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Das Abkommen von Minsk muss wiederbelebt werden

Es gibt zwei Varianten, wie die Zukunft der ostukrainischen Region Donbas aussehen kann. Eine davon findet sich im Rahmen des Minsker Friedensprozesses, also dieser Reihe miteinander verknüpfter Abkommen zur Entschärfung des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine. Oder aber die Region wird zum Schauplatz eines «eingefrorenen Konflikts» der Art, wie es sie auch anderswo in vormals sowjetischen Territorien gibt, wo gelegentliche Scharmützel die allgegenwärtige Gefahr eines ernsthafteren Blutvergiessens unterstreichen.

Derzeit steht der Prozess still. Schuldzuweisungen auf beiden Seiten dürften eskalieren, sobald die EU und die USA darüber sprechen, ob die Sanktionen gegen Russland verlängert werden sollen. Um den Minsker Prozess voranzubringen, braucht es einen sehr viel nachdrücklicheren Ansatz des Westens.

Darüber zu befinden, ob die Sanktionen aufzuheben sind oder nicht, sollte nicht schwierig sein. Die Bedingung für das Aufheben wurde immer bestimmt als «volles Umsetzen» des Minsker Abkommens, und es gibt keine Anzeichen dafür, dass dies bis zum Sommer erreicht sein wird, wenn die aktuelle Runde an Sanktionen ausläuft.

Kernpunkt Föderalisierung der Ukraine

Es sollte auch offensichtlich sein, dass das Erleichtern der Sanktionen die EU und die USA ihrer Hebelwirkung auf den Kreml berauben würde – sowie ihrer verbliebenen Glaubwürdigkeit in Kiew. Ein solcher Entscheid würde fast mit Gewissheit die Fortsetzung des Konflikts bedeuten, in einem Hin und Her heisser und kalter Phasen.

Der bedeutendste Engpass im Umsetzen des Minsker Abkommens betrifft die Verpflichtung der Ukraine, den Staatsaufbau neu föderal zu organisieren. Der Kreml hat der Ukraine häufig zur Last gelegt, hierbei zögerlich vorzugehen, wenn nicht gar absichtlich dieses Anliegen aufzuschieben.

Doch während eine Verfassungsreform, einschliesslich Dezentralisierung, im Abkommen von Minsk festgeschrieben ist, bleibt der Text sehr vage dazu, was dies bedeutet. In der Tat ist gerade Russland ein perfektes Beispiel dafür, wie der Wortlaut einer Verfassung nicht immer in die Wirklichkeit übersetzt wird. Auf dem Papier ist Russland eine Föderation, doch Präsident Wladimir Putin hat die Macht in seiner Hand zentralisiert.

Umstrittene Wahlen im Donbas

Die Schlüsselfrage heute ist die, wer im Fortgang des Minsker Prozesses die Regionen repräsentieren soll, die de facto unter russischer Besatzung stehen. Der Kreml will, nicht überraschend, dass diese Regionen von Führern der Separatisten vertreten werden, die mit seinem Segen eingesetzt und von seiner Unterstützung abhängig sind, um an der Macht zu bleiben. Doch die Regierung der Ukraine lehnt das aus ebenso offenkundigen Gründen ab und hat freie, faire Wahlen in diesen Regionen zur Vorbedingung für die Diskussion über verfassungsrechtliche Änderungen gemacht – ein Standpunkt, der ganz mit dem Minsker Abkommen übereinstimmt.

Eine heftige diplomatische Schlacht wird darüber ausgefochten, wer diese Lokalwahlen durchführen soll und unter welchen Bedingungen sie stattfinden sollen. Die Separatistenführer wollen weder, dass politische Parteien aus der übrigen Ukraine daran teilnehmen, noch dass die 1,5 Mio. Menschen, die wegen der Kämpfe in andere Landesteile vertrieben wurden, wählen dürfen. Doch diese Bedingungen sollten unannehmbar sein für die Regierung der Ukraine, die EU und die USA.

Wenn der Minsker Prozess vorankommen soll, dann scheint es keine Alternative dazu zu geben, dass eine Art internationaler Organisation diese Wahlen durchführt, so wie das in ähnlichen Fällen anderswo gehandhabt wurde. Doch um dies anzubahnen, braucht es Zeit, und es ist, nochmals, unwahrscheinlich, dass das vor dem Sommer geschehen wird.

Kontrolle über die Aussengrenze ist zentral -

Falls Russland sich wirklich gebunden fühlt, diesen Teil des Konflikts mit der Ukraine zu lösen (der illegale Anschluss der Krim bleibt völlig unangesprochen), sollte es keine Schwierigkeiten damit haben, international organisierten Wahlen zuzustimmen. Diejenigen, die in der Ostukraine Gebiete beherrschen, werden sicher gegen ein solches Arrangement sein, doch der Kreml unter Putin ist nicht unerfahren im Umgang mit Widersprechenden.

Ein wichtiges anderes Anliegen betrifft die Sicherheit. Russland ist engagiert im Liefern von Nachschub und Truppen für die beiden Armeekorps, die den Donbas besetzen, und die ukrainische Regierung hat recht, wenn sie als Vorbedingung für Verfassungsänderungen darauf besteht, die Kontrolle über die Staatsgrenzen zurückzuerhalten.

Der Westen sollte seinen Einfluss nicht unterschätzen. Der Kreml macht zwar ein tapferes Gesicht, wenn es darum geht, wann die Sanktionen aufgehoben werden sollten, und verhängt fleissig eigene Sanktionen, doch es gibt keinen Zweifel daran, dass die Sanktionen der russischen Wirtschaft erheblichen Schaden zufügen. Zudem ist zu erwarten, dass die Förderung aus Russlands bestehenden Ölfeldern im Verlauf des nächsten Jahrzehnts um bis zur Hälfte abnehmen wird. Somit wird der Zugang zu Technologien wichtiger, mit denen sich schwieriger zu fördernde Reserven anzapfen lassen. Solange die Sanktionen gelten, bleibt solche Technologie ausser Griffweite.

Entweder Minsk oder Dauerkonflikt

Es gibt gewiss Leute in Russland, die für einen lange dauernden Konflikt von niedriger Intensität eintreten, vielleicht ab und zu verschärft durch den Ausbruch militärischer Offensiven, in der Erwartung, dass die Ukraine irgendwann auseinanderbrechen werde. Das wäre eine ernsthafte Fehlinterpretation der Lage, eine, die Russland tiefgehenden Schaden zufügen könnte, und zwar auf lange Zeit. Trotz aller Probleme entwickelt sich die Ukraine zu einem zusammenhängenderen und lebenstüchtigeren Staat.

Der Westen darf es nicht zulassen, dass die Sanktionen zerfasern und der Minsker Prozess irrelevant wird. Denn wenn er das tut, wird das Endergebnis in einem Konflikt auf niedriger Stufe bestehen, der eines Tages sehr viel ernsthafter werden könnte. Und das wäre in niemandes Interesse.

Copyright: Project Syndicate.