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Beutezeit im US-Detailhandel

Kaufhäuser wie Macy’s, Dillard’s und JCPenney erlitten heftige Abgaben.

Es fühlt sich an wie Endzeitstimmung. Wer dieser Tage durch das New Yorker Shoppingviertel SoHo schlendert, kommt sich vor wie in einem Katastrophenfilm, in dem ein Grossteil der Menschheit von einem tödlichen Virus dahingerafft wird.

Noch vor kurzem hat im kultigen Bezirk südlich der Houston Street die internationale Modeszene pulsiert. Ein Trendladen reihte sich an den nächsten. Umso deprimierender muten an diesem verregneten Sommernachmittag die leeren Schaufenster all der geschlossenen Geschäfte an.

«Als wir unseren Laden hier eröffneten, brach gerade die Finanzkrise aus», sagt Erik Sacher, der an der 92 Thompson Street ein mondänes Optikergeschäft führt. «Auch das waren harte Zeiten. Doch dieses Mal ist es anders. Nur die Stärksten werden überleben», fürchtet er.

Schon drei seiner Konkurrenten in der Nachbarschaft hätten dichtgemacht, weil Kunden ausblieben und die Miete zu teuer wurde. «Selbst die Armani-Filiale gleich um die Ecke musste schliessen», fügt Sacher hinzu.

Das Ausmass der Epidemie zeigt sich in Zahlen. Gemäss der Immobilienfirma Cushman & Wakefield stehen über 23% der Läden im Quartier leer. Zum Vergleich: 2011 waren es weniger als 5%.

Wachstum ohne Mass

Was in SoHo passiert, ist überall in Amerika zu beobachten. Um das Wachstum zu forcieren, haben US-Detailhändler ihre Verkaufsfläche seit den Neunzigerjahren massiv ausgebaut.

Diese ungestüme Expansion rächt sich nun, weil sich das Geschäft ins Internet verlagert. So nimmt das Umsatzvolumen im Online-Handel gut 15% pro Jahr zu, wobei speziell Einkäufe über Mobiltelefon, Tablet-Computer sowie Laptop boomen.

Die Branche kämpft wegen des massiven Ausbaus mit enormen Überkapazitäten. Von der Elektronikkette RadioShack über den Papeteristen Staples bis hin zum Luxusmodehaus Ralph Lauren schliessen Einzelhändler dieses Jahr landesweit fast 9500 Filialen, schätzt der Researchdienst Fung Global Retail & Technology.

Das sind fast fünfmal so viele wie 2016. Es übertrifft selbst den Kahlschlag im Rezessionsjahr 2008, als rund 6200 Läden zugingen.

«Die Retailindustrie ist in Panik», brachte es Ed Stack, CEO von Dick’s Sporting Goods, bei der Präsentation der Semesterzahlen auf den Punkt. Entsprechend beunruhigt sind Investoren.

Nach einem enttäuschenden Abschluss brachen die Aktien von Dick’s über 20% ein. Harsch abgestraft wurden ebenso Branchennachbarn wie Foot Locker und Under Armour.

Heftige Abgaben erlitten zudem Kaufhäuser wie Macy’s, Dillard’s und JCPenney. Die schwache Kursperformance des Sektors hat sich in den vergangenen Wochen akzentuiert.

Investoren fragen sich, ob es überhaupt noch schlimmer kommen kann oder ob der Rückschlag eine Gelegenheit für Schnäppchen eröffnet.

Während der Leitindex S&P 500 in den letzten zwölf Monaten über 11% avanciert ist, notieren die Titel der wichtigsten US-Einzelhändler im Schnitt 1% im Minus.

Für Contrarians dürfte sich ein sorgfältiger Blick auf Retailvaloren daher lohnen, zählt der Sektor doch zu den wenigen Segmenten am amerikanischen Aktienmarkt, die nicht überteuert erscheinen.

[infp 5R]«Klar ist, dass sich im Detailhandel tektonische Verschiebungen abspielen», sagt Branchenkenner Ken Perkins von Retail Metrics.

Hinter der Geschäftsverlagerung aufs Internet stecke vor allem eine Triebkraft: Amazon. Die Verkaufsmaschine aus Seattle erwirtschaftet inzwischen fast die Hälfte des landesweiten Online-Umsatzes und dringt in immer neue Geschäftsfelder vor.

Das jüngste Beispiel ist die Milliardenübernahme der Lebensmittelkette Whole Foods. «Amazon ist wie eine dunkle Wolke, die den Sektor überschattet und die Bewertungen belastet», meint Perkins.

Kampf ums Überleben

Wer also kann es ernsthaft mit Amazon aufnehmen? Und welche Unternehmen werden ihr Schicksal wohl eher mit den Dinosauriern teilen? Seit Anfang Jahr mussten achtzehn Einzelhändler Konkurs anmelden.

Das sind bereits so viele wie insgesamt im bisherigen Rekordjahr 2008. Ratingagenturen wie Moody’s warnen, dass mehr als zwanzig weitere Gesellschaften finanziell unter schwerem Stress stehen.

