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Die Quantitätstheorie des Geldes

Mit Geld sollte man nicht spielen, mahnen die Monetaristen. Gebe es zu viel davon, folge schnell die Inflation.

Der Zusammenhang ist so einleuchtend, dass Milton Friedman ihn als Tautologie bezeichnete – als selbstverständliche, immer wahre Aussage.

Trotzdem ist die darauf basierende Gleichung Mittelpunkt einer der heissesten ökonomischen Diskussionen des 20. Jahrhunderts.

Der Zusammenhang ist die Quantitätstheorie des Geldes, die von Irving Fisher Anfang des letzten Jahrhunderts populär gemacht wurde: Geldmenge multipliziert mit der Geschwindigkeit des Geldumlaufs entspricht dem Transaktionsvolumen der Güter multipliziert mit dem Preisniveau. Fisher erklärte 1911: «Das Preisniveau schwankt in direktem Zusammenhang mit der Geldmenge in Umlauf, falls sich die Umlaufgeschwindigkeit und das dadurch abgewickelte Handelsvolumen nicht ändern.» Kurz gesagt: je mehr Geld in Umlauf, desto höher die Preise.

Inflation durch Silberimport

Beobachtet wurde dieser Zusammenhang schon im 16. Jahrhundert vom französischen Philosophen Jean Bodin, als Silber aus Südamerika nach Spanien gelangte. Diese zusätzliche Geldmenge löste in Westeuropa eine spürbare Inflation aus.  David Hume baute im 18. Jahrhundert diesen Gedanken aus: Mehr oder weniger an Geld habe keine Konsequenz für den Handel. Der Grund: Die Warenpreise würden immer im direkten Verhältnis zur Geldmenge angegeben.

Zurück zu Irving Fisher. Er argumentierte gegen die schon damals oft genannte Behauptung, dass mehr Inflation dem Handel gut tue: «Ausser in Übergangszeiten ist das Handelsvolumen, wie die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes, unabhängig von der Geldmenge.»

Natürliche Ressourcen und technische Bedingungen würden die Wirtschaft langfristig bestimmen, nicht die Menge an Geld und das Preisniveau. In seinem Buch «The Money Illusion» diskutierte Fisher 1928 Möglichkeiten, das Preisniveau stabil zu halten. Er sah stark schwankende Preise als eines der grössten Probleme der Menschheit.

Dann kam die Grosse Depression. In den USA sank die Industrieproduktion zwischen 1929 und 1932 um 46%, die Warenpreise um ein Drittel. John Maynard Keynes stellte 1936 unter dem Eindruck der Depression die Theorie auf, dass die Wirtschaft nicht zwangsläufig schnell zur Vollbeschäftigung zurückfinden muss.

Damit widersprach er der klassischen Ökonomie.Nach traditioneller Sicht sollten bei Arbeitslosigkeit und freier Produktionskapazität Preise und Löhne sinken, bis wieder Vollbeschäftigung herrscht.

Um die Wirtschaft zurück zur vollen Auslastung zu bringen, plädierte Keynes für eine aktive Fiskalpolitik. Die Geldpolitik sah er als wenig hilfreich in einer Wirtschaftskrise. Der Grund: Der Zins wäre dann so niedrig, dass eine höhere Geldmenge ihn nicht weiter senken könnte. Jede Geldexpansion würde als Liquidität gehalten – dieser Fall wurde als Liquiditätsfalle bekannt.

Mit der Quantitätstheorie ausgedrückt hiesse das: Die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes sinkt mit der Ausweitung der Geldmenge. Mehr Geld hätte keine Auswirkungen auf das Preisniveau.

Während Keynes hypothetisch argumentierte, wurde der Sonderfall Liquiditätsfalle für spätere Vertreter des Keynesianismus ein wichtiger Grundgedanke. Ist die Liquiditätspräferenz, also wie viel Geld man halten will, nicht konstant, könnte eine Erhöhung der Geldmenge unwirksam werden, weil gleichzeitig die Umlaufgeschwindigkeit abnimmt. Damit schien es unwichtig, die Geldmenge zu steuern.

Aufstieg des Monetarismus

Aber auch die einseitige Betonung der Fiskalpolitik brachte nicht die Lösung. Die höheren Staatsausgaben unter dem Keynesianismus gingen in den Siebzigerjahren mit hohen Marktzinsen, einer hohen Inflation und einer steigenden Arbeitslosigkeit einher.

Damit steckte die Idee des Keynesianismus, der Feinsteuerung der Wirtschaft durch Geld- und Fiskalpolitik, in der Krise. Die Zeit des Monetarismus – und damit die Wiederbelebung der Quantitätstheorie – war gekommen.

Milton Friedman erklärte 1970 programmatisch: «Inflation ist immer und überall ein monetäres Phänomen.» Unausgesprochen bleibt in diesem Satz: Deflation auch. Denn in seinem mit Anna Schwarz verfassten Buch «A Monetary History of the United States» zeigte er auf, dass die US-Notenbank durch eine stark sinkende Geldmenge die Deflation und damit die Wirtschaftskrise in den Dreissigerjahren erst zugelassen hatte.

Friedman plädierte aus dieser historischen Erfahrung heraus für eine stetige Ausweitung der Geldmenge, «durch die ein Land stetes Wachstum und wenig Inflation erreichen kann». Eine zu expansive Geld- und Fiskalpolitik sollte dagegen vermieden werden. Zentralbanken sollten die Wirtschaft nicht feinsteuern, denn die Wirtschaftsakteure würden aus den Erfahrungen einer zu schnell wachsenden Geldmenge lernen. Damit würde der Eingriff der Notenbank ihren Effekt verlieren.

Wird trotz dessen eine zu expansive Geldpolitik versucht, warnt Friedman: «Bestenfalls gibt diese Politik nur einen temporären Effekt auf Produktion und Beschäftigung, und wenn sie lange anhält, führt sie vor allem zu Inflation.»

Friedmans Gedanke, die Geldmenge als Ziel zu setzen, wurde als Formel für eine neue Geldpolitik diskutiert – und für kurze Zeit angewendet. Das Fed verabschiedete sich 1979 von der keynesianischen Feinsteuerung und wollte die Inflation durch die Kontrolle der Geldmenge in den Griff bekommen. Das monetaristische Experiment schien aber zu scheitern: Die Wirtschaft schlitterte in eine Rezession.

Die Monetaristen selbst bestritten, dass das Fed dem Modell einer stetigen Erhöhung der Geldmenge gefolgt sei. Aber es half nichts: In den USA war das Ende der Geldmengensteuerung besiegelt, als ab den Achtzigerjahren die Umlaufgeschwindigkeit unvorhersehbar schwankte.

Die Zentralbanken versuchen nun die Inflation durch ihren Leitzins und ihre Geldmarktgeschäfte zu steuern. Die einfache monetaristische Interpretation der Quantitätstheorie wird für die Geldpolitik bis heute kaum noch herangezogen.

Ob Inflation «immer und überall» ein monetäres Phänomen ist, bleibt umstritten.

So argumentierte der Ökonom Paul De Grauwe 2005, dass dies empirisch nur für Perioden und Länder mit hoher Inflation gelte. Bei einem relativ geringen Wachstum der Geldmenge sei eine Kausalität zwischen Inflation und Geldmenge kaum nachweisbar.

Mehr Geld gegen Deflation

Der Monetarismus hat den ehemaligen Fed-Vorsitzenden Ben Bernanke stark geprägt. Er wählte eine massive Erweiterung der Geldmenge durch den Kauf von Anleihen im Rahmen des Quantitative Easing (QE), um eine Deflationsspirale nach der Finanzkrise 2009 zu verhindern. Ein Einbrechen der Geldmenge wie bei der Grossen Depression wollte das Fed verhindern. Kritiker argumentierten dagegen mit der Quantitätstheorie, gemäss der eine baldige Hyperinflation drohe.

Doch die Notenbankgeldmenge – die als Bankreserven in den Computern des Fed «lagert» – ist nie im Wirtschaftskreislauf als Konsum angekommen. So, wie auch das Geld in den Bilanzen der EZB oder der Schweizerischen Nationalbank keinem Unternehmen oder Bürger zufliesst.

Vor allem über sinkende Langfristzinsen wirkte sich das Quantitative Easing auf die Volkswirtschaft aus – meist auf die Finanzmärkte, kaum auf die Konsumentenpreise. Die Hyperinflation blieb aus.

Mit der Ausweitung der Zentralbankbilanzen ist die Umlaufgeschwindigkeit der brachliegenden Geldmenge auf ein Allzeittief gefallen. Wie wenig sinnvoll das Mass der Umlaufgeschwindigkeit auch ist, die Quantitätstheorie hat sich als Tautologie bewahrheitet: Sie ist niemals falsch.