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Bellerive-CIO: «Ich erwarte ein Comeback der Large Caps»

Darf gemäss Thomas Steinemann in keinem Portfolio fehlen: Nestlé.

Herr Steinemann, die Agenda fürs vierte Quartal ist vollgespickt: Italien-Referendum, US-Präsidentschaftswahl, Quartalszahlen der Unternehmen und Zinsentscheid des Fed. Worauf konzen­trieren Sie sich besonders? - Ich würde der Bedeutung nach für die Börse folgende Reihenfolge machen: ­erstens US-Zinsentscheid., zweitens ­amerikanische Präsidentschaftswahlen, drittens Quartalszahlen und schliesslich das Italien-Referendum. US-Leitzinsentscheide können sowohl einen neuen Börsen- als auch Zinstrend bewirken. Bei den anderen drei bevorstehenden Ereignisse ist das nicht der Fall; von diesen gehen höchstens kurzfristige Störfeuer oder Befeuerungen aus, keine neuen Trends.

Bleiben wir noch bei den Unternehmenszahlen. Positive Überraschungen würden der Börse nur kurz helfen? Sind die - Erwartungen nicht zu bescheiden? - Positive Überraschungen können und würden die Börse bestimmt beflügeln. Allerdings würde von besser als erwarteten Zahlen kein neuer Haussemarkt ausgehen. Dazu braucht es mehr, zum Beispiel anhaltend niedrige Zinsen, langfristig steigenden Unternehmensgewinne  und tiefe Bewertungen.

Die immer wieder gestellte Frage: Sind Aktien teuer, zu teuer oder mit Blick auf historisch niedrige Zinsniveau attraktiv bewertet? - Vergleicht man die Kurs-Gewinn-Verhältnisse unabhängig vom Zinsniveau, also einfach den historischen KGV-Chart, dann sind amerikanische Aktien teuer. Europa und die Schweiz bewegen sich leicht über dem Durchschnitt. So einfach ist die Sache aber nicht. Das gegenwärtige Null- und Negativzinsumfeld rechtfertigt eine höhere Bewertung, besonders, wenn der  Ausblick auf tiefe Zinsen noch immer intakt ist. Die Bewertungen können also durchaus noch weiter steigen. Die Rechnung kommt dann, wenn der Zinstrend – auch der Obligationenzinsen – nach oben weist.

Europa hat im zurückliegenden Quartal den US-Markt übertroffen. Geht dieser Trend weiter? - Das wäre dann der Fall, wenn die US-Zinsen im Dezember nicht angehoben würden und Hillary Clinton gewählt würde.

Wie ist das zu verstehen, wäre ein Wahlsieg von Donald Trump besser für die Börse? - Nein, ein Trump-Sieg hätte kurzfristig  enorm negativen Einfluss auf die Märkte. Eine Präsidentschaft Clinton würde milde positiv aufgenommen.

Was Anleger ebenfalls beschäftigt: Auf die hoch bewerteten defensiven Aktien mit guter Dividendenrendite setzen oder zurückgebliebene zyklische Titel bevorzugen? - In der Schweiz hatten wir 2016 eine starke Outperformance der zyklischen Small und Mid Caps. Davor hatten eher die groskapitalisierten Titel die Nase vorn. Der globale Megatrend eines schrumpfenden Welthandels wird sich fortsetzen. Das ist nicht das ideale Umfeld für zyklische Titel   wie viele kleine und mittelgrosse Werte.  Ich erwartete deshalb für 2017 wieder eine Outperformance der grossen Blue Chips.

Welche Sektoren bevorzugt die Privatbank Bellerive? - Titel aus der Informationstechnologie sind noch immer nicht hoch bewertet. Pharmaaktien könnten den Boden gefunden haben, ist doch viel Negatives nun in den Kursen berücksichtigt. Für Contrarians, für Anleger, die gegen den Konsens handeln, sind ausgewählte Energie und Rohstofftitel attraktiv.

Die Börsen laufen auch dieses Jahr besser als erwartet respektive befürchtet. Sollen Anleger Kursgewinne laufen lassen, also an den guten Aktien festhalten, oder ans Verkaufen denken? - Es ist nie falsch, Gewinne mitzunehmen, vor allem, wenn die Kurse schnell gestiegen sind, wie zum Beispiel bei gewissen Schweizer Small und Mid Caps. Auch wenn die Bewertungen in unrealistische Höhen geschnellt sind, ist es nicht falsch, sich von einer Position zu trennen oder sie zumindest zu reduzieren. Allerdings sollte man beim Verkauf – ob Aktie oder ein anderes Investment –  klare Vorstellung über die Wiedereinstiegskriterien haben und sich dann auch an diese halten. Nur Verkaufen um des Verkaufens willen bringt meistens nichts, nur Opportunitäts- und Transaktionskosten.

