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«Aktien sind immer noch besser als Bonds»

«Die aktuellen Daten zeigen, dass sich die US-Wirtschaft weiter erholt: Die Arbeitslosigkeit sinkt, das Konsumentenvertrauen steigt, der Industrieproduktionsindex rückt vor, die Häuserpreise klettern – all das ist positiv für die Aktienmärkte», sagt David Kostin.

Der US-Aktienmarkt gemessen am umfassenden Index S&P 500 wird 2014 weiter vorrücken, aber bei weitem nicht mehr so kräftig wie 2013. Das prognostiziert David Kostin im Interview mit «Finanz und Wirtschaft». Ja, der Chef-US-Aktienstratege von Goldman Sachs sieht sogar ein erhebliches Risiko, dass es zu einem grösseren Rückschlag kommt. Kostin glaubt auch, dass die Aktienmärkte in Asien und Europa im laufenden Jahr besser abschneiden werden als die in den USA. Im Interview verrät er aber, wie man in dieser Situation mit US-Titeln trotzdem noch Geld verdienen kann.

Herr Kostin, der marktbreite US-Börsen­index S&P 500 ist 2013 rund 30% ge­stiegen und steht nun bei 1840 Punkten. Werden wir diese Performance 2014 ­nochmals sehen? - Ich erwarte, dass die Performance des S&P 500 im laufenden Jahr in der Nähe von 5% sein wird und dass er vom gegenwärtigen Niveau auf etwa 1900 Punkte steigt.

Was treibt den Index im laufenden Jahr an? - Der phänomenale Anstieg 2013 kam, weil das erwartete Kurs-Gewinn-Verhältnis, das KGV,  des Index von 13 auf 16 kletterte. Ich gehe davon aus, dass eine solche ­KGV-Expansion im laufenden Jahr nicht noch einmal geschehen wird. Der Haupttreiber am Aktienmarkt wird 2014 das Umsatzwachstum sein.

Wo soll das Wachstum des Umsatzes der Unternehmen herkommen, wenn sich die Weltwirtschaft nach wie vor nur langsam von der Krise erholt? - Der Umsatz der Unternehmen ist eine Funktion des Wirtschaftswachstums. Goldman Sachs prognostiziert, dass die US-Wirtschaft im laufenden Jahr um etwa 3% wachsen wird. Vergangenes Jahr waren es 2%. Dazu kommt noch eine ­erwartete Inflation von 1,5%. Beides ­zusammen – Wirtschaftswachstum und ­Inflation – wird zu einer Umsatzsteigerung von 4,5% führen. Zwei Drittel der Verkäufe von US-Unternehmen finden ­innerhalb der Vereinigten Staaten statt. Ein Drittel der Güter und Dienstleistungen wird im Ausland abgesetzt, wo es – speziell in Asien – schnelleres Wirtschaftswachstum und höhere Inflation gibt. Diese Arithmetik ergibt, dass der Umsatz von US-Unternehmen im Jahr 2014 7 bis 8% steigen wird. Einige Gesellschaften werden dabei aufgrund ihres grossen operativen Hebels die Verkäufe noch mehr steigern können.

Gibt es in Ihrem Szenario auch ­Abwärtsrisiken? - Die Abwärtsrisiken liegen wahrscheinlich im Bereich der Geldpolitik – etwa in einer schnelleren Verknappung der Versorgung der Wirtschaft mit Geld durch die US-Notenbank. Goldman Sachs erwartet allerdings, dass dies nicht vor 2016 geschieht. Die aktuellen Daten zeigen, dass sich die US-Wirtschaft weiter erholt: Die Arbeitslosigkeit sinkt, das Konsumentenvertrauen steigt, der Industrieproduktionsindex rückt vor, die Häuserpreise klettern – all das ist positiv für die Aktienmärkte.

Trotzdem besteht Ihrer Ansicht nach eine Wahrscheinlichkeit von 67%, dass es 2014 irgendwann zu einer Kurskorrektur von 10% kommt. Warum dieser doch ziemlich grosse Pessimismus? - Unsere Schätzung, dass der S&P 500 eine 10%ige Korrektur mit einer Wahrscheinlichkeit von 67% erleben könnte, basiert auf den historischen Renditemustern des Index seit den Fünfzigerjahren. Die Wahrscheinlichkeit einer Korrektur um 10% in den nächsten zwölf Monaten hat nach der starken Performance von US-Aktien 2013 zugenommen. Der S&P 500 hat in den vergangenen 18 Monaten ohne eine Kurskorrektur um 40% zugelegt.

Heisst das, dass die Luft für Aktien dünner geworden ist? - Der Stand des erwarteten Kurs-Gewinn-Verhältnisses zeigt, dass die Bewertung des US-Aktienmarktes im Vergleich mit früheren Zeiten hoch ist. Das Gleiche zeigen Kennzahlen wie Unternehmenswert zum Betriebsgewinn Ebitda, Unternehmenswert zum Absatz, Kurs-Buchwert-Verhältnis, Rendite des freien Cashflows oder zyklisch adjustierte P/E Ratio. Das heisst nicht, dass der Aktienmarkt überbewertet ist, die Bewertung ist einfach schon recht hoch. Das bedeutet aber, dass das Aufwärtspotenzial nicht mehr so gross ist.

