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Steuern und Arbeitsplätze in Gefahr

Am 12. Februar stehen mit der Abstimmung über die Unternehmenssteuerreform III (USR III) zwei wichtige Erfolgsfaktoren der Schweiz zur Debatte. Es geht zunächst um die rechtlichen Rahmenbedingungen: um die Rechtssicherheit und die politische Verlässlichkeit der Schweiz im internationalen Kontext. Das Land hat sich verpflichtet, die international verpönten Sonderstatus für ausländische Holding- und ähnliche Gesellschaften abzuschaffen.

Das soll mit der USR III geschehen. Sagt der Stimmbürger Nein zur Vorlage, hält die Schweiz diese Verpflichtung nicht ein; für die Unternehmen würde eine lange Phase der Rechtsunsicherheit beginnen. Das Thema würde auf die sehr lange Bank geschoben. Das wäre dem Ruf der Schweiz – und damit ihrer Attraktivität –  alles andere als zuträglich.

Systemumbau

Zudem steht das System der Unternehmensbesteuerung zur Debatte. Die Sonderstatus abzuschaffen und durch andere, international akzeptierte Massnahmen zu ersetzen, ist nicht über eine kleine steuerrechtliche Anpassung zu haben. Angesagt ist ein Umbau der  Unternehmensbesteuerung. Die Schweiz hat diese Reform nicht dem eigenen Triebe gehorchend aufgesetzt, sondern unter Druck von EU und OECD.

Die Sonderstatus erlauben es gewissen Holding- und Domizilgesellschaften, im Ausland erarbeitete Gewinne in der Schweiz günstig zu versteuern. Das hat wesentlich dazu beigetragen, dass heute viele multinationale Konzerne in der Schweiz beheimatet sind – hier Steuern bezahlen und Arbeitsplätze schaffen. Davon profitiert die Schweiz als Ganzes. Werden diese Status ersatzlos gestrichen, wird der Anreiz, die Schweiz zu verlassen, für viele der meist sehr mobilen Unternehmen übermächtig, zumal sich ihre Steuerlast gleich verdoppeln könnte.

Daraus folgen die Ziele der USR III: die steuerliche Attraktivität der Schweiz pflegen und verbessern, die internationale Akzeptanz sichern und die Steuereinnahmen erhalten. Diese Ziele sollen über einige Kernmassnahmen erreicht werden, etwa die Einführung einer Patentbox. Sie erlaubt die reduzierte Besteuerung von Erträgen aus Patenten oder vergleichbaren Rechten.

Weiter ist die Einführung der zinsbereinigten Gewinnsteuer vorgesehen. Sie ermöglicht einen Zinsabzug auf überschüssigem Eigenkapital, und sie ist gekoppelt an eine erhöhte Mindestbesteuerung von Dividenden auf grossen Beteiligungen. Hinzu kommen Massnahmen im Bereich der stillen Reserven sowie der Kapitalbesteuerung. Die Kantone haben Spielraum in der Fixierung der Gewinnsteuersätze und der Abzüge des Forschungs- und Entwicklungsaufwands. Mit diesen Massnahmen lassen sich die Ziele grundsätzlich erreichen. Der Grad der Zielerreichung hängt von den in einzelnen Kantonen zu treffenden Massnahmen ab.

Der Groll der politischen Linken, die das Referendum gegen die USR III ergriffen hat, entzündet sich zunächst am Ausfall von Einnahmen. Verbürgt sind Mindereinnahmen von 1,3 Mrd. Fr. auf Bundesebene. Dieser Betrag fliesst mehrheitlich als Kompensation an die Kantone. Er ist in der Finanzplanung des Bundes berücksichtigt. Die SP addiert dazu locker mindestens weitere 2 Mrd. aufgrund erwarteter Steuersatzsenkungen in den Kantonen. Diese Zahl ist hypothetisch, die Reaktionen der Kantone sind erst zum Teil bekannt.

Zudem entsprechen diese Werte einer statischen Sicht der Dinge. Steuern beeinflussen jedoch stets das Verhalten der Besteuerten, lösen also dynamische Effekte aus. Wird die USR III umgesetzt, wird die Schweiz steuerlich attraktiver und zieht neue Unternehmen und damit zusätzliches Steuersubstrat an. Die USR III dürfte sich so zu einem beträchtlichen Teil selbst finanzieren.

