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«Marktpsychologie hat ein Gewicht von 50%»

Adrian Wenzel: «Das Aktiensignal steht schon lange auf Kauf.»

Herr Wenzel, Sie steuern die Aktienquote in Ihren Portfolios mit einem quantitativen Modell. Was sagt es zur gegenwärtigen Marktlage? - Fundamental wie psychologisch steht das Signal seit Ende Juni auf Daumen hoch für Aktien. Daran haben die Turbulenzen rund um die US-Wahl nichts geändert.

Was spricht für Aktien? - Das monetäre Umfeld ist aus fundamentaler Sicht die entscheidende Grösse. Die Notenbanken sorgen mit billigem Geld für grünes Licht zum Aktienkauf.

Seit wann ist die Geldpolitik massgebend? - Eigentlich schon immer. Über alle Zyklen seit 1990 hat immer der monetäre Aspekt die Aktienmärkte getrieben – oder gebremst, je nachdem, ob die Notenbanken die geldpolitischen Zügel gelockert oder gestrafft haben.

Welche Informationen verarbeitet Ihr Modell? - Es analysiert die Marktsituation anhand verschiedener Bewertungsfaktoren und sagt uns, ob man Aktien im Portfolio haben muss oder nicht. Zweitens sagt es uns anhand von sechs grundsätzlichen Selektionskriterien sowie der Sektorzugehörigkeit, welche Aktien es sein sollen.

Anhand welcher Kriterien werden die Aktien ausgewählt? - Die Selektionskriterien umfassen die Faktoren Bewertung, Wachstum, Qualität, Makro und Marktpsychologie. Daraus versuchen wir Grössen zu finden, die isoliert betrachtet im Zeitablauf einen relativ stabilen Mehrwert erbracht haben und die nicht schon von allen anderen Vermögensverwaltern verwendet werden.

Können Sie ein Beispiel nennen? - Beim Faktor Bewertung setzen wir nicht auf die gängigen Preis-Buch- oder Kurs-Gewinn-Verhältnisse, sondern auf Faktoren, die cashnahe Grössen in Bezug zur Marktkapitalisierung setzen oder das Gewinnmomentum berücksichtigen.

Und die anderen Faktoren? - Während Qualität etwa die Stabilität des Cashflows beleuchtet, schaut sich Makro die Sensitivität von einzelnen Aktien in Bezug auf makroökonomische Grössen wie die Zinsentwicklung an. Marktpsychologie setzt unter anderem auf Faktoren, die die Stärke des Preistrends ermitteln, um  die Neigung der Märkte zu Übertreibungen zu erkennen.

Welche Titel passieren derzeit denn Ihre Filterkriterien? - Nehmen wir die Schweiz. Attraktiv von den grosskapitalisierten Titeln aus dem SMI erscheinen uns Actelion, Adecco, SGS, Credit Suisse und Geberit. Aus dem SMIM, der die mittelkapitalisierten Unternehmen enthält, bevorzugen wir Sika, Ems-Chemie, Georg Fischer, Partners Group sowie Kühne + Nagel.

Und was ist an diesen Titeln attraktiv? - Verschiedene Aspekte wie etwa Eigen- oder Gesamtkapitalrentabilität, günstige Bewertung, Stabilität des Gewinnwachstums, hoher Zinsdeckungsgrad, anziehendes Preismomentum, stabiler Cashflow sowie die Zugehörigkeit zu einem attraktiven Sektor. Eine Credit Suisse etwa profitiert wie der Finanzsektor generell von der steiler werdenden Zinskurve.

Wie kommt Ihre Einschätzung zur optimalen Aktienquote zustande? - Wir machen keine Prognosen. Wir schauen uns wöchentlich das psychologische Umfeld an und leiten daraus die Stimmung unter den Investoren ab. Monatlich analysieren wir die fundamentalen Gegebenheiten. Fundamental gesehen steht unser Modellsignal seit 2009 ohne grosse Unterbrechung auf Kauf. Nur einmal haben wir in dieser Zeit aus fundamentaler Sicht kurzfristig die Aktienquote zurückgenommen.

Wie kam es dazu? - Im August 2011 haben die Aktienkurse in zwei Wochen 20% korrigiert. Hintergrund waren die Griechenlandkrise und der Streit über die Schuldenobergrenze in den USA. Unser Modell war damals stark fundamental ausgerichtet und hat diese Korrektur nicht signalisiert.

