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Die Schweiz ist in Zugzwang

Viele Industrieländer sind daran, ihre Unternehmensbesteuerung zu überarbeiten. Das Ziel ist, die Standortattraktivität im härter werdenden internationalen Wettbewerb zu stärken.

Der Kampf wurde durch die Unternehmenssteuerreform in den USA intensiviert. Auch in Europa sind viele Länder aktiv geworden. So haben etwa die Niederlande und Belgien ihre Unternehmenssteuern bereits gesenkt. Andere werden folgen.

Die Schweiz gerät doppelt in Zugzwang. Sie ist gefordert, im internationalen Wettbewerb mitzuhalten, denn sonst sinkt die Attraktivität, und es droht Abwanderung.

Zudem profitieren viele ausländische Unternehmen in der Schweiz von steuerlichen Sonderstatus für bestimmte Gesellschaftsformen. Diese Sonderstatus sind international verpönt, die Schweiz muss sie abschaffen. Zumindest informell hat sie sich verpflichtet, das bis Anfang 2019 umzusetzen.

Diesem Ziel dient die Steuervorlage 17 (SV17). Sie ist der zweite Anlauf dazu, denn die Unternehmenssteuerreform III ist in der Volksabstimmung vor gut einem Jahr deutlich gescheitert. Die Linke hatte das Referendum ergriffen und obsiegte mit dem – falschen – Schlagwort, die Reform sei ein «Milliardenbschiss».

Botschaft Ende März

Ende März soll nun die Botschaft zur SV17 erscheinen. Dabei geht es besonders darum, zu verhindern, dass diejenigen Unternehmen, die bis jetzt von den Sonderstatus profitieren, markant mehr Steuern bezahlen müssen. Dadurch würde ein mächtiger Anreiz bestehen, die Schweiz zu verlassen, Steuersubstrat und Arbeitsplätze würden verschwinden.

Das potenziellen Verluste sind enorm: Die betroffenen Unternehmen bezahlen, obwohl «privilegiert» besteuert, insgesamt rund 6,3 Mrd. Fr. Steuern pro Jahr. Zu den Kantonen und Gemeinden fliessen gut 2,1 Mrd. Fr., entsprechend 20% ihrer gesamten Gewinnsteuereinnahmen. Auf Bundesebene sind es 4,2 Mrd. Fr., entsprechend 50% der Gewinnsteuereinnahmen. Nicht enthalten sind die Steuern von Zulieferbetrieben sowie von Angestellten.

Die Vorlage dürfte folgende Kernelemente enthalten: eine Patentbox, die es ermöglicht, den Ertrag aus Patenten und Ähnlichem reduziert zu besteuern. Dieses Vorgehen ist international anerkannt, etliche Länder bedienen sich einer Patentbox. Sie dürfte in der SV17 allerdings enger gefasst sein als diejenige in der USR III. So soll etwa der Ertrag aus der Entwicklung von Software ausgeklammert werden.

Weiter will die Vorlage den Kantonen höhere Abzüge für Aufwendungen in Forschung und Entwicklung ermöglichen. Um die Mindereinnahmen zu kompensieren, wird die Botschaft voraussichtlich die Teilbesteuerung für Dividenden von qualifizierten Beteiligungen auf 70% anheben. Auf Ebene des Bundes soll dieser Satz verbindlich sein, für die Kantone ist er ein Minimum.

Die Beteiligung der Kantone an der direkten Bundessteuer bleibt auf 21,2%. Diese Gelder sollen dazu dienen, den Kantonen allfällige Senkungen der Gewinnsteuersätze zu finanzieren. Es ist ihnen anheimgestellt, ob sie sie senken wollen. Die übrigen Massnahmen vermögen die aus der Abschaffung der Sonderstatus resultierenden Mehrbelastungen nicht zu kompensieren.

