Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

«Zuerst beraten und dann verkaufen»

Costantino Lanni, Vermögensberater und Dozent an der HWZ, kann sich vorstellen, dass es in Zukunft die klassische Universalbank nicht mehr geben wird.

Herr Lanni, die Schweizer Finanzbranche steckt in einem tiefgreifenden Umbruch. Schärfere Regulierung, Weissgeldstrategie und Kostendruck

sind Stichworte dafür. Was bedeutet das für die Aus- und Weiterbildung im Banken- und Finanzsektor? - Der Wandel ist vor allem bei Themen zu spüren. Der Fokus verlagert sich von den klassischen Inhalten – wie funktionieren die Produkte; was ist Asset Allocation, was Asset Management? – immer mehr auf fachspezifische Aspekte, mit Schwerpunkt Cross Border Banking, Risikomanagement und Compliance. Wer heute einen deutschen oder einen italienischen Kunden berät, steht mit den verschärften Vorschriften der Weissgeldstrategie vor neuen Fragen, wie: Worauf muss ich bei der Beratung achten, was darf ich anbieten, wie sehen die gesetzlichen und regulatorischen Vorschriften im Domizilland des Kunden aus? Es geht nicht mehr nur darum, das Kundengeld optimal anzulegen. Die veränderten Rahmenbedingungen müssen mitberücksichtigt werden.

Was heisst das für die Beschäftigung, wo sind heute die Berufschancen am besten? - Alles, was mit Risikomanagement und mit Compliance, also mit juristischen Tätigkeiten, zu tun hat, wird weiter an Bedeutung gewinnen. Ebenso die Informatik. Das Automatisierungspotenzial, etwa in Backoffice-Bereichen, ist noch nicht ausgeschöpft.

Nach welchen Fähigkeiten verlangt das ­Risikomanagement? - Hier kommen vorab Mathematiker oder sogar Physiker zum Zug, da die Aufgabe eher technisch ist. Der Trend geht verstärkt in Richtung Modellierung, Risikokonzepte und Prozessintegration – alles komplexe Themen, bei denen wir erst am Anfang stehen. Informatik und IT-Kenntnisse spielen auch da eine wichtige Rolle.

Wonach verlangt die Compliance, die ­zuständig ist für die Regelkonformität im Unternehmen? - Von Vorteil ist sicher eine juristische Grundausbildung. Lassen Sie mich dazu noch etwas sagen: Die Compliance untersteht bei Banken häufig der Rechtsabteilung. Es wäre zu überlegen, ob sie nicht besser als eigenständige Einheit direkt der Geschäftsleitung zugeordnet sein müsste. Allfällige Interessenkonflikte könnten so vermieden werden.

Wenn wir all das hören: Ist die Bezeichnung Banker noch zeitgemäss? - Das kann man sich tatsächlich fragen. Als ich vor rund zwanzig Jahren in die Ver­mögensberatung einstieg, gab es den Allround-Berater, der von der Akquisition bis zur Titelauswahl so ziemlich alles machte. Inzwischen sind die Funktionen mehrfach getrennt, in die Kundenbetreuung, das Backoffice, die Produktion, das Portfolio Management, und an der Front selbst wird im Private Banking nochmals unterschieden zwischen Ländern und Kun­dengruppen. Unter der Weissgeldstrategie wird ein gewisses Geschäftsvolumen abwandern und Geld in die Ursprungsländer zurückfliessen. Das wird zu weiteren Veränderungen führen.

Sie meinen damit Abbau? - Rationalisierung ja, aber bei allen Massnahmen zur Effizienzsteigerung ist nicht zu unterschätzen, dass es auch an der Front, in der Kundenbindung, Verbesserungspotenzial gibt. Je härter die Konkurrenz, desto wichtiger ist eine gute Kundenbeziehung.

Wie würden Sie reagieren, wenn Ihre ­Kinder eine Banklaufbahn einschlagen möchten? - Ich würde ihnen nicht abraten. Junge Leute haben im Banken- und Finanz­sektor generell nach wie vor gute Chancen. Denn es gibt weiterhin gute Gründe, Geld in der Schweiz anzulegen. Kunden, die ihr Vermögen schützen wollen oder um die politische oder wirtschaftliche Stabilität ihres Landes fürchten, suchen immer einen sicheren Hafen.