Was lief damals schief? - Dem Modell fehlte das psychologische Moment, das gezeigt hätte, dass die Anleger seit einigen Monaten vorsichtiger waren – trotz fundamental freundlichem Umfeld. Wir haben deshalb eine Gefühlskomponente eingebaut, die uns Hinweise auf den Risikoappetit der Anleger gibt. Die psychologische Komponente hat heute bei der Aktienquotensteuerung mit 50% das gleiche Gewicht wie die fundamentalen Aspekte. Denn der Markt verhält sich nicht nur rational, sondern oft auch als Nervenbündel, das von einem Extrem ins andere taumelt. Deshalb ist es wichtig, die eigenen Gefühle zu disziplinieren, um nachteilige prozyklische Reaktionen zu vermeiden.

Wie gewichten Sie die Titel? - Wir haben das globale Aktienuniversum wie eine Matrix aufgeteilt – nach Regionen und in gross-, mittel- und kleinkapitalisierte Titel. In dieser Aufteilung erstellen wir Ranglisten. Die jeweils attraktivsten Valoren kommen zu gleichen Teilen ins Portfolio.

Was bedeutet das für die Schweizer Titel? - Die beiden Segmente SMI und SMIM haben in unseren Schweizer Aktienmandaten ein Gewicht von je 50%. Auch sind in diesen zwei Segmenten alle von uns selektierten Titel – acht aus dem SMI, dreizehn aus dem SMIM – gleich gewichtet, also völlig unabhängig vom Index.

Wie sieht Ihre Sektorgewichtung aus? - Sie ist das Ergebnis unserer modellbasierten Aktienselektion, die zum einen die beschriebenen Bottom-up-Grössen wie Bewertung und Wachstum beleuchtet, zum anderen aber auch die Sektorattraktivität miteinbezieht. Nach den Bottom-up-Selektionskriterien erstellen wir eine Basis-Rangliste. Dann kommt top-down die ganze Sektorbetrachtung hinzu und schiebt Aktien aus attraktiven Branchen in der Rangliste nach oben. Denn wenn etwa der Sektor Gesundheit fundamental und marktpsychologisch gesehen attraktiv ist, dann läuft auch ein Titel aus diesem Sektor gut, dessen Fundamentaldaten vielleicht gar nicht besonders vorteilhaft sind.

Der Sektor spielt eine bedeutende Rolle? - Auf jeden Fall. Es war in den vergangenen Jahren ganz entscheidend für die Wertentwicklung eine Einzeltitels, zu welchem Sektor er gehörte. So laufen in letzter Zeit etwa Finanzvaloren wieder gut – und zwar egal, welche. Auch die mit massiven Problemen kämpfende Deutsche Bank hat sich deutlich erholt.

Da spielt Marktpsychologie mit? - Schauen Sie sich das Umfeld an. Wir haben derzeit extrem viele algorithmisch gesteuerte Marktteilnehmer. Die haben ihre Modelle und ihre Auslöseschwellen, und wenn die dann zum Beispiel sehen, dass die Zinskurve steiler wird, ist für sie der Zeitpunkt gekommen, in zyklischere Sektoren und in Finanzwerte umzuschichten. Während Qualitätstitel immer teurer wurden, weil Aktien mit stabiler Dividende von den Anlegern im Tiefzinsumfeld seit 2011 zunehmend als Anleihenersatz gekauft wurden, wurden Finanzwerte verschmäht und haben dementsprechend ein grosses Aufholpotenzial.

Welche Sektoren favorisieren Sie? - Wir zählen Finanzwerte, Industrietitel und Rohstoffpapiere zu den Favoriten, gleichzeitig aber auch den Sektor Gesundheit. Das heisst, unsere Portfolios sind gegenwärtig mit zyklischen und defensiven Branchen gemischt ausgerichtet. Diese eher aussergewöhnliche Konstellation liegt wohl an den Zentralbankinterventionen.

Warum fehlen Technologiewerte, die ebenfalls günstig sind, eine hohe Kapitalrendite erwirtschaften und ein gutes Momentum aufweisen? - Natürlich gibt es gegenwärtig auch Technologiepapiere, die attraktiv sind. Es sind dann aber titelspezifische Gründe, die für den Kauf sprechen. Ein generell positiveres Gewinnmomentum auf Aktienebene sowie die angesprochene Versteilerung der Zinskurve haben historisch immer zu einer starken Outperformance von günstig bewerteten Zyklikern und Finanzvaloren geführt – auf Kosten von Wachstumsunternehmen, zu denen auch die Technologiewerte gehören. Die wurden in den vergangenen Jahren im Quervergleich immer teurer.