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Der Gründer der Bank of England

Geldpolitik ist Weltpolitik, und die Bank of England ist die älteste Notenbank. Gegründet hat sie William Paterson, Herumtreiber, Abenteurer, Geschäftsmann und Autor. Er muss ein kluger Kopf und überzeugender Verkäufer seiner Ideen gewesen sein. Eine davon war seinerzeit, der englischen Regierung verlässlichen Zugang zu Kredit zu verschaffen. Der König brauchte Geld für die andauernden Kriege und war nicht in der Lage, die benötigte Summe zu etwa marktüblichen 8% Zins aufzunehmen.

Paterson entwarf 1691 das Modell einer Aktiengesellschaft: Aus deren Kapital kann die Regierung zu günstigen Konditionen Kredit beziehen; der Zinsertrag wird teils ausgeschüttet, teils zur Stärkung der Bilanz einbehalten. Drei Jahre und einige Überarbeitungen später passierte ein Plan, verfasst von Paterson, dem Kaufmann Michael Godfrey und Finanzminister Charles Montagu, das Unterhaus.

Bestimmte Steuereinnahmen wurden einmalig einem Fonds zugeleitet, der zur Gründung der neuen Bank diente. Daraufhin wurden mit Erfolg Aktien emittiert. Die wichtigste Aufgabe der Bank of England (BoE) war es eben, der Regierung Geld zu leihen; im Gegenzug wurden der Bank Privilegien gewährt: Sie war die einzige Gesellschaft mit beschränkter Haftung, und sie erhielt das Recht, Banknoten herauszugeben. Paterson wurde Mitglied des 24-köpfigen Verwaltungsrats des Instituts, das am 27. Juli 1694 gegründet wurde. Schon ein gutes halbes Jahr später überwarf er sich mit seinen Kollegen und verliess das Gremium.

Im Verlauf des 18. und 19. Jahrhunderts erhielt die Bank of England Schritt für Schritt zusätzliche Aufgaben, die aus ihr eine Notenbank im modernen Verständnis machten: die Aufsicht über die Währung und die Funktion als Lender of Last Resort für illiquide Geschäftsbanken. Obwohl ursprünglich als private Gesellschaft eingerichtet, wurde die BoE mit der Zeit als staatliche Institution wahrgenommen, die für die Gesundheit des Finanzsystems sorgt.

Die «Old Lady of Threadneedle Street» ist erst seit 1946 staatlich; damals wurden die letzten Erben der Gründer ausgekauft. Aus einer Investition von 100 £ anno 1694 wären, mit steter Reinvestition der Dividenden und ohne Steuern, 42 Mio. £ geworden. Heute ist die BoE, wie alle grossen Notenbanken, mächtiger, als ihr lieb ist. Das Wort der Zentralbanker wiegt mehr als dasjenige von Präsidenten, Premiers und erst recht von klammen Finanzministern.

Paterson konnte nicht ahnen, dass aus seinem Projekt eine bedeutende Zentralbank entstehen würde und obendrein ein wesentlicher Baustein der City, des global führenden Finanzplatzes London. Ohnehin entsprachen dröge Bankratssitzungen seinem Entrepreneur-Temperament weniger als ein weiteres Abenteuer: die Gründung einer schottischen Kolonie in Mittelamerika. 1695 nahm das Parlament in Edinburgh ein Gesetz an über die Gründung der Company of Scotland Trading to Africa and the Indies. Sie erhielt eine Charter, nach dem Vorbild der englischen Handelsgesellschaften, und sollte zunächst auf der Landenge von Panama, auf vermeintlich herrenlosem Territorium, einen Handelsposten errichten.

Paterson empfahl sich wegen seiner Kenntnisse der Gegend: Er stammte zwar aus Schottland, war jedoch in England aufgewachsen, dann in die nordamerikanischen Kolonien gezogen (seine erste Ehefrau, eine Dame aus Boston, war bald verstorben), schliesslich über die Bahamas nach Zentralamerika gelangt. Erst nach 1680 kehrte Paterson nach Britannien zurück und machte in London als Tuchhändler ein Vermögen. An der Lombard Street, dem Finanzzentrum, fiel er mit innovativen Geschäftsideen auf: ein früher Venture Capitalist sozusagen.

Ende 1698 landete zwar tatsächlich eine schottische Flotte am Zielort an der karibischen Küste, und New Caledonia wurde ausgerufen, doch danach lief nichts mehr nach Plan, das Vorhaben, auch bekannt als «Darien Scheme», endete im Desaster. Bereits im Frühling darauf mussten die Überlebenden den Rückweg antreten; Patersons zweite Frau und ihr gemeinsamer Sohn waren bereits tot, so wie über tausend weitere Kolonisten auch. Krankheiten, Hunger und spanische Belagerung forderten ihren Tribut. Nur wenige Überlebende fanden nach Hause.

Patersons Fehlschlag war fatal für die schottischen Investoren. Nicht zuletzt deswegen sah sich das Edinburgher Parlament veranlasst, 1707 endgültig in die Union mit England einzuwilligen (die monarchische Personalunion bestand schon zuvor); London überwies im Gegenzug Geld, um die Eigner der Company of Scotland zu entschädigen. Paterson hatte nicht nur die Bank of England gegründet, sondern nolens volens das Vereinigte Königreich obendrein. Er starb denn auch, passend, ausgerechnet in Westminster.