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Wider die Politisierung des Geldes

Die globale Finanz- und Wirtschaftskrise vor zehn Jahren muss für die späteren Initianten des Vollgeld-Volksbegehrens eine Art Erweckungserlebnis gewesen sein. Kurz darauf gründeten sie den Verein «Monetäre Modernisierung», der später die Initiative lancierte. Seither wird das Kernanliegen der Initiative, das Verbot der Geldschöpfung durch die Geschäftsbanken, mit bisweilen missionarischem Eifer vertreten und ein konstantes «Banken-Bashing» betrieben.

Dabei wird, ob bewusst oder nicht, fälschlicherweise der Eindruck erweckt, die Geldschöpfung durch die Banken sei ein neues Phänomen, an dem sich die Banken schamlos bereichern würden. Dem ist jedoch nicht so. Dieser Mechanismus ist sehr alt und er wird jedem Studenten der Ökonomie in den ersten Semestern näher gebracht.ie globale Finanz- und Wirtschaftskrise vor zehn Jahren muss für die späteren Initianten des Vollgeld-Volksbegehrens eine Art Erweckungserlebnis gewesen sein. Kurz darauf gründeten sie den Verein «Monetäre Modernisierung», der später die Initiative lancierte. Seither wird das Kernanliegen der Initiative, das Verbot der Geldschöpfung durch die Geschäftsbanken, mit bisweilen missionarischem Eifer vertreten und ein konstantes «Banken-Bashing» betrieben.

Die Initiative, über die am 10. Juni abgestimmt wird, will den Banken verbieten, mit den Sichtguthaben von Kunden zu arbeiten, das heisst diese zur Kreditgewährung zu verwenden. Alle Sichtguthaben sollten gemäss der Initiative aus den Bankbilanzen ausgelagert werden. Auch Buchgeld dürfte nur noch durch die Nationalbank geschaffen werden. Die Kreditgewährung wäre demnach durch die Nationalbank sicherzustellen, die gemäss Bedarf Geld schaffen – und verschenken soll.

Die Initiative macht, zumindest implizit, die Geldschöpfung der Geschäftsbanken verantwortlich für die Finanzkrise vor zehn Jahren. Sie hat denn auch den Anspruch, derartige Krisen künftig zu verhindern.

Falsche Diagnose – falsche Therapie

Nur ist diese Diagnose falsch. Die Finanzkrise wurde zentral durch zwei Faktoren ausgelöst: Zunächst durch die extrem grosszügige Geldpