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«Wir planen eine bessere Effizienz»

«Wir haben uns als Ziel gesetzt, die Marge jährlich um einen Prozentpunkt zu verbessern»: Jim Hagemann Snabe, Co-CEO des deutschen Softwarekonzerns SAP.

Seit im Februar 2010 das Duo Jim ­Hagemann Snabe und Bill McDermott die Leitung übernommen hat, scheint ein Ruck durch SAP zu gehen. Im Wettlauf mit dem US-Erzrivalen Oracle hat der deutsche Softwareriese Boden gutgemacht. Eine Reihe von Zukäufen und Produktinnovationen führte am Aktienmarkt zu einer Neueinschätzung und einigen Vorschusslorbeeren. Im Gespräch mit «Finanz und Wirtschaft» legt Co-CEO Jim ­Hagemann Snabe nun dar, wohin für SAP und die Branche die Reise noch führt.

Herr Hagemann Snabe, wird Software bald nur noch in der Datenwolke – in der Cloud – verkauft und benutzt werden? -

Keine Frage, es gibt einen Wandel in Richtung Cloud. Ob die ganze Softwarebranche darin aufgehen wird, ist Definitionssache. Für uns bietet die Cloud eine Möglichkeit zur Vereinfachung. Bisher hat unsere Software komplexe Geschäfts­probleme gelöst. Die Installation kann aber manchmal sehr kompliziert sein. Die Cloud hilft, diese Komplexität zu beseitigen, weil die Implementierung bei uns stattfindet und nicht beim Kunden. Das bringt eine Vereinfachung und Kostenersparnis, aber auch eine viel stärkere Standardisierung – eine Differenzierung ist für den Kunden damit kaum möglich.

Die Cloud kann also gar nicht alle ­Bedürfnisse abdecken? - Auch in Zukunft wird es zwei verschiedene Bereiche für Software geben. Zum einen die Software für Prozesse, die punkto Wettbewerbsfähigkeit nicht entscheidend sind. Ich glaube aber auch, die Kunden wollen weiterhin bei sich selbst installierte Softwarelösungen haben – dort, wo es um ihre Kernprozesse geht, die für den Unternehmenserfolg entscheidend sind. Die technologische Weiterentwicklung hilft ihnen, neue Geschäftsmodelle zu schaffen und sich viel stärker zu differenzieren. Es dürfte eine Koexistenz von Software in der Cloud und von klassischer Software geben. Natürlich könnte alles in die Cloud wandern, dann gäbe es eben dort zwei ­Bereiche: den öffentlichen, standardisierten und den privaten, wo der Kunde eigene, spezifische Software nutzt.

Welche Rolle spielen Plattformen, wo Ihre Kunden eigene Lösungen entwickeln? -

Wenn es um Differenzierung geht, werden unsere Kunden auch Eigenentwicklungen betreiben. Nur sollte dieser Bereich nicht zu umfassend werden, denn dann wird es schwierig, Geschwindigkeit und Effizienz im System hoch zu halten. Deshalb bieten wir mehrere Modelle an. Wir versuchen, den Kunden sehr früh in die Entwicklung von Standardsoftware einzubeziehen. Dadurch können wir sehr viele neue Ideen mit den Kunden diskutieren. Aber wir bieten auch sogenannte Plattformen an, wo der Kunde mit relativ wenig Aufwand neue Oberflächen bauen und für seine Daten und Prozesse neue Kombinationsmöglichkeiten einrichten kann.

Was hat dies für SAP selbst für Folgen? - Wir haben bisher ein Geschäftsmodell, in dem sehr viele Menschen, sehr viele Experten involviert sind. Wir versuchen, die Anforderungen unserer Kunden zu ver­stehen, und bieten dafür Lösungen. Ich glaube, wir sehen heute eine neue Welt. Die Anforderungen unserer rund 200 000 Kunden aus 24 Branchen sind uns oft schon bekannt – wir kennen bereits sehr viele Erfolgsmethoden. Diese können wir schon vorab in unsere Software einbauen. Der Lieferprozess lässt sich vereinfachen, indem der Kunde nur noch die Änderungen vornehmen muss, die für ihn passen.

Es geht also vor allem um Tempo? -

Wir brauchen nicht mehr neun bis zwölf Monate für eine Implementierung, sondern nur noch wenige Wochen. Wir wollen künftig auch viel mehr ins Volumengeschäft vorstossen und nicht nur im High-Value-Geschäft unterwegs sein. Erst dadurch erhalten auch kleine Kunden eine Möglichkeit, die Kompetenz und die Erfolgsmethoden der grossen globalen Unternehmen bei sich einzuführen.

Wenn das Volumengeschäft profitabel sein soll, muss SAP sehr kosteneffizient sein? - Ja, wir versuchen, Wege der Automatisierung zu finden – wie beispielsweise über das sogenannte No-Touch-Modell. Mit unseren Mobilanwendungen können wir wie in einem App Store auf dem Smartphone arbeiten. Der Kunde geht über sein Mobilfunkgerät in den SAP Store hinein, der ausschliesslich SAP-Produkte und validierte Lösungen von Partnern anbietet. Dort kann der Kunde Software nicht nur ausprobieren und kaufen, sondern auch selbst installieren und implementieren, in ganz einfachen Prozessen und ohne viel Aufwand.