Was könnte das Signal für Gewinnmitnahmen sein? - Wie gesagt, ein schneller Kursanstieg und/oder eine unrealistisch hohe Bewertung. Von Makroseite sehe ich unmittelbar keine grosse Gefahr für die Börsen heraufziehen.

Zuletzt standen Bankaktien unter Druck, angeführt von der Deutschen Bank. Nach einer von den USA in Aussicht gestellten happigen Busse wurde schon über - eine eventuell notwendige Staatsrettung gemutmasst. Sind Bankaktien etwas für Schnäppchenjäger? - Wir investieren nicht in Grossbanktitel. Noch immer sind negative Überraschungen möglich. Der Bankensektor steckt noch mitten im Strukturwandel. Eines ­Tages sind es sicher wieder Kaufgelegenheiten, aber dannzumal sehen die Banken deutlich anders aus als heute.

Den US-Zinsentscheid nannten Sie eingangs als wichtigstes Kriterium für die Märkte. Ist eine Leitzinserhöhung des Fed von Mitte Dezember nicht schon eingepreist, nachdem die US-Wirtschaft wächst, wenn auch nicht berauschend? - Ich habe nicht den Eindruck, dass ein Zinsschritt im Dezember schon eingepreist ist. Ich erwarte und hoffe jedoch, dass es zu dem Schritt kommt. Es ist höchste Zeit, das schädliche Null- und Negativzinsumfeld zu verlassen. Der Notfall- modus, der in den Jahren 2008 und 2009  nach der Finanzkrise angebracht war, gehört endlich begraben, zumal die amerikanische Wirtschaft sich, wie Sie sagen,  erholt hat, der Arbeitsmarkt robust ist und die zugrundeliegende Inflation deutlich höher ist als gemessen und über dem 2%-Ziel der US-Notenbank liegt.

Was bedeutet dieser Ausblick für Obligationenanleger, sich mehr am langen Ende positionieren, wo die Renditen zuletzt gestiegen sind? - Der Zinsanstieg in den USA – so er denn kommt – wird moderat und langsam sein. Da er die Konjunktur nicht abwürgen dürfte, sollten auch die langen Zinsen langsam steigen, besonders in den USA. In Europa wird es wohl noch nicht der Fall sein, sodass die Zinsen vorerst wohl aus­einanderliefen.

Wie viel Risiko – Stichworte High Yields und Schwellenländer-Anleihen – verträgt ein ausgewogenes Depot? - Das ist kaum allgemein zu beantworten. Die Performance dieser Anlageklassen war beeindruckend. Geht es in diesem Stil weiter? Eher nein.

Wie gefährlich ist die Jagd nach Rendite, welche Märkte sind überhitzt und crashgefährdet? - Der High-Yield-Sektor lief sehr gut, da sollten tiefere Kurse abgewartet werden. Aktien – namentlich amerikanische – sind teuer. Ist es schon ein Blase? Niemand weiss es. Als Aktienspekulant wäre ich ­vorsichtig, als Investor halte ich die hoch qualitativen Dividendentitel fest.

Was bietet Schutz? - Diversifikation ist das A und O. Nicht oder wenig zu Aktien korrelierende Anlageklassen sind deshalb sinnvoll. Dazu gehören Titel aus den Bereichen Rohstoffe und Energie, Immobilien, Edelmetalle und Cash sowie verschiedene Absolut-Return-Strategien. Nicht zu vergessen Wandelanleihen, auch sie sind mit einem gewissen Poster ausgestattet, falls die Märkte korrigieren.

Viele Anleger schieben hohe Cash-Berge vor sich her – zu Recht? - Ja. Im derzeitigen volatilen Umfeld ohne klaren Trend ist ein substanzieller Cash-Anteil nicht falsch. Dies, um Mittel zum Einstieg bei tieferen Aktienkursen bereit zu haben.

Welche Aktien dürfen im Portfolio nicht fehlen? - Unsere Schwerpunkte liegen auf den ­dividendenstarken Blue Chips, Unternehmen, die global aufgestellt sind und die unterschiedliche Konjunkturzyklen ausgleichen und mit nichtzyklischen Bereichen kompensieren können, also Konsum wie Unilever und Nestlé sowie Pharma wie Roche, Novartis, Shire, Johnson und Johnson. Daneben setzen wir auf ausgewählte IT-Werte, beispielsweise auf SAP, Microsoft, Qualcomm und Alphabet. Unter den Rohstoff- und Energietiteln gefallen uns BHP, Royal Dutch/Shell und Subsea 7, Letzteres eine Engineering-, Bau- und Servicegesellschaft für die Offshore-Ölindustrie, die ihren Sitz in London hat. Dann China, das zwar momentan eine Formschwäche aufweist, aber den Binnenkonsum vorantreibt. Und last, but not least Versicherungen wie Helvetia, Allianz, Zurich Insurance und Swiss Re sowie unter den kleineren Finanzwerten Cembra Money Bank und Partners Group.