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«Ich investiere in Risiken, die andere nicht wollen»

Roberto Bottoli setzt auf den Vollzug der Übernahme von Syngenta und Actelion.

Herr Bottoli, Ihre Spezialität als Fondsmanager ist Merger Arbitrage. Was tun Sie? - Ich analysiere Übernahmesituationen und will bei Bekanntgabe einer Übernahme vom verbleibenden Kursabschlag zum Übernahmegebot profitieren. Die entscheidende Investitionsfrage bei Merger Arbitrage lautet immer: Wird das Risiko angemessen belohnt?

Stimmt das Chancen-Risiko-Profil bei Syngenta/ChemChina? Sind Sie investiert? - Ja, ich habe bei rund 390 Fr. je Aktie investiert – obwohl der Spread zum Übernahmepreis von 465 $ etwas grösser war als mein typischer Fokus. Wir glauben an die Qualität des Unternehmens und halten die Risiken, die dem Deal zugeschrieben werden, für übertrieben. Ich bin überzeugt, dass die Übernahme einem starken strukturellen Treiber folgt: China braucht Technologie – besonders Agrochemie, um die Produktivität der Landwirtschaft zu erhöhen. China ist damit ein hoch motivierter Käufer. Ein Finanzierungsrisiko sehe ich nicht, ebenso wenig ein chinesisches Bewilligungsproblem.

Aber auch westliche Länder müssen dem Deal noch immer zustimmen. - Ja, die wettbewerbsrechtliche Situation ist trickreich. Aber hätten die USA den Deal blockieren wollen, hätte das CFIUS – der Ausschuss für ausländische Investitionen – dies bereits gemacht. Doch er hat grünes Licht gegeben. Die grösste Unsicherheit ist damit ausgeräumt. Jetzt geht es um die Europäische Kommission. Sie hat eine vertiefte Prüfung bis April angekündigt. Bei Syngenta/ChemChina sehe ich wettbewerbsrechtlich geringere Hürden als bei den anderen beiden offenen Deals Dow/DuPont und Monsanto/Bayer.

Sind Sie in alle drei Situationen investiert? - Ich bin nur in Syngenta/ChemChina investiert. Der Spread bei Dow/DuPont ist lediglich ein Bruchteil von Syngenta/ChemChina – nur weil China nicht involviert ist. Ich schaue immer beide Aspekte an: Spread und Risiko. Syngenta/ChemChina halte ich für viel lohnender.

Haben Sie sich auch in Actelion eingekauft? - Ja, bei Actelion bin ich ebenfalls eingestiegen, als die Übernahme offiziell wurde. Der Hauptgrund liegt im attraktiven Spread, kombiniert mit dem interessanten möglichen Upside, das das R&D-Spin-off bieten könnte. Denn der Forschungsteil soll zusätzlich zum Übernahmepreis quasi als Sachdividende an die bestehenden Aktionäre ausgeschüttet werden.

Wo sehen Sie den Wert dieser Pipeline? - Es ist immer sehr schwierig, ein Biotech-Start-up richtig zu bewerten. Der Marktkonsensus liegt irgendwo zwischen 7 und 8 Fr. je Aktie. Vorläufig besteht diese Aktie aber zu einem Grossteil aus optionalem Wert, der strikt von den Zulassungsquoten der neuen Medikamente abhängt.

Als letztes Jahr der Mega-Deal zwischen Allergan und Pfizer platzte, traf dies viele in der Branche hart. Sie auch? - Nein, ich war nicht investiert. Der Spread war gross, und dies aus gutem Grund. Denn der Deal hatte kaum industrielle Logik. Der Treiber waren Steuergründe – Stichwort Tax Inversion. Durch die Übernahme hätte Pfizer ihren Hauptsitz aus den USA herausfusionieren wollen, nach Irland, wo die Steuern tief sind. Dass dies den US-Behörden zuwiderlaufen musste, war klar. Sie änderten das Gesetz, und der Deal ist daraufhin abgesagt worden.

Die industrielle Logik spielt bei Ihrer Investitionsentscheidung eine wichtige Rolle? - Damit eine Transaktion realisierbar wird, braucht es eine industrielle Logik: Wenn zwei Konkurrenten zusammengehen, schaffen sie Synergien, sparen Kosten und gewinnen finanziellen Spielraum. Solche Deals sind meist sehr stabil. Wenn Private Equity eine Übernahme anstösst, geht es mehr um Finanzangelegenheiten, beispielsweise die Verfügbarkeit billiger Finanzierung. Solche Treiber bringen ein höheres Risiko. Wenn Übernahmen mit dem Ziel von Steuerersparnissen geschlossen werden oder durch ähnliche Motivation getrieben sind, braucht es nur wenig, um sie zum Platzen zu bringen.

Wenn eine Übernahme scheitert, ist die Fallhöhe gross. - Die Marktvolatilität können wir kontrollieren. Doch das Risiko, dass ein Deal scheitert, bleibt bestehen. Mein Ziel ist, das Schliessen der Spreads zu ernten. Doch manchmal scheitert eine Übernahme. Die Kunst besteht darin, dieses Risiko zu managen. Der einzig effektive Weg dazu ist Diversifikation.

