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Wohin führt Chinas Kreditboom?

In China sind die Unternehmensschulden über die vergangenen Jahre exzessiv gewachsen. Das Problem muss dringend angegangen werden. Diese Warnung spricht der Internationale Währungsfonds (IWF) in einer neuen Studie aus.

Warum wird das Kreditwachstum als exzessiv bezeichnet? Der Währungsfonds erklärt: Mit den Krediten werden Investitionen finanziert, die immer weniger produktiv sind. So verschlechtert sich die Kreditqualität der chinesischen Unternehmen. Und dadurch sinkt die Qualität der Bankbilanzen.

Ein Zeichen dafür ist die Kreditintensität. Sie zeigt an, wie viel die neuen Schulden an zusätzlichem Wirtschaftswachstum bringen. Je höher die Intensität ist, desto mehr Verschuldung ist notwendig, um einen zusätzlichen Prozentpunkt Wachstum zu erreichen.

Wie schon in den Krisenländern Spanien (vor der Eurokrise) und Thailand (vor der Asienkrise) werden auch die Schulden in China immer weniger effizient eingesetzt.

Kreditkrise zu erwarten

Die Erfahrung anderer Länder zeigt: Nach hohem Kreditwachstum folgt eine «plötzliche Anpassung». Die IWF-Ökonomen erklären, es komme «zu einer Bankenkrise, einem deutlich niedrigeren Wachstum oder beidem». Die untenstehende Grafik zeigt einen scharfen Rückgang der Kredite in anderen Ländern, wenn die private Verschuldung zu schnell gegenüber dem langfristigen Trend gestiegen ist.

Die chinesischen Behörden haben das Problem zwar erkannt, doch sie «scheinen noch nach einer umfassenden Strategie zu suchen», schreibt der IWF. Der jetzige Fokus der Regierung, nur Kapazitäten in der Stahl- und der Kohleindustrie zu reduzieren und so die Effizienz zu erhöhen, reiche nicht aus.

Der Währungsfonds rät: - • Unternehmen mit Finanzproblemen sollten erkannt und restrukturiert werden; - • Banken sollten gezwungen werden, ihre notleidenden Kredite anzuerkennen; - • die Verluste auf Krediten müssten nach klaren Regeln verteilt werden – auf Banken, Unternehmen, Investoren und im Notfall auch auf den Staat; - • die Unternehmensführung, besonders bei den hoch verschuldeten Staatsunternehmen, müsste angepasst werden, damit keine neuen Verluste eingefahren werden; - • der Staat dürfte nicht mehr als Garant von Unternehmensschulden gesehen werden.

Besonders die Identifizierung der überschuldeten Unternehmen und der Abbau von Schulden tun not. Unternehmen in die Insolvenz zu schicken und zu restrukturieren, ist in China so gut wie unbekannt. Gemäss IWF-Zahlen gingen nur sehr wenige Firmen in Gläubigerschutz, und bei diesen wurde nur extrem selten zusammen mit den Gläubigern eine Lösung gefunden.

Würden die angemahnten Reformen umgesetzt, so die Hoffnung des IWF, könnte eine Krise vermieden werden. Die Kreditvergabe würde effizienter, das Wachstum könnte langfristig gehalten werden.

Die Ökonomen des Währungsfonds erklären: Die Kredite würden wieder mehr Wachstum bringen. Die Faktorproduktivität – wie effizient Arbeit und Kapital eingesetzt werden – würde steigen.

Doch kurzfristig müsse dafür schwächeres Wachstum in Kauf genommen werden – indem die jetzige Kreditvergabe eingeschränkt wird.

«Short-term pain for long-term gain» – kurzfristige Schmerzen für langfristige Vorteile –, mahnt der IWF die chinesische Regierung. Sie solle die Politik des stabilen Wachstums nicht zu jedem Preis aufrechterhalten.

Doch der Einschätzung des Währungsfonds wird in Peking wohl misstraut. Es ist schwer, den Versprechungen zu glauben, dass die chinesische Wirtschaft schnell zu einem stabilen Wachstumspfad zurückfindet. Zu viel Wachstum und zu viele Arbeitsplätze hängen an dem massiven Programm für Investitionen in die Infrastruktur und die Grossindustrie.

