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«Im März erreicht der S&P 500 sein Höchst»

«Es ist längst nicht sicher, dass der Kongress einen massiven Anstieg des Defizits akzeptieren wird.»

David Kostin ist verhalten optimistisch für die amerikanischen Aktienmärkte. Zwar dürfte der Aufwärtstrend noch einige Wochen anhalten, aber schon bald werden die Börsen ihren Höhepunkt für das Jahr erreicht haben. Bis Ende 2017 erwartet der Chef-US-­Aktienstratege von Goldman Sachs einen Kursanstieg von nur gerade 2% für den Leitindex S&P 500.

Herr Kostin, ist die Trump-Rally bereits wieder vorüber? - Nein, die Hausse wird noch anhalten. Der Punkt des maximalen Anlegeroptimismus wird erst zum Ende des ersten Quartals erreicht sein, wahrscheinlich im März.

Woraus schliessen Sie das? - Die ganze Aufregung unter den Investoren basiert auf möglichen Steuerreformen, der Repatriierung der im Ausland gehaltenen Cash-Bestände von US-Firmen und der Hoffnung auf weniger Regulierung in der Wirtschaft. All das dürfte zu höheren Gewinnen führen. Das stimmt die Anleger optimistisch, weshalb auch die Kurse vorerst weiter steigen dürften.

Was wird die Trendumkehr einläuten? - Der Höhepunkt wird erreicht sein, wenn die Diskussionen um das Haushaltsdefizit beginnen. Dann werden die Marktteilnehmer realisieren, dass die Steuerreform einen hohen Preis hat – und das Defizit weiter ins Minus drücken wird.

Die geplanten Reformen werden also verwässert? - Es ist längst nicht sicher, ob der Kongress einen massiven Anstieg des Defizits akzeptieren wird, obwohl er republikanisch dominiert ist und auch der Präsident ­Republikaner ist. Viele Mitglieder sind nämlich der Ansicht, die Steuerreform müsse einnahmenneutral sein. Das heisst, die wegen der tieferen Steuern fallenden Einkünfte müssen anderswo kompensiert werden. Insgesamt dürften die Steuern deshalb wohl nicht so stark gesenkt werden wie im Markt erwartet.

Was heisst das für die Börse? - Ich erwarte einen Anstieg des S&P 500 von heute 2260 auf 2400 Punkte im ersten Quartal. Dann setzt der Abwärtstrend auf 2300 Punkte bis zum Jahresende ein. 2017 dürfte den Anlegern also nur eine recht bescheidene Rendite bescheren.

Wie vergleicht sich das mit dem Ausland? - Der Ertrag, den wir für die US-Börse erwarten, liegt etwas unter dem Niveau anderer Märkte. Das ist grösstenteils der sehr teuren Bewertung geschuldet. Aber auch europäische Aktien gemessen am Stoxx 600 sind nicht mehr besonders günstig. In Japan und im übrigen Asien – besonders China – bewegen sich die Bewertungen in etwa im langjährigen Mittel und sind somit weniger anspruchsvoll. Wenn wir jedoch das Risiko mitberücksichtigen, stehen die USA nicht mehr so schlecht da.

Sollen Anleger also bis Ende März investiert bleiben und dann Aktien reduzieren? - Auf Indexebene wäre das taktisch die angemessene Strategie.

Was wären mögliche Alternativen? - Ein zweiter Ansatz bestünde darin, auf die Segmente zu setzen, die sich in einem langfristigen Wachstumstrend befinden. Solche Unternehmen entwickeln sich unabhängig von Donald Trump, Deregulierung, Wirtschaftswachstum oder tieferen Steuern.

Welches sind diese Wachstumstitel? - Zum Beispiel Finanzgesellschaften, die den Zahlungsverkehr abwickeln. Da Konsumenten immer weniger Bargeld verwenden, sind elektronische Zahlungen ein Wachstumsmarkt, und Unternehmen in diesem Bereich gehören zu den Profiteuren dieses Trends.

Gibt es weitere Beispiele? - IT-Unternehmen, die Cloud-Lösungen anbieten, zeichnen sich auch durch solches säkulares Wachstum aus. Sie profitieren davon, dass Private, Kleinunternehmen, aber auch grosse Konzerne die Cloud immer stärker in ihre Arbeitsprozesse integrieren. Dadurch sparen sie Kosten, da sie keine eigenen Datenzentren aufbauen müssen.

Tobt in diesem Bereich nicht ein heftiger Preiskampf? - Es gibt immer Wettbewerb, aber der Sektor ist ein Oligopol, das von wenigen Firmen dominiert wird, die über die notwendige Grösse verfügen. Diese braucht es, um den Kunden flexible Lösungen anbieten zu können. Die Eintrittsbarrieren für Konkurrenten sind entsprechend hoch.

Wo sehen sie noch Gelegenheiten? - Eine weitere Strategie besteht darin, auf Unternehmen zu setzen, die nur begrenzt von den steigenden Lohnkosten betroffen sind. Steigen die Saläre – und das ist wegen der stark gefallenen Arbeitslosigkeit in den USA seit einiger Zeit zu beobachten –, sollte es diesen Firmen leichter fallen, ihre Margen zu verteidigen.

Wie schätzen Sie generell die US-Gewinnentwicklung ein? - Die US-Wirtschaft dürfte 2017 real rund 2% wachsen, die Inflation beläuft sich ebenfalls auf etwa 2%. Das nominale Wachstum wird somit 4% pro Jahr betragen. Das bedeutet, dass die Umsätze der Unternehmen durchschnittlich ebenfalls 4% zulegen. Dank der Aktienrückkäufe steigen die Gewinne der Unternehmen etwas stärker, nämlich 5%. Zum ersten Mal seit drei Jahren legen also die adjustierten Gewinne pro Aktie in den USA wieder zu.

Aber die Bewertungen sind hoch. - Heute handelt die typische US-Aktie im 98. Perzentil ihrer historischen Bewertung, basierend auf einer Reihe von Kennzahlen, inklusive ihres Kurs-Gewinn-Verhältnisses. In den vergangenen vierzig Jahren war die typische Aktie nur in 2% aller Fälle teurer als heute. Der Markt ist insgesamt also stolz bewertet. Deshalb fokussieren wir auch so stark auf die Gewinnentwicklung.

Eine weitere Bewertungsexpansion schliessen Sie demnach aus? - In den letzten Jahren waren die Gewinne kein Thema. Alles drehte sich um Nullzinsen und wie hoch das KGV klettern kann. Nun aber ist die Bewertung hoch, während die Zinsen steigen. Eine weitere Ausdehnung der Bewertung ist unwahrscheinlich. Das heisst aber, dass der gesamte Ertrag für die Anleger vom Gewinnwachstum kommen muss.

Und hier ist der Optimismus zu gross? - Die Anleger fokussieren sehr auf mögliche Gewinnrevisionen. Was die Gewinnerwartungen steigen lässt, sind die eingangs erwähnten Themen wie Steuersenkungen, Deregulierung und weitere von Trump angekündigte Massnahmen. Es wird Reformen geben, aber ich bezweifle, dass sie derart gut ausfallen werden wie vom Markt erwartet.

Sind mit diesen mageren Aussichten Anleihen nicht wieder attraktiv? - Das Risiko ist bei Anleihen deutlich höher als in Aktien. Da die Zinsen steigen, wird der Wert von Anleihen sinken. Das ist reine Arithmetik. Bei Aktien sieht es etwas anders aus. Die Zinsen steigen, weil die Inflation anzieht, und das ist ­typischerweise positiv für das Umsatzwachstum, das nominal anzieht. Aber es stimmt, höhere Zinsen gehen in der ­Regel mit niedrigeren KGV einher. Die Frage lautet demnach: Ist das Gewinnwachstum robust genug, um die Bewertungskompression zu kompensieren?

Ist das der Fall? - Ein Grund, warum Aktien trotz höherer Zinsen weiter steigen könnten, sind die Aktienrückkäufe der Firmen. Letztere stellen die grösste Nachfrage nach eigenen Aktien. Und diese Nachfrage dürfte 2017 um 30% zunehmen.

Dank der Steuersenkungen auf zurückgeführtes Cash? - Etwa 5% stellen organisches Wachstum in Rückkäufen dar, der grosse Rest der zusätzlichen Rückkäufe dürfte wegen der Cash-Repatriierung stattfinden. Die Unternehmen dürften in der zweiten Jahreshälfte einen Grossteil ihrer Auslandbarbestände ins Land bringen und diesen für Aktienkäufe verwenden. Das wird die Börsen unterstützen.

Sorgen Sie sich über einen Zinsschock? - Die Zinsen dürften nur langsam steigen, sind doch die Notenbanken in Europaund in Japan nach wie vor ungemein ­expansiv, was die dortigen Zinsen tief hält. In den USA wird die Notenbank die Zinsen 2017 dreimal anheben.

Was den Dollar weiter stärken könnte. - Das dürfte zu einem stärkeren Dollar führen. Deshalb bevorzugen wir Unternehmen, die sich auf den Binnenmarkt konzentrieren und dadurch kaum vom starken Greenback tangiert sind. Im Gegenzug sollte man bei den Exporteuren vorsichtiger sein.