Die Kantone sind aufgefordert, möglichst rasch ihre Pläne darzulegen, wie sie die SV17 umsetzen wollen. Ein Überblick über die bis dato vorliegenden Erklärungen von dreizehn Kantonen zeigt, dass deren zwölf die Gewinnsteuersätze mehr oder weniger ausgeprägt senken wollen.

Als sogenannt soziale Kompensation wird die Botschaft die Erhöhung der minimalen Kinderzulagen um 30 Fr. je Kind und Monat vorschlagen. Diese Massnahme ist völlig sachfremd und eine Konzession an die Linke.

Abgesehen von der fragwürdigen Verkoppelung von Steuer- und Sozialpolitik ist auch darauf hinzuweisen, dass sich in denjenigen Kantonen, die schon über dem Minimum liegen, nichts ändern wird.

Zudem profitieren nur Paare mit Kindern von der Massnahme. Trotz diesen Einwänden wird der Schritt von den Kantonen und grossen Parteien akzeptiert. Sie hoffen, so das Einverständnis der Linken zu «erkaufen».

Das wird kaum gelingen. Die Linke kritisiert die bisher bekannten Punkte der SV17 als völlig unzureichend. Sie will eine stärkere Erhöhung der Kinderzulagen und verlangt die volle Besteuerung der Dividenden – ein Rückschritt zur alten Doppelbesteuerung. Sie stellt darüber hinaus Forderungen, die nichts mit dem Gegenstand der Vorlage zu tun haben.

So will sie etwa das Kapitaleinlageprinzip, das mit der USR II angenommen wurde, rückgängig machen. Zudem versucht sie einmal mehr, durch die Hintertür eine materielle Steuerharmonisierung zwischen den Kantonen zu erreichen.

Kritik kommt nicht nur von links. Der Gewerbeverband kämpft erbittert gegen die Erhöhung der Teilbesteuerung der Dividenden, denn sie richte sich gegen die kleinen und mittleren Unternehmen.

Die Erhöhung lässt sich allerdings insofern begründen, als sie teils oder voll durch die niedrigere Besteuerung der Unternehmensgewinne kompensiert werden kann.

Wenn sich die Hauptkritiker der SV17 nicht bewegen, sind die Prognosen für die Vorlage schlecht. Sollte auch sie scheitern, dürfte die Lust auf einen dritten Anlauf gering sein. In diesem Fall würden die Sonderstatus vorerst bestehen bleiben.

Dann wäre  allerdings damit zu rechnen, dass etliche Länder Unternehmen höher besteuern würden, die in der Schweiz von Privilegien profitieren. Entsprechende Signale sind etwa schon aus Deutschland oder Italien gekommen.

Für eine Abschaffung der Sonderstatus ohne Kompensationsmassnahmen müsste das Steuerharmonisierungsgesetz geändert werden. Auch das würde viel Zeit in Anspruch nehmen.

Wettrennen gegen die Zeit

Diese Zeit aber hat die Schweiz nicht. Sie muss die Sonderstatus wie erwähnt bis Anfang 2019 abschaffen. Wegen der Unsicherheit, ob dies gelingt, wurde die Schweiz von der EU und der OECD schon auf eine graue Liste nicht konformer Steuerregimes gesetzt.

Sollte der Termin überschritten werden, droht die Versetzung auf eine schwarze Liste. Sollte ein Referendum gegen die SV17 ergriffen werden, liesse sich der Termin von Anfang 2019 sicher nicht einhalten.

Obwohl die Botschaft keine Begeisterung auslösen wird, könnte die Position der Schweiz im internationalen Umfeld einigermassen konsolidiert werden. Die Vorlage zur USR III hätte standortpolitisch mehr gebracht.

Sollte auch der zweite Anlauf scheitern, hätte der Standort Schweiz, und damit die ganze Wirtschaft, erhebliche Nachteile zu gewärtigen – darunter würden alle leiden, ob links oder rechts. Die Kritiker sind dringend gehalten, von ihren Maximalforderungen abzurücken.