Die Nachricht lässt aufhorchen: Der amerikanische Biotech-Riese Gilead Sciences übernimmt für fast 12 Mrd. $ Kite Pharma, einen Spezialisten in der Krebsbekämpfung durch genetisch veränderte Körperzellen. Dass diese neuartige Therapieform viel Potenzial verspricht, ist seit Längerem ein heisses Thema in der Branche. Die Grossakquisition macht deutlich, dass der Markt jetzt in Bewegung kommt.

Kite Pharma ist führend in der Immunoonkologie. Vereinfacht gesagt werden Blutzellen durch Gentechnologie dabei so transformiert, dass das Immunsystem den Krebs aus eigener Kraft besiegen kann. «Wir sind überzeugt, dass diese Therapie der Schlüssel zur künftigen Krebsbehandlung ist», sagt Gilead-Chef John Milligan zur Übernahmeofferte. «Vor uns liegt eine enorme Chance, dieses revolutionäre Verfahren auf den Markt zu bringen.»

Vom Onkologen Arie Belldegrun 2009 gegründet, ging Kite Pharma vor drei Jahren zum Marktwert von 1 Mrd. $ an die Börse. Das wichtigste Produkt des Unternehmens aus Los Angeles ist Axi-Cel. Es soll Patienten verabreicht werden, deren lymphatisches System (ein Teil des Immunsystems) erkrankt ist und die auf ­reguläre Therapien nicht ansprechen.

Die Zulassung in den USA steht für Ende November in Aussicht. Nächstes Jahr wird die Genehmigung in Europa erwartet. Bereits einen Schritt voraus ist Schweizer Branchenleader Novartis. Er hat diese Woche als erstes Unternehmen überhaupt die Marktzulassung für eine Therapie im Bereich der Immunoonkologie erhalten.

Stolze Prämie

Während sich Novartis auf eine besonders aggressive Art von Blutkrebs fokussiert, adressiert Kite einen breiteren Markt. Entsprechend kostspielig ist der Deal für Gilead. Der in Cash offerierte Preis von 180 $ je Kite-Aktie entspricht fast 30% Prämie auf dem Schlusskurs vor dem Übernahmeangebot. Das, obwohl die Gentherapie noch am Anfang steht und die Transaktion erst in drei Jahren einen Gewinnbeitrag leisten soll.

Für Gilead ist der Zukauf eine Flucht nach vorn. Der Konzern aus der Bay Area um San Francisco steht unter Druck, Wachstum zu generieren. Er verbuchte zwar viel Erfolg mit Medikamenten gegen Aids und Hepatitis. Weniger Erkrankungen und wachsender Konkurrenzdruck trüben jedoch die Aussichten. So wird am Markt damit gerechnet, dass die Einnahmen für 2017 weiter auf rund 26 Mrd. $ sinken, nachdem sie vor zwei Jahren 33 Mrd. $ erreicht haben.

«Mit der Axi-Cel-Therapie kauft sich Gilead ein innovatives Produkt, das den Umsatzrückgang dämpfen wird», denkt Phil Nadeau, Analyst beim Investmenthaus Cowen. Seinen Schätzungen nach wird das Verfahren ab 2022 knapp 800 Mio. $ pro Jahr einbringen. Zudem habe Kite weitere Anwendungen in der Pipeline und bietet eine attraktive Plattform zum Ausbau der Technologie.

Sektor kommt in Bewegung

Am Aktienmarkt erntet Gileads Offensive viel Applaus. Nachdem die Titel seit dem Kursrekord vom Sommer 2015 fast ein Drittel eingebüsst hatten, sind sie jetzt im Wochenverlauf mehr als 13% vorgeprescht. Mit knapp 37 Mrd. $ an flüssigen Mitteln kann sich der Konzern den Zukauf durchaus leisten.

Ausserdem hat er in der Vergangenheit Geschick mit Akquisitionen bewiesen. Die bisher grösste Übernahme datiert auf 2011 zurück, als Gilead für gut 10 Mrd. $ den Hepatitis-Spezialisten Pharmasset kaufte und damit einen der grössten Coups in der Branche landete.

Im Biotech-Sektor löst die Transaktion Fantasie auf weitere Übernahmen aus. Die Aktien von Unternehmen wie Juno Therapeutics und Bluebird Bio, die an ähnlichen Produkten wie Kite Pharma forschen, sind seit Anfang Woche rund 30% avanciert. Auch die Titel der Börsenschwergewichte Amgen, Celgene und Biogen sind in den vergangenen Tagen deutlich vorgerückt.

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