedeutenden Teil der Legislaturperiode vergeudet haben, ist der Zeitdruck enorm. Das, zumal die Zwischenwahlen vom nächsten Herbst Washington bald absorbieren werden.

Die Chance auf eine umfassende, von beiden Parteien getragene Reform, wie das letztmals Ronald Reagan vor mehr als drei Jahrzehnten gelang, hat das Weisse Haus längst verspielt.

Es geht daher primär um Steuerkürzungen, die im Schnellverfahren der Reconciliation durch den Kongress geschleust werden sollen. Weil die Vorlage in den Budgetprozess eingebettet ist, sind die Republikaner im Senat zwar nicht auf das absolute Mehr von 60 Stimmen angewiesen, dennoch bleibt der Spielraum für Differenzen in den eigenen Reihen gering.

Im Repräsentantenhaus kann die Parteiführung maximal 22 der 239 republikanischen Stimmen verlieren, im Senat lediglich zwei von 52.

Zwei Faktoren werden über das Schicksal des Steuerpakets entscheiden. Erstens ist dies das schizophrene Verhältnis der Republikaner zu den Staatsfinanzen.

Während Obamas Regierung hat sich die Partei kategorisch gegen jegliche Ausweitung des Defizits zugunsten von Wachstumsinitiativen gesperrt. Jetzt, da die Republikaner Parlament und Regierung kontrollieren, räumen sie sich für die beabsichtigten Steuersenkungen hingegen eine Ausweitung der Staatsschulden um 1500 Mrd. $ über die nächsten zehn Jahre ein.

Das Argument lautet, dass die Kürzungen für Wachstumsimpulse sorgen und so quasi für sich selbst zahlen werden. Diese These bestreiten jedoch die meisten seriösen Ökonomen.

Auch lässt sie sich in der Praxis nicht belegen. Im Zug der Steuersenkungen während Reagans Präsidentschaft beispielsweise nahm die Staatsverschuldung um mehr als 180% zu.

Details bergen Zündstoff

Das zweite Grundproblem liegt in den Details der Vorlage begraben. So sollen gewisse Vergünstigungen gestrichen werden, um einen Teil der Kürzungen zu finanzieren.

Das ist vor allem im Bereich der Haushalte politisch heikel, wo das Gesetz eine Zusammenlegung der Steuerklassen von sieben auf vier vorsieht. Zündstoff birgt unter anderem, dass bestimmte Abzüge für Hypothekarzinsen, für Steuern auf der Ebene von Gemeinden und Bundesstaaten, für Gesundheitsauslagen sowie für Ausbildungskosten wegfallen würden.

Auf der anderen Seite bleiben umstrittene Schlupflöcher für Hedge Funds und andere Finanzinvestoren offen. Hinzu kommt, dass ausgerechnet Trumps Immobiliengruppe und seine Familie wohl erheblich begünstigt würden.

Das Gegenteil kann er nicht beweisen, hat er sich als einziger Präsidentschaftskandidat seit den Siebzigerjahren doch geweigert, seine Steuern offenzulegen.

Einen Schatten über das Weisse Haus wirft ausserdem die Russlandaffäre. Verschärft sie sich weiter, könnte sie zu einem bedeutenden Störfaktor für die Steuerpläne der Republikaner werden.

Am Gesetzesentwurf werden in den nächsten Tagen noch zahlreiche Retuschen vorgenommen. Parallel dazu arbeitet der Senat an einer eigenen Vorlage. Die Finanzmärkte werden diesen Prozess genau verfolgen.

Für Optimismus unter Investoren hat zuletzt vor allem auch gesorgt, dass die Weltwirtschaft an Schwung gewinnt. Seit den Präsidentschaftswahlen haben die Kurse jedoch stets positiv reagiert, wann immer es neue Anzeichen dafür gab, dass die versprochenen Steuerkürzungen näher rücken.

Trump hat sich selbst wiederholt das Verdienst für die Avancen zugerechnet. Müssen Unternehmen künftig weniger Abgaben zahlen, wird das vorteilhaft auf Gewinne und Aktienbewertungen durchschlagen.

Die Erleichterung bei der Rückführung von Gewinnen dürfte zudem Dividendenausschüttungen und Aktienrückkäufe begünstigen, wie das 2004 bei einem einmaligen Steuererlass während der Amtszeit von George W. Bush der Fall war.

Umgekehrt besteht aber auch die Gefahr eines gravierenden Kursrückschlags, wenn der Kongress sich nicht auf ein Steuergesetz einigen kann.