Jetzt gibt es unter den Partnern von SAP – im SAP-Ökosystem – Sorgen, dass Trends wie diese sie überflüssig machen könnten. - Ein heute wertvoller Service kann morgen auf anderen Wegen lieferbar sein. Die Softwarebranche ist in stetiger Veränderung, und nun gibt es eine Beschleunigung, weil wir drei neue Technologien zur Verfügung haben – die Echtzeitdatenanalyse auf Basis des In Memory Computing, die Cloud-Lösungen und die mobilen Angebote. Deshalb müssen sich auch Servicepartner ständig erneuern. Für sie findet eine Differenzierung weniger über die Installation der Software statt. Wir können das oft schneller und billiger machen. Dafür stellt sich die Frage, wie die Partner für den Kunden Mehrwert schaffen können, etwa durch eine direkte Ansprache. Dort, würde ich behaupten, ist der Mehrwert viel grösser und gibt es Wachstumsmöglichkeiten.

Nun hat SAP mit SuccessFactors und Ariba im Cloud-Geschäft zwei grosse Fische geschnappt – wie geht es da weiter? - Für die Zusammenarbeit haben wir klare Pläne. SuccessFactors ist das am schnellsten wachsende Cloud-Unternehmen im Markt. Unser Geschäftsmodell sieht vor, dass dieses Geschäft als Teil der SAP-Familie noch schneller wachsen kann. Das haben wir im ersten Halbjahr bereits gesehen. Und mit der Ariba-Integration beginnen wir, sobald die Transaktion abgeschlossen ist. Aber nicht im klassischen Sinn, wo der Käufer das Kaufobjekt integriert, sondern eher umgekehrt. Ariba hat ein ganz anderes Geschäftsmodell als SAP. Es bedient die Netzwerke zwischen den Unternehmen und nicht nur die Software in einem Unternehmen. Wir sehen, wie wertvoll Netzwerke zwischen Menschen sind. Indem wir Unternehmen mitein­ander verknüpfen, können wir noch viel höheren Mehrwert schaffen. Die Kombination und Integration von SAP- und Nicht-SAP-Systemen via Ariba ist für uns und für unsere Kunden von grossem Mehrwert. So wollen wir Ariba als Teil der SAP-Familie eher selbständig führen. Es ist sinnvoll, unter einem Dach bestimmte Geschäftsmodelle getrennt zu führen, um anderes Denken zu ermöglichen.

Gibt es hier nicht Konflikte? Wie schaffen Sie es, unterschiedliche Kulturen unter einem Dach produktiv zu vereinen? - Das ist ein sehr wichtiges Thema: Wie verändert man in einem Unternehmen, das sehr erfolgreich ist, die Kultur? Es ist klar, wir haben mit den neuen Anwendungen, mit Cloud Computing, sehr grosse Möglichkeiten, aber auch ganz andere Geschwindigkeiten als im traditionellen Enterprise-Resources-Geschäft. Ich glaube, die Kunden wollen sich nicht ständig mit Änderungen in ihrem ERP-System auseinandersetzen, aber sie wollen neue Technologien nutzen. Daher brauchen wir eine Kombination aus Geschwindigkeit und Flexibilität, verbunden mit der Qualität, Zuverlässigkeit und Sicherheit der traditionellen SAP. Das ist sehr wichtig, gerade weil wir jetzt in den Bereich mobiler Geräte vorstossen. Wir machen kein Spielzeug, sondern unternehmenskritische Geschäftssoftware. Indem wir von den Unternehmen, die wir kaufen, auch lernen, schaffen wir beides – das ist unser Ziel.

Muss SAP diesen Prozess auch durchlaufen, weil sich das Marktumfeld verändert? - Ja, in den letzten zehn Quartalen haben wir einen strukturierten, gezielten Veränderungsprozess von SAP vorangetrieben, um mehr Fokus auf den Kunden zu haben und schneller liefern zu können. Auch die Benutzeroberfläche wird ein sehr wichtiger Teil unserer Lösungen werden. Wir sind jetzt in unseren Entwicklungsprozessen im Schnitt vier Monate schneller und haben 40% mehr Projekte als 2010.

Was hat das für Auswirkungen auf Ihre Forschungs- und Entwicklungsausgaben? - F&E ist ein sehr wichtiger Teil unserer Strategie. Mindestens zwei Drittel des Wachstums sollen organisch aus der eigenen Innovationskraft kommen, dazu ein Drittel aus Zukäufen, wenn sie Sinn machen, um schneller zu werden. So sind wir rascher im Markt und gewinnen Markt­anteile. Wir sehen dadurch ein Wachstum der Kosten, aber im Vergleich zum Umsatz werden wir effizienter.

Ihr Finanzchef hatte im Frühjahr gesagt, SAP müsse auf die Kostenbremse treten. - Seine Aussage war eher, man solle das Wachstum verlangsamen. Wir haben uns für 2012 entschieden, Aufwendungen eher früh zu verbuchen, um das Gesamtjahr als Spielraum zu haben. Das heisst, dass wir im zweiten Halbjahr nicht so schnell mit den Kosten nach oben gehen werden.

Mit dem Kauf von SuccessFactors ist die operative Marge im ersten Halbjahr auf 27,6% gefallen. Ist der Tiefpunkt erreicht? - Wir haben gesagt, dieses Jahr operativ ein Ergebnis zwischen 5,05 und 5,25 Mrd. € zu erwirtschaften. Wir werden das erreichen, obwohl SuccessFactors dazu noch nichts beisteuert. Durch Synergien auf Umsatzebene gibt es eine operative Verbesserung – in absoluten Zahlen wird das Ergebnis ähnlich dem sein, was geplant wurde.

2013 wird die Marge wieder steigen? - Wir planen eine systematische Effizienzverbesserung über alle Bereiche hinweg und haben uns als Ziel gesetzt, die Marge jährlich um einen Prozentpunkt zu verbessern. Wir halten daran fest, bis 2015 eine Marge von 35% zu erreichen – auch unter Einbezug der Akquisitionen. Unser Geschäftsmodell ist skalierbar, wir sind führend im Markt. Gleichzeitig wollen wir für den langfristigen Erfolg in Innovationen investieren.

SAP ist stark in Europa verankert – ist das vor dem Hintergrund der Schuldenkrise derzeit eher von Nachteil? - Wir verfolgen die Entwicklung aufmerksam. Die Unsicherheit in Europa wird ­länger dauern, aber unsere Software ist entscheidend, wenn es darum geht, wie Europa innovativer und produktiver werden kann. In unsicheren Zeiten wollen Unternehmen akkurat wirtschaften. Dazu brauchen sie konsistente IT-Kernsysteme, die in Echtzeit funktionieren. In gewissem Sinne sind wir da eine Antwort. Die Finanzdienstleister etwa sind für uns der derzeit erfolgreichste Bereich, weil Banken eine Echtzeitanalyse wünschen, um ihre Risiken besser im Griff zu behalten. Da ist Technologie die Antwort. SAP selbst weist trotz Krisenstimmung ein prozentual zweistelliges Wachstum vor und hat bisher keine negativen Konsequenzen gesehen. Mit unserer starken Pipeline wollen wir weiter Marktanteile gewinnen.

Führt die Schuldenkrise nicht auch zu Kürzungen in den IT-Budgets? - Die IT-Budgets werden eher stabil sein oder kleine Wachstumsraten aufweisen. Aber wir sehen einen Wandel in der Budgetaufteilung. Infrastruktur- und teilweise auch Servicekosten werden sinken. Im Vergleich wird die Software zu etwas Wertvollerem, da sie insgesamt Einsparungen ermöglicht. Das ist ein wichtiger Grund für unser Wachstum etwa in Deutschland und der Schweiz: Die Kunden fragen sich, warum sie verschiedene ERP-Systeme haben, die langsam sind und zu viel kosten. Es kommt nun zur Konsolidierung auf dem Markt, und wir können eine konsistente Lösung anbieten.

Für die Echtzeitanalyselösung Hana ­erwarten Sie 320 Mio. € Umsatz für 2012. Etliche Analysten sind da optimistischer. - Mit Hana haben wir einen signifikanten Durchbruch geschafft, was in einer Welt, in der sich die Datenmenge alle achtzehn Monate verdoppelt, sehr wichtig ist. Hana ist nicht nur eine Lösung, sondern die Architektur der Zukunft. Wir erhalten sehr positives Feedback. Im zweiten Quartal prognostizierten wir eine Umsatzverdoppelung gegenüber 2011. Ich würde mich freuen, wenn dies noch mehr wäre, aber wir achten darauf, dass wir alle Kunden zufriedenstellen.

Gibt es regionale Unterschiede im ­Kundenverhalten, und wo kommt das grösste Wachstum her? - Es gibt sehr grosse regionale Differenzen. In China ist die Cloud bisher nicht so gut angekommen, in der Schweiz – auch im Vergleich zu Deutschland – und in den USA sind viele Kunden schneller. Gerade im Personalmanagement mit SuccessFactors sehen wir sehr grosses Wachstum. In reifen Märkten sehen wir zudem eher eine stabile Entwicklung. Es gibt aber auch Länder, in denen es noch kaum standardisierte Software gibt, da bestehen Möglichkeiten wie in den Achtzigerjahren in den USA und Europa. Diese Märkte machen direkt den Sprung in die neue Zeit.

Das Ziel, bis 2015 mit Cloud-Lösungen 2 Mrd. € zu erwirtschaften, gilt weiter? - Ja, wir haben eine sehr breite Palette, wie das vor zwei Jahren nicht der Fall war. Wir können kleine Unternehmen mit einer Gesamtlösung oder grosse Unternehmen mit gezielten Lösungen unterstützen. Nur müssen wir jetzt im Markt noch stärker vorankommen, weil noch zu wenig bekannt ist, was wir alles anbieten.

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