Die SP greift zudem unverdrossen in die argumentative Mottenkiste: Die USR III verteile Steuergeschenke an Grosskonzerne, die Zeche dafür habe der Mittelstand zu bezahlen, das Ganze sei ein «Milliardenbschiss». Die Argumentation ist falsch: Gerade die grossen Konzerne, die heute von den Sonderstatus profitieren, werden mit der USR III im Schnitt mehr Steuern bezahlen als bisher. Keine Rede von Steuergeschenken also. Profitieren werden die KMU, je nach Massgabe der Steuersatzsenkung in den Kantonen. Die Reform führt überdies zu einer Gleichbehandlung aller Unternehmen – was die SP daran auszusetzen hat, bleibt schleierhaft.

Es lohnt sich ein Blick auf die Bedeutung der Statusgesellschaften. Direkt betroffen sind 24 000 Unternehmen mit 150 000, meist gut bezahlten, Arbeitnehmern. Diese Gesellschaften bezahlen heute insgesamt rund 5,4 Mrd. Fr. Gewinnsteuern. In der direkten Bundessteuer bestreiten sie rund 50% der Einnahmen aus den Gewinnsteuern, auf der Ebene der Kantone 20%.

Das gesamte Steuersubstrat der Statusgesellschaften ist noch wesentlich höher. Das Beratungsunternehmen KPMG kommt in einer Studie zum Schluss, dass es sich auf rund 13,5 Mrd. Fr. beläuft. Eingerechnet werden die Steuern der Beschäftigten sowie weitere indirekte Einnahmen. Nicht enthalten sind dagegen zu erwartende Mindereinnahmen der Sozialversicherungen in Milliardenhöhe infolge der Auslagerung von Arbeitsplätzen. Das Schadenpotenzial ist enorm – und übertrifft allfällige Mindereinnahmen massiv. Im Falle eines Nein würde in der Tat der Mittelstand zur Kasse gebeten.

Der Begriff des «Milliardenbschiss» wird von der SP im Sinne einer Abschreckungsmassnahme auch im Rückblick auf die USR II kolportiert. Sie habe mit dem Kapitaleinlageprinzip zum Steuerausfall in Milliardenhöhe geführt. Auch dieses Argument ist falsch: Die USR II ist mit dem umstrittenen Prinzip 2011 in Kraft getreten. Der behauptete Einnahmenausfall lässt sich nicht belegen. Die Einnahmen aus Gewinn- wie auch Verrechnungssteuern sind seither weiter gestiegen.

Ein Nein zur Vorlage hätte einschneidende Konsequenzen. Die Linke allerdings beschwichtigt: Man müsse lediglich rasch eine neue Vorlage präsentieren. Ihr schwebt eine Verschärfung der Dividendenbesteuerung vor – womit eine sinnvolle Neuerung der USR II rückgängig gemacht würde. Dies brächte nur relativ geringe Mehreinnahmen und ist politisch unrealistisch.

Grosser Zeitbedarf

Im Falle eines Nein müsste unverzüglich eine neue Vorlage in Angriff genommen werden. Bis zu ihrer Verabschiedung ist ein Zeithorizont von mindestens drei bis eher fünf Jahren zu veranschlagen. Allein schon dieser Zeitbedarf bringt Probleme mit sich: Es besteht die Gefahr von Gegenmassnahmen seitens EU und OECD. Zudem entsteht für die Unternehmen eine lange Phase der Rechtsunsicherheit. Etliche würden ausserdem in Drittländern wegen der Privilegien unter Druck gesetzt. Beide Faktoren schaffen Anreize zur Abwanderung aus der Schweiz – bevor eine neue Vorlage ausgearbeitet ist.

Zudem würde der Druck auf die Kantone steigen, ihre Attraktivität im Alleingang, ohne bundesgesetzliche Regelung und ohne finanzielle Unterstützung durch den Bund zu steigern. Der Weg dazu führte über die Senkung der Gewinnsteuersätze für die Unternehmen. Dadurch würde sich der Steuerwettbewerb zwischen den Kantonen markant verschärfen – dagegen setzt sich die SP sonst üblicherweise zur Wehr. Würde die USR III abgelehnt, drohte der unwiederbringliche Verlust von Steuersubstrat sowie Tausenden gut bezahlten Arbeitsplätzen – und damit weniger Wachstum und Wohlstand. Ausgerechnet die SP nimmt das in Kauf.

Die Vorlage ist keine Ideallösung, sondern ein breiter Kompromiss: Bundesrat, Parlament und Kantone, bürgerliche Parteien wie auch die Wirtschaftsverbände stimmen zu. Es ist jedoch keine Vorlage der Wirtschaft, auch sie musste auf ihrer Wunschliste Abstriche in Kauf nehmen. Dennoch kann die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Schweiz gesteigert werden – das ist umso wichtiger, als die Konkurrenz nicht schläft. Wer Steuersubstrat und Arbeitsplätze sichern will, stimmt der Unternehmenssteuerreform III zu.

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