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Die Grenzen der chinesischen Charmeoffensive

In den vergangenen zehn Jahren verfolgte China einen zunehmend forschen Ansatz in der Entwicklung seiner Beziehungen zu ostasiatischen Ländern. Dieses Jahr allerdings hat das Land seine Nachbarn mit einer Charmeoffensive überrascht. Was hat sich geändert?

Soweit es Chinas Verhalten in der Region betrifft, ziemlich viel. 2013 rief China das Gebiet rund um die umkämpften Senkaku-/Diaoyu-Inseln im Ostchinesischen Meer einseitig zu einer Identifikationszone zur Luftverteidigung aus – und verschärfte damit die Spannungen mit Japan. Ein Jahr später begann China mit der Errichtung grosser künstlicher Inseln in umstrittenen Gebieten im Südchinesischen Meer. Als Reaktion auf die südkoreanische Entscheidung, den USA die Stationierung eines Raketenabwehrsystems im Land zu gestatten, verhängte China 2016 Sanktionen gegenüber Südkorea.

Mittlerweile allerdings scheinen derartige geostrategische Schikanen in der Diplomatie in den Hintergrund zu treten. Im Oktober empfing Chinas Präsident Xi Jinping den japanischen Premierminister Shinzo Abe in Peking. Abes Besuch in China war der erste eines japanischen Spitzenpolitikers seit sieben Jahren, und Xis für nächstes Jahr geplante Visite in Japan ist der erste Besuch eines chinesischen Präsidenten seit über einem Jahrzehnt.

USA setzen auf Eindämmung

Im November reiste der chinesische Ministerpräsident Li Keqiang nach Singapur, wo er eine aktualisierte Fassung des Freihandelsabkommens zwischen China und Singapur unterzeichnete. Überdies hofft er, im nächsten Jahr die Regional Comprehensive Economic Partnership zu unterzeichnen und umzusetzen, die vor etlichen Jahren von China initiiert wurde, um der mittlerweile aufgelösten Transpazifischen Partnerschaft etwas entgegenzusetzen (dabei handelt es sich um ein übermässig ehrgeiziges Ziel, das man aufgrund der Komplexität von Handelsabkommen zwischen mehreren Parteien wahrscheinlich nicht erreichen wird).

Chinas neuer, weniger feindseliger Ansatz ist keineswegs Ausdruck eines Sinneswandels oder geänderter Zielsetzungen aufseiten seiner Führung, sondern eher einer veränderten geopolitischen Landschaft in der Region. In den vergangenen Monaten haben die USA ihre vier Jahrzehnte währende Politik der Einbindung Chinas aufgegeben und durch eine Strategie der Eindämmung ersetzt. Da sich China nun einem eskalierenden geopolitischen Wettbewerb mit den Vereinigten Staaten gegenübersieht, ist Peking bemüht, in der Region Freunde zu gewinnen.

Obwohl Chinas Charmeoffensive noch nicht lange andauert, sind ihre Konturen bereits deutlich sichtbar. Das hervorstechendste Merkmal ist der Handel. Als grösster Handelspartner vieler asiatischer Länder wird China seinen Nachbarn – ähnlich wie im Fall Singapurs –  attraktive Handelskonditionen anbieten.

Positives Echo in Ostasien

Zur neuen Taktik Chinas zählt auch ein umfassenderes diplomatisches Engagement auf höchster Ebene, wobei neben Japan die führenden regionalen Akteure wie Südkorea, Indonesien und Vietnam in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt werden. Mittels Gipfeltreffen und anderer Gelegenheiten, im Rahmen derer hochrangige Beamte zusammenkommen, will China versuchen, freundlichere Beziehungen mit seinen Nachbarn zu pflegen. Zur Unterstützung dieser Bemühungen wurde Chinas Propagandamaschinerie wahrscheinlich auch angewiesen, ihre nationalistische Rhetorik abzuschwächen und Inhalte zu streichen, die die Nachbarn Chinas verärgern könnten.

Schliesslich könnte sich China auch hinsichtlich der Geltendmachung seiner Gebietsansprüche vorübergehend mässigen. So ist es beispielsweise unwahrscheinlich, dass das Scarborough-Riff, das China sich 2012 von den Philippinen aneignete, in absehbarer Zukunft zu einer weiteren künstlichen Insel ausgebaut wird. Ebenso wird man es wahrscheinlich vermeiden, Schiffe in die Nähe der Senkaku-/Diaoyu-Inseln zu entsenden und damit Japan gegen sich aufzubringen.

Die ostasiatischen Länder haben bisher positiv auf Chinas neue Diplomatie reagiert. Zweifellos würden sie jede Unterbrechung der chinesischen Kampfbereitschaft begrüssen. Aber weder Schmeicheleien noch Handelsabkommen werden China verlässliche Verbündete bescheren, vor allem nicht im Wettbewerb gegen die USA.

Strategischer Konflikt wird wahrscheinlicher

Wenige Länder in Ostasien möchten im Schatten eines hegemonial agierenden Chinas leben. Die Angst vor diesen Aussichten bildete lange Zeit das Fundament der amerikanischen  Sicherheitsarchitektur in Ostasien, die auf bilateralen Bündnissen und der Entsendung von US-Militär gründet. Sie sichert sich die USA auch weit verbreitete Unterstützung in Ostasien, wenn es darum geht, als strategisches Gegengewicht in der Region zu agieren.

Freilich ziehen es die meisten ostasiatischen Länder vor, sich nicht klar für eine Seite zu entscheiden. Sollten die USA und China allerdings in einen direkten strategischen Konflikt geraten – ein zunehmend wahrscheinliches Szenario –, würden die USA die meiste Unterstützung bekommen, besonders von ihren Verbündeten wie Japan, Südkorea und Vietnam. Auch Malaysia und Singapur würden sich wahrscheinlich an die Seite der USA stellen.

Rein taktischer Ansatz genügt nicht

Wenn China in seiner Nachbarschaft verlässliche Freunde finden will, muss es in Sicherheitsfragen, besonders im Hinblick auf territoriale Konflikte, weitaus grössere Zugeständnisse machen. Beispielsweise würde eine dauerhafte Regelung der Gebietsansprüche auf die Senkaku-/Diaoyu-Inseln dazu beitragen, Japan davon zu überzeugen, dass China keine ernsthafte Bedrohung darstellt. In ähnlicher Weise würden die Ängste der südostasiatischen Nachbarn zerstreut, wenn China hinsichtlich seiner Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer die internationale Schiedsgerichtsbarkeit akzeptierte.

Nach Lage der Dinge deutet nichts darauf hin, dass Xi, der versprochen hat, «China wieder gross» zu machen, derartige Zugeständnisse in Erwägung zieht. Aber solange China einen rein taktischen Ansatz verfolgt, wird es auch nur rein taktische Gewinne verbuchen. Diese Gewinne werden nicht annähernd ausreichen, wenn es um den Aufbau von Freundschaften geht, die einem strategischen Konflikt mit den USA standhalten sollen.

Copyright: Project Syndicate.

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