Können Sie das erklären? - Denken Sie an einen Autoversicherer: Er bietet eine Versicherung gegen Unfall und übernimmt das Risiko eines potenziell substanziellen Schadenereignisses. Er verkauft gleichzeitig viele Policen, um hohe Prämieneinnahmen zu generieren. Wenn dann ein Schaden eintritt, trifft es nur einen kleinen Teil seines Portfolios. Asymmetrische Risiken kontrolliert man über Diversifikation. Ich muss zu jedem Zeitpunkt gewährleisten können, dass die Absage eines einzelnen Deals die Performance des Gesamtportfolios nicht massgeblich beeinträchtigt.

Ihre Strategie soll also bei unterschiedlichsten Marktbedingungen eine stabile Performance liefern? - Mein Ziel ist, mittelfristig eine jährliche Rendite von 5% über dem risikofreien Zins zu erwirtschaften, bei einer Volatilität von unter 5%. Ich möchte einen stabilen Ertrag liefern, und dies unabhängig von Marktschwankungen. Denn das Zustandekommen einer Übernahme hat im Grundsatz nichts damit zu tun, ob die Märkte gerade steigen oder fallen.

Sie sichern die Marktschwankungen ab? - Wenn das Übernahmegebot eine Aktienkomponente enthält, gehe ich auf diese Aktien immer eine Short-Position ein, um das Kursschwankungsrisiko auszuschalten und den Spread zu isolieren. Die Mehrheit der Übernahmegebote sind jedoch Barofferten. Da braucht es diese Absicherung nicht. In jedem Fall schütze ich mich gegen Währungsschwankungen. Denn sie sind unberechenbar und die Ausschläge oft grösser als das eigentliche Ziel meiner Investition: Treiber der Performance soll einzig der Spread sein, der sich schliesst, je näher der Abschluss der Übernahme rückt.

Wie genau läuft das ab? - Nach Ankündigung einer Übernahme springt der Aktienkurs nicht gleich auf das Angebotsniveau – ausser, der Markt spekuliert auf eine Erhöhung oder eine Gegenofferte. Üblicherweise besteht dann ein Spread, also eine Differenz zwischen dem Aktienkurs des Übernahmeobjekts und dem Preisgebot des Käufers. Dieser Spread spiegelt das Risiko, dass der Deal scheitern könnte, beispielsweise an wettbewerbsrechtlichen Auflagen. Es gibt also ein Risiko und eine entsprechende Prämie.

Wie wollen Sie davon profitieren? - Das Verhalten der Marktakteure spielt eine wichtige Rolle: Investoren, die bereits vor dem Übernahmeangebot engagiert waren, haben mit der Ankündigung einen Buchgewinn auf ihrer Position. Sie tendieren dazu, diesen Gewinn zu realisieren. Denn sie sind nicht bereit, das nun einsetzende Risiko zu tragen. Risiko und Ertrag sind für sie absolut asymmetrisch: Das weitere Halten würde ihnen vielleicht 5% Zusatzgewinn bringen, das Scheitern der Übernahme aber einen Verlust von bis zu einem Drittel. Sie verkaufen – beispielsweise an jemanden wie mich, der einen anderen Investitionsansatz verfolgt.

Sie übernehmen die Risiken, die andere Investoren scheuen? - Exakt. Die unterschiedlichen Anlagestrategien der verschiedenen Akteure eröffnen mir eine Investitionsgelegenheit: Ich bin darauf ausgerichtet, die Risiken zu tragen, die andere nicht wollen.

Was unterscheidet Merger Arbitrage von Spekulation? - Ich investiere erst, wenn ein Deal offiziell angekündigt ist. Basierend darauf kann man die Gewinnaussichten vernünftig abschätzen – zumindest für den Fall, dass alles wie geplant läuft.

Sie kaufen nur angekündigte Deals. Verkaufen Sie auf Basis von Gerüchten? - Ich verkaufe, wenn ein Deal offiziell abgesagt wird oder alles in diese Richtung deutet. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Ich investierte in Aixtron, als ein chinesisches Konsortium ein Übernahmeangebot für diesen deutschen Chipanlagenbauer vorlegte. Die deutschen Behörden autorisierten die Übernahme. Doch dann zog der Bundeswirtschaftsminister die Genehmigung zurück. Die Begründung war: Sicherheitsbedenken. Das gab es noch nie. Die kurze Erklärung schien mir ein grösseres politisches Problem zu kaschieren. Dennoch wartete ich einige Tage zu. Dann wurde bekannt, dass die USA dahintersteckten, und mir war klar, dass der Deal sterben würde. Ich verkaufte aufgrund öffentlicher Aussagen deutscher und amerikanischer Behörden, noch bevor der Deal offiziell abgesagt worden war. Wir mussten einen Verlust von fast 30% nehmen. Doch nach offizieller Absage des Deals sackte der Kurs weitere 30% ab.