Dazu zählen selbst prominente Branchenvertreter wie das Traditionshaus Sears und der Modeverkäufer Neiman Marcus. Erhöhte Vorsicht ist ebenso im Fall von JCPenney angebracht.

Diese Bereinigung kann sich aber auch als Chance erweisen. Das, zumal die Fundamentaldaten ansprechend sind. Die Arbeitslosigkeit in den USA bewegt sich auf dem tiefsten Stand seit Frühjahr 2001, der Benzinpreis ist niedrig, und die Konsumenten sind zuversichtlich.

Anfang September sind ausserdem die Sommerferien zu Ende, weshalb Eltern ihre Kinder gegenwärtig für den Schulanfang ausrüsten und sich dabei oft selbst das eine oder andere Extra leisten.

Der Branchenverband NRF schätzt, dass die Verkäufe der diesjährigen Back-to-School-Saison 10% auf rund 84 Mrd. $ steigen.

Im US-Einzelhandel breitet sich Angst vor der «Shopping-Apokalypse» aus. Selbst im New Yorker Trendviertel SoHo steht annähernd jedes vierte Ladenlokal leer.

«Das sind gute Nachrichten für Unternehmen, die strategisch alle Absatzkanäle einsetzen und in Online-Plattformen investiert haben», sagt Ryan Fisher, Retailspezialist beim Unternehmensberater A.T. Kearney. Interessante Namen gibt es mehrere. Die Branchenriesen Wal-Mart Stores und Target haben solide Zahlen präsentiert. Macy’s befindet sich in einem rigorosen Umbau, die Titel haben Turnaround-Potenzial. Über eine ausgezeichnete Stellung im Discount-Segment verfügt Dollar General. Dem Schweizer Logistiker Interroll spielt der Trend zum Online-Handel mehr Aufträge zu.

Wer gut für die Zukunft aufgestellt ist, wird der Weihnachtsverkauf zeigen. Die Anpassung an die neue Welt des Online-Shopping bleibt allerdings kostspielig. Das heisst, der Druck auf die Margen wird sich nicht über Nacht lösen. Auch werden weitere Kursschwankungen nicht ausbleiben, weshalb Engagements starke Nerven und Geduld erfordern.

An Wallstreet haben sich angriffslustige Profis bereits positioniert. So wettet etwa der Hedge-Fund-Manager David Einhorn auf eine erfolgreiche Restrukturierung des Kaufhauses Dillard’s, und der Aktionärsaktivist Sandell Asset Management drängt den Buchhändler Barnes & Noble dazu, sich selbst zum Verkauf zu stellen.

Aktientipps: - » Macy’s: Der Allrounder - » Dollar General: Der Discounter - » Target: Der Branchenriese - » Amazon: Der Zerstörer - » Interroll: Der Ausrüster

Der Allrounder

Für Macy’s sieht es auf den ersten Blick nicht gut aus. Die Verkäufe auf vergleichbarer Fläche gehen seit sechs Quartalen ohne Unterbruch zurück. Eine Trendwende zeichnet sich nur langsam ab. Auch die Marge ist unter Druck. Das schmälert den Gewinn. In zwei Jahren ist er fast 30% eingebrochen. Gemäss Schätzungen soll er bis 2019 weitere 15% zurückgehen. Der grösste Warenhausbetreiber der USA gibt sich aber nicht geschlagen. Das vom ehemaligen Walfänger Rowland Hussey Macy im Jahr 1858 in New York City gegründete Unternehmen schliesst 100 der 860 Läden, baut das Discount-Geschäft aus und holt für den Ausbau des E-Commerce Verstärkung von eBay.

Das Internetgeschäft ist der grösste Lichtblick für Macy’s. Seit Jahren wächst es zweistellig. Genaue Umsatzzahlen gibt das Unternehmen nicht bekannt. Hingegen kommuniziert es die Anzahl der Besucher auf Macys.com. Pro Jahr sind es 1,5 Mrd. Auf der Homepage können Kunden Produkte bestellen und im Geschäft abholen oder sich nach Hause schicken lassen.

Die attraktive Bewertung bietet Anlegern Chancen. Gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis von 7 für das im Januar endende Geschäftsjahr 2018 sind die Titel so günstig wie selten zuvor. Unter 20 $ notierten sie zuletzt 2010. (ML)

Der Discounter

Das Konzept ist so einfach wie bestechend: Bei Dollar General gibt es vieles für 1 $, alle übrigen Waren sind ebenfalls sehr günstig zu haben.

Die Geschichte des grössten US-Discounters beginnt 1955. Damals zählte das Familienunternehmen fünfunddreissig Ladenlokale in Kentucky und Tennessee.

Heute ist es mit 13 601 Geschäften in vierundvierzig Staaten präsent. Dollar General ist ein Billiganbieter, das Zielpublikum sind Konsumenten aus der unteren bis mittleren Einkommensschicht.

Damit hat das Unternehmen selbst im Online-Zeitalter Erfolg. Seit 2010 hat sich der Umsatz fast verdoppelt und der Gewinn annähernd vervierfacht.