Würden Sie trotz der schon hohen ­Bewertung des US-Aktienmarktes sagen, dass Aktien immer noch der Ort sind, an dem man sein muss? - Welche anderen Anlagemöglichkeiten als Aktien gibt es? Zehnjährige US-Regierungsanleihen rentieren zurzeit 3%. Goldman Sachs erwartet, dass die Rendite im laufenden Jahr auf 3,25% steigt. Bargeld wiederum gibt fast keine Rendite her. ­Aktien sind also vergleichsweise immer noch ein attraktives Investment. Wenn man die Weltaktienmärkte anschaut, dann ist der US-Markt nicht so attraktiv wie ­Japan, wo es mehr politische Initiativen gibt, und wie Europa, wo die Bewertungen viel tiefer sind.

Wonach sollte ein Anleger Ausschau halten, wenn er in diesem Jahr Aktien kauft? - Ein privater Anleger oder ein Portfolio­manager sollte auf Strategien setzen, die nicht so stark von der Bewertung der Aktien abhängig sind. Die Bewertungen sind, wie erwähnt, schon auf einem ziemlich hohen Niveau. Mehrere Strategien sind in diesem Fall möglich. Erstens: auf Ausgaben für Investitionen achten. Im vergangenen Jahr sind sie nicht sehr kräftig ­gewachsen – nur 2% im Vergleich zu 2012. In den vorangehenden Jahren betrug das Wachstum der Investitionsausgaben 10%, 20% und wieder 10%. Im laufenden Jahr erwarte ich ein Wachstum von 9%. Unternehmen, die viel investieren, gehen davon aus, dass sie in Zukunft einen höheren ­Ertrag generieren können. Eine Strategie ist also, auf Unternehmen zu setzen, die ein überdurchschnittliches Investitionswachstum aufweisen.

Welche zweite Strategie schlagen Sie vor? - Auf Gesellschaften zu setzen, die Aktien zurückkaufen. Solche Unternehmen trifft man in den USA häufiger an als in anderen Ländern. Vor zwanzig Jahren kauften erst 200 der im S&P 500 enthaltenen ­Unternehmen Aktien zurück. Heute sind es 425. Die Rendite von Aktienrückkäufen ist zurzeit fast so hoch wie die Dividendenrendite – etwa 5%. Diese Rendite ist ebenfalls nicht sehr abhängig vom Kurs-Gewinn-Verhältnis.

Wonach halten Sie sonst noch Ausschau? - Die dritte Strategie beruht darauf, auf Gesellschaften zu setzen, die einen hohen operativen Hebel aufweisen. Das heisst, dass eine leichte Erhöhung des Wirtschaftswachstums bei diesen Unter­nehmen zu einer überproportionalen Expansion des Gewinns führt.

Sie favorisieren auch zyklische ­Unternehmen gegenüber defensiven ­Gesellschaften. - Gehen wir davon aus, dass sich das Wachstum der US-Wirtschaft 2014 verbessern wird. Davon profitieren diejenigen Unternehmen am meisten, die eine hohe Sensitivität zur wirtschaftlichen Aktivität haben. Dazu gehören Technologieunternehmen, Gesellschaften, die zyklische Konsumgüter anbieten, und Industriebetriebe. Defensive Unternehmen, die wir zu meiden empfehlen, sind solche aus den Bereichen Telekommunikation, Energieversorgung und Massenkonsumgüter. Ein kluger Anleger kombiniert zyklische ­Gesellschaften mit den erwähnten Strategiethemen, sucht also etwa ein Technologieunternehmen, das überdurchschnittlich investiert, einen Anbieter zyklischer Konsumgüter, der einen grossen operativen Hebel besitzt, oder einen Industriebetrieb, der aggressiv Aktien zurückkauft.

Im vergangenen Jahr lautete Ihre ­Devise: Aktien kaufen – Anleihen verkaufen. Gilt das angesichts der gestiegenen Anleihenrenditen immer noch? - Im vergangenen Jahr handelte der US-Aktienmarkt zu einem erwarteten Kurs-Gewinn-Verhältnis von 13, und US-Bonds rentierten 1,7%. Jetzt beträgt das KGV 16, und die Anleihenrenditen stehen bei 3%. Einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 16 entspricht eine Aktienmarktrendite von 6,3%. Aktien werden im laufenden Jahr also immer noch besser abschneiden als Bonds, auch wenn die Anleihenrenditen, wie von Goldman Sachs erwartet, bis Ende 2014 auf 3,25% steigen.

Welche Anteile der verschiedenen ­Assetklassen soll der Anleger idealerweise im Portfolio halten? - Das hängt vom Risiko ab, das er zu tragen bereit ist. Angesichts der weiterhin vergleichsweise guten Performanceaussichten von Aktien würde ich sie gegenüber anderen Assetklassen wie Anleihen oder Rohstoffen, für die Goldman Sachs eine flache Entwicklung prognostiziert, immer noch übergewichten. Bei den Aktien würde ich am meisten Gewicht auf asiatische Titel legen, etwas weniger auf europäische und nochmals etwas weniger auf amerikanische.