Wozu raten Sie Einsteigern? - Sie sollten möglichst viele Bereiche kennenlernen und Erfahrungen sammeln, ­gerade an der Front. Ob der Kunde Know-how zu Steuer- und Kreditfragen braucht oder ob ihm bestimmte Vermögensverwaltungsprodukte nützen, muss man erkennen und wenn nötig Spezialisten beiziehen. Kunden wollen heute umfassend betreut werden.

Oft hört man, die Kultur in vielen Banken sei noch die gleiche wie vor der Finanzkrise. Nichts gelernt also? - Ich bezweifle, dass die Bankenkultur noch die gleiche ist. Ganz bestimmt hat die Transparenz zugenommen. Kosten werden vermehrt offengelegt und vergleichbar gemacht, sodass der Kunde nicht immer das Gefühl haben muss, er werde über den Tisch gezogen. Die Transparenz wird weiter zunehmen. Hingegen glaube ich nicht, dass die Dienstleistungen insgesamt billiger werden. Einzelne Kosten werden einfach verlagert.

Was können die Lehrinstitute beitragen, um Image und Transparenz – echte Transparenz – zu verbessern? - Die Frage der Transparenz ist Sache der Regulierung und der einzelnen Anbieter. Wir können nur auf heikle Punkte hinweisen. Was die Lehranstalten tun können und machen, ist, den Beratungsaspekt in den Vordergrund zu stellen, im Sinne von: vor allem beraten und dann verkaufen. Der Bonus des Beraters sollte nicht nur vom Umsatz abhängig sein. Statt kurz­fristige Anreize muss die langfristige Kundenzufriedenheit im Vordergrund stehen. Der Kunde ist heute durchaus bereit, für eine gute Beratung zu bezahlen. Neue zu gewinnen, ist teurer.

Wie weit ist Beratungskompetenz lernbar? - Wenn ich zurückschaue, so würde ich mir heute zusätzliche Kompetenz in Psychologie erwerben. Die klassischen Ausbildungsgänge sind sehr methodisch und auf Fachkompetenz ausgerichtet. Häufig fehlt es am Wissen: Wie tickt mein Gegenüber, wie kommen Anlageentscheide zustande? Der ganze Aspekt der Behavioural Finance kommt in Theorie und Praxis zu kurz. Die weichen Faktoren werden vernachlässigt. Man schaut auf die Produkte, wie kann ich sie verkaufen, welche Marge haben sie, wie ist ihr Zusammenspiel im Portefeuille. Die «Soft Factors» lernt man erst mit der Erfahrung kennen.

Produkte werden komplexer, die Spezialisierung schreitet voran. Wie soll der Berater all die wachsenden Ansprüche erfüllen? - Berechtigte Frage, und die Herausforderung wird noch dadurch erschwert, dass Banken nach den Erfahrungen in der Finanzkrise und auf Druck des Regulators die Risiken minimieren und jeder im ­Unternehmen das tun soll, worin er sich besonders gut auskennt. Dabei sollten gerade jüngere Mitarbeitende eine gewisse Gesamtsicht vermittelt bekommen.

Wie kommt man trotzdem dazu? - Learning on the Job ist noch immer das beste Rezept – für den Spezialisten und den Generalisten, indem das Personal laufend mit Schulungen an die neuen Herausforderungen herangeführt wird.

Hält das Lehrangebot mit der raschen ­Entwicklung im Finanzsektor auch Schritt? - Die Schulen in der Schweiz hinken nicht hinterher. Aber es ist Pflicht, das Angebot laufend zu überprüfen und allenfalls zu ergänzen. Bei der HWZ zum Beispiel ergänzen wir das klassische Banking-&-Finance-Programm mit Studien- und Lehrgängen, die sich konkret mit dem grenzüberschreitenden Bankgeschäft befassen. Es geht darum, die Mitarbeitenden für die neuen Anforderungen fit zu machen. Ab Frühjahr 2014 starten wir einen Zertifikatslehrgang speziell für den Zielmarkt Deutschland. Neu ist, dass Bankmitarbeiter in der Schweiz nicht mehr nur mit ihren Berufskollegen auf der anderen Strassenseite konkurrieren, sondern mit dem Ausland, mit Banken in Lörrach beispielsweise. Da ist gleiches Wissen notwendig.

Auch die Schulen spezialisieren sich? - Der Schwerpunkt bleibt die klassische Aus- und Weiterbildung auf den Stufen Bachelor, Master und Zertifikatskurse. Daneben wird es jedoch vermehrt kleinere, spezialisierte Lehrgänge geben, in denen, um bei der Kundenberatung zu bleiben, das Wissen spezifisch nach Zielmarkt geschult wird. Nicht flächen-, sondern zielmarktgerichtet, das ist der Trend.

Auch die Lehranstalten stehen unter ­kommerziellem Druck. Wie erkennen die Bildungsinstitute rechtzeitig die Bedürfnisse von Wirtschaft und Auszubildenden, und wie stellen sie sicher, dass sie nicht am Markt vorbeizielen? - Durch steten und engen Kontakt mit der Praxis. Beispielsweise trat eine Vereinigung der Privatbanken mit dem Wunsch an die Schulen heran, eine Cross-Border-Wealth-Management-Ausbildung zu schaffen, die nicht flächen-, sondern zielmarktgerichtet ist. Da stellt sich zunächst die Frage nach der Kapazität und dem Know-how. In Zürich würden wir uns nicht anmassen, die Schulung für Frankreich oder Italien zu machen. Rein geografisch liegt Deutschland schon näher, und der Zielmarkt Deutschland ist anspruchsvoll genug.

Wie viele Zielmärkte können von einer Schweizer Vermögensverwaltungsbank mittlerer Grösse noch bewältigt werden? - Banken gehen so weit, dass sie noch einen oder zwei Märkte pro Berater oder pro Team betreuen. Also nur Deutschland, vielleicht noch Benelux, wo die Verhältnisse ähnlich sind. Sonst werden die Anforderungen zu gross. Nicht selten geben Institute gewisse Märkte ganz auf, weil Kosten und Risiken im keinem Verhältnis mehr zum Ertrag stehen.

Ziehen die Arbeitgeber bei der zeitlichen und der finanziellen Unterstützung von ­Aus- und Weiterbildung mit? - Obwohl sie die Aus- und Weiterbildung begrüssen, ja oft sogar fordern, ist die Unterstützung für die Teilnahme an Lehrgängen zurückhaltender geworden, besonders zeitlich. Es kommt fast nicht mehr vor, dass Mitarbeitende zwei Jahre lang ­jeden Donnerstag oder Freitag die Schulbank drücken können. Heute werden möglichst hohe Präsenz und Einsatz im Geschäft verlangt, Lernen muss man in der Freizeit. Die klassischen ­Weiterbildungslehrgänge – Unterricht am Donnerstagnachmittag, Freitag und Samstag – haben es verhältnismässig schwer.

Welche Alternativen gibt es? - Es werden andere Konzepte genutzt, weniger Präsenzunterricht und mehr Blended Learning, also Selbststudium. Dafür sind nicht alle Studierenden geeignet. Aber mit etwas mehr Selbstdisziplin ist die Aufgabe in jedem Fall lösbar.

Es gibt in der Schweiz noch keine ­Zertifizierung für Vermögensberater. Wann wird die Lücke geschlossen? - Für institutionelle Kunden oder für Privatkundschaft mit grossen globalen Portefeuilles ist die fachliche Qualifikation mit den internationalen Fachausbildungen – Chartered Financial Analyst, Certified Financial Planner, Financial Risk Manager, Certified Public Accountant –, wie sie heute fast alle Berater besitzen, garantiert. Dass sich theoretisch jede Person in der Schweiz Vermögensberater nennen kann, wird und muss sich mit dem neuen Finanzdienstleistungsgesetz Fidleg ändern. Da wird es weniger um einzelne Produkte, sondern um die Informations- und Aufklärungspflicht gehen, was automatisch auch fachliche Kenntnisse voraussetzt.

Wie stellen Sie sich den Finanzplatz Schweiz in zehn Jahren vor? - Der Umbruch im Private Banking greift tief, von den Geschäftsmodellen über die -prozesse bis zur Ausbildung. Ich kann mir vorstellen, dass es in Zukunft die klassische Universalbank nicht mehr geben wird. Das Wir-machen-alles-Prinzip könnte der Spezialisierung zum global agierenden Wealth-Manager weichen und der Kosten- und Margendruck eine Konsolidierungswelle auslösen. Es könnte auch zu einer Loslösung vom Finanzmarkt Schweiz kommen, im Sinne von: Eine UBS ist zwar eine Schweizer Bank, aber erwirtschaftet immer mehr Ertrag im Ausland – wie Nestlé und Novartis, deren Heimmarkt im Verhältnis zum Gesamtumsatz sehr klein ist.

Aktien-Alert

Von ABB bis Züblin – erhalten Sie sofort eine E‑Mail, sobald ein neuer Artikel zum Unternehmen Ihrer Wahl erscheint.

Um diesen Service zu nutzen, müssen Sie sich einloggen oder registrieren.