Eine Verschiebung hin zu einem konsumgestützten Wachstum wird die Lücke nach einem Krediteinbruch – wenn überhaupt – wohl erst nach vielen Jahren schliessen können.

Zögerlicher Schuldentausch

Die Regierung veröffentlicht immer wieder Pläne, die hohe Verschuldung anzugehen. Zwar ist nun der Tausch von Schulden in Eigenkapital – Debt for Equity Swaps – für staatseigene Unternehmen im Gange. Doch ob Investoren dieses Eigenkapital halten wollen, ist zweifelhaft. Und die Kreditvergabe ist trotz dieses Tauschprogramms ungebrochen hoch.

Das zeigt auch die zweite grosse Gruppe der Schuldenmacher neben den Unternehmen: die Lokalregierungen. Sie bauen die Infrastruktur aus – und halten damit das Wirtschaftswachstum auf hohem Niveau. Während die privaten Investitionen kaum noch wachsen, wurden die öffentlichen Investitionen hochgefahren.

Die Finanzierungsgesellschaften der Lokalregierungen nehmen dafür Kredite auf. Eigentlich wollte man die Finanzsituation dieser Gesellschaften unter Kontrolle bringen, indem man den Lokalregierungen erlaubte, teure Kredite durch günstigere Anleihen abzulösen.

Doch die Einnahmensituation ist schlecht. Zwar dürfen Städte und Provinzen neue Steuern erheben, doch ihre Ausgaben sind weitaus höher. Die Analysten der Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) erklären: «Die wachsende Anzahl von staatlich geführten Projekten – besonders in den Bereichen Infrastruktur und städtische Entwicklung – wird mehr Druck auf die Finanzierung der Lokalregierungen ausüben.»

Einnahmen und Ausgaben Lokalregierungen - Quelle: IWF

Besonders brisant: Tatsächlich wachsen die Steuereinnahmen der lokalen Regierungen nicht mehr. Als Einnahmequelle müssen sie sich mehr und mehr auf den Verkauf von Land verlassen. Er wächst zwar wieder – dank einem boomenden Immobilienmarkt. Doch wenn dieser einbricht, könnte die Finanzsituation noch prekärer werden.

Die S&P-Analysten sehen daher keine Änderung des Schuldenmodells und kommentieren: «Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück.» Und: «Die wachsenden Anleihenemissionen der Finanzierungsgesellschaften zeigen das Dilemma der Entscheidungsträger.» Die Lokalregierungen müssten das Wachstum hoch halten und gleichzeitig die Schulden im Griff behalten.

Am ungebremsten Kreditwachstum verdienen die Banken zwar noch. Doch die Risiken nehmen laut S&P zu. Dabei sind gerade die ineffizienten und hoch verschuldeten staatseigenen Betriebe beliebte Kreditkunden. Denn sie gelten wegen der Staatsgarantie als risikolos.

Neue Kredite werden vermehrt im Immobilienbereich und für Infrastruktur vergeben. S&P warnt vor den Auswirkungen, denn: «Wir sehen ein Risiko, dass der Immobilienmarkt in den nächsten zwei Jahren korrigiert.» Falls die Preise fallen, würden die Immobilienentwicklung und die Haushalte darunter leiden. Auch Unternehmensschuldner wären betroffen, die weniger Sicherheiten für neue Kredite hinterlegen können. Und die Lokalregierungen würden weniger für ihre Landverkäufe bekommen.

Solch ein Szenario wird besonders die Grossbanken betreffen. Sie weisen schon jetzt einen höheren Grad an notleidenden und problematischen Krediten aus. Auch wenn sie laut IWF damit die tatsächliche Qualität der vergebenen Kredite noch nicht richtig abbilden.

Wie der IWF warnt die Ratingagentur S&P vor dem jetzigen Kurs. Wird die Kreditvergabe nicht gebremst, schätzt S&P, dass der Anteil notleidender Kredite an der Kreditvergabe bis 2020 auf 17% steigen wird. Das Eigenkapital der Banken müsste dann um die riesige Summe von 1700 Mrd. $ aufgestockt werden.