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Trump macht das Fed zu einem neuen Risikofaktor

Mit dem Machtwechsel in Washington wird der politische Druck auf Fed-Chefin Janet Yellen wachsen.

An Wallstreet herrscht schon vor Silvester Champagnerlaune. Seit den Wahlen eilen die Börsen in New York von einem Rekord zum nächsten. Die Marktkapitalisierung der fünfhundert grössten US-Konzerne ist in den letzten vier Wochen um über 1000 Mrd. $ gestiegen. Das schafft günstige Voraussetzungen für die Zinspläne des Federal Reserve, das sich kommende Woche zur zweitägigen Sitzung trifft. Nachdem es lange gezaudert hat, gilt eine Straffung der Geldpolitik als so gut wie sicher.

Wie bei einer Schallplatte mit einem Sprung wiederholt Fed-Chefin Janet Yellen seit Monaten, «dass sich die Argumente für eine Zinserhöhung verstärkt haben». Bislang wollte sie jedoch abwarten, bis sich in der Wirtschaft «weitere Fortschritte» zeigen. An den Finanzmärkten wird fest davon ausgegangen, dass Yellen am Mittwoch handeln wird. Investoren an der Chicagoer Terminbörse CME rechnen mit einer Wahrscheinlichkeit von 100%, dass sie die Federal Funds Rate um 25 Basispunkte auf 0,75% anhebt.

Konjunktur zieht an

Das Umfeld für den Zinsschritt ist günstig. Die Arbeitslosenquote ist im November auf 4,6% gesunken, was in den USA der Vollbeschäftigung gleichkommt. Im Schnitt sind dieses Jahr pro Monat 180 000 Jobs hinzukommen. Das sind zwar weniger als 2014 und 2015. Nach Ansicht der meisten Ökonomen reicht das Tempo aber aus, um die Dynamik am Arbeitsmarkt aufrecht zu erhalten. Auch in der Industrie hat sich die Lage entspannt, wie der Anstieg des ISM-Einkaufsmanagerindex signalisiert. Nach der Flaute im ersten Semester ist die amerikanische Wirtschaft im dritten Quartal 3,2% gewachsen, und für das letzte Jahresviertel zeigt das Konjunkturbarometer der Distriktnotenbank Atlanta eine Zunahme von 2,6% an.

Komplizierter wird es, wenn es um den Kurs der US-Geldpolitik im nächsten Jahr geht. Yellen hat bislang stets betont, dass die Notenbank in diesem Zyklus keinen mechanischen Ansatz wähle und vorsichtiger agieren werde als in früheren Phasen mit steigenden Zinsen. In ihrer letzten Prognose vom September buchstabierten die Währungshüter einmal mehr zurück und senkten den Ausblick für das bis Ende 2017 erwartete Zinsniveau von 1,6 auf 1,1%. Das würde maximal zwei Schritten im nächsten Jahr entsprechen. Auch die Prognose für die Federal Funds Rate bis Ende 2018 reduzierten sie auf 1,9%.

Mit Blick auf den bisherigen Verlauf der Zinspolitik erscheint selbst das ambitioniert. Michelle Meyer, Ökonomin in Diensten von Bank of America Merrill Lynch, rechnet deshalb nur mit einer Zinserhöhung im nächsten Jahr. «Im ersten Halbjahr 2017 dürfte es wohl wieder etwas turbulenter zugehen als in den vergangenen Monaten», sagte sie diese Woche während einer Präsentation in New York. Als Grund dafür nennt sie die anfängliche Unsicherheit um die Wirtschaftspolitik der neuen Regierung in Washington in Kombination mit den Auswirkungen der höheren Renditen am Bondmarkt und des festeren Dollars.

«Ins Spiel kommt noch eine weitere Unbekannte: personelle Wechsel im Entscheidungsgremium der US-Notenbank», meint Meyer. Im siebenköpfigen Gouverneursrat des Federal Reserve gibt es derzeit zwei Vakanzen, die Donald Trump nach seiner Amtseinführung zum Präsidenten am 20. Januar besetzen kann. Auch heisst es, dass Notenbankgouverneur Daniel Tarullo bald nach dem Regierungswechsel zurücktreten werde. Yellens Amtszeit läuft zudem Anfang 2018 aus, und ein halbes Jahr später wird der Posten von Fed-Vizepräsident Stanley Fischer frei. «Das sind alles Unsicherheitsfaktoren, die im Hinblick auf die Geldpolitik für Unruhe und Verwirrung an den Märkten sorgen könnten», denkt Meyer.

Was Trump mit dem Federal Reserve vorhat, ist schwierig abzuschätzen. Yellen ist wie ihr Vorgänger Ben Bernanke bislang auf Nummer sicher gegangen und hat mehrfach bekräftigt, dass sie die Wirtschaft lieber etwas überhitzen lassen werde, als die Erholung mit einer voreiligen Straffung abzuwürgen. Präsident Obama hat diesen Ansatz unterstützt und das Fed vor Angriffen aus dem Kongress abgeschirmt. Mit der Dominanz der Republikaner in Washington könnte der politische Druck auf die Notenbank ab nächstem Jahr wachsen. Trump hat dazu im Wahlkampf zwiespältige Aussagen gemacht – mal hat er die Tiefzinspolitik befürwortet, mal hat er sie attackiert und Yellen als Vertreterin «globaler Spezialinteressen» kritisiert.

Böses Déjà-vu

Hinzu kommt, dass vieles an die Situation vor einem Jahr erinnert. Als die US-Notenbank den Leitzins im Dezember 2015 erstmals seit der Finanzkrise leicht anhob, zogen der Dollar und die Renditen am Bondmarkt im Vorfeld ebenfalls an. Die Börsen nahmen das damals mit einem Schulterzucken zur Kenntnis, worauf es Anfang 2016 zum Kursbeben kam. Seit Anfang November verhärten sich die Bedingungen an den Finanzmärkten erneut. Gemessen an den wichtigsten Währungen ist der Dollar fast 5% gestiegen, und die Rendite auf zehnjährige US-Staatsanleihen hat den grössten Sprung seit dem Frühjahr 2013 gemacht.

Gut möglich ist deshalb, dass Yellen an der Pressekonferenz am Mittwoch wenig Konkretes zu ihren Zinsplänen für 2017 sagen wird. Das Fed «wird die Entscheidungen im Kongress beobachten und seinen Ausblick für die Konjunktur aufdatieren, wenn sich die Konturen der wirtschaftspolitischen Landschaft klarer abzeichnen», sagte die Notenbankchefin bei ihrem letzten öffentlichen Auftritt Mitte November.