Auch in den letzten Quartalen konnte Dollar General überzeugen. Das verdeutlicht die Einschätzung der Analysten. Nur einer von dreissig empfiehlt die Aktien zum Verkauf. Dreizehn sprechen sich hingegen für Engagements aus. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis für das laufende Geschäftsjahr beträgt 17. Historisch sind die Titel damit attraktiv bewertet.

Zudem ist für den Discounter die Gefahr des wachsenden Onlinehandels geringer als für die meisten Branchennachbarn. Zurücklehnen darf sich der Konzern dennoch nicht. Die deutschen Konkurrenten Aldi und Lidl sind nämlich daran, ihr US-Geschäft auszubauen. (ML)

Der Branchenriese

Obwohl der Online-Umsatz rasch wächst, werden 90% der Einkäufe in den USA weiterhin in Läden gemacht. Das spricht für etablierte Händler. Die grosse Stärke des Branchenschwergewichts Target ist ein Distributionsnetz mit Tausenden von Filialen.

Internetkonkurrent Amazon experimentiert deshalb seit Jahren mit physischen Standorten und macht mit der Übernahme von Whole Foods nun den ersten echten Schritt in die reale Welt.

Während der Konzern daran arbeitet, sich auch als traditioneller Detailhändler zu etablieren, wollen Target oder auch Branchennachbar Wal-Mart hingegen mehr wie Amazon werden.

Target beispielsweise gibt in den nächsten drei Jahren rund 7 Mrd. $ für den Umbau von Filialen, für schnellere Zulieferketten sowie für den Ausbau des Online-Verkaufs aus.

Das bedeutet zwar vorübergehend höhere Kosten. Erste Erfolge machen sich bei Target aber bereits bemerkbar. Das zeigt die positive Kursreaktion auf den soliden Quartalsabschluss im August.

Nachdem die Aktien seit Anfang Jahr mehr als 20% an Wert eingebüsst haben, steckt in ihnen viel Aufholpotenzial. Target setzt sowohl auf Dividenden als auch auf Aktienrückkäufe. Zudem sind die Titel für 2017 mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 12 attraktiver bewertet als Wal-Mart (18). (CG)

Der Zerstörer

An Amazon führt kein Weg vorbei. Der Tech-Konzern dominiert den Onlinehandel in den USA. Laut Marktbeobachter Slice Intelligence erreichte Amazon 2016 einen Anteil von 43% am amerikanischen Internethandel, Tendenz steigend.

Auch ist der Gigant aus Seattle für mehr als die Hälfte des Wachstums im Onlinehandel verantwortlich. In wenigen Jahren hat er die dominante Stellung ausgebaut. Das stärkste Wachstum zeigen die Bereiche Konsumelektronik, Küchengeräte sowie Kleider.

In all diesen Bereichen gräbt Amazon traditionellen Anbietern das Wasser ab. Laut dem Researchhaus MKM Partners konnte Amazon in weniger als vier Jahren den Anteil am Gesamtumsatz des Einzelhandels exklusive Nahrungsmittel auf 5% verdoppeln.

Wegen des hohen Wachstums, und da Amazon den Grossteil der Einnahmen in neue Projekte investiert, ist das Kurs-Gewinn-Verhältnis für die Bewertung wenig aussagekräftig.

Mehr Aufschluss geben Unternehmenswert zum Betriebsergebnis vor Abschreibung und Amortisation, (Ebitda, 21 für die nächsten 12 Monate) sowie das Verhältnis von Kurs zu Umsatz (3 für die letzten 12 Monate). In beiden Fällen sind die Titel historisch gesehen teuer. Anleger, die trotzdem einsteigen wollen, sollten Rückschläge abwarten. (ML)

Der Ausrüster

«Der grosse Wachstumstreiber ist E-Commerce», sagt Paul Zumbühl, CEO von Interroll. In der Logistik herrsche in den USA im Vergleich zu Europa ein grosser Nachholbedarf.

Die Nähe zu neuen Technologien eröffnet dem Stückgutlogistiker laut Zumbühl attraktive Opportunitäten. So startete Interroll vor vier bis fünf Jahren eine bedeutende Offensive in den USA.

Im Zeitraum 2013 bis 2015 wurden 40 Mio. $ in eine Akquisition, in die Zusammenlegung der Fertigungskapazitäten und in eine grössere Verkaufsorganisation investiert. Das war etwa doppelt so viel wie die Gesamtinvestitionen der Gruppe im Durchschnitt der Vorjahre.

Zu den direkten Abnehmern von Interroll-Produkten gehören Anlagenbauer und Systemintegratoren. Das Unternehmen ist jedoch dazu übergegangen, mit Erfolg auch Endkunden wie Amazon, den US Postal Service oder Procter & Gamble direkt zu beliefern.

Eine wichtige Stütze des robusten Wachstums von Interroll ist sodann eine modular und flexibel einsetzbare Förderplattform, die 2015 auch in den USA eingeführt wurde.

Die Aktien nehmen mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 30 für das laufende Geschäftsjahr bereits viel Positives vorweg. Nun werden Kursfortschritte bescheidener ausfallen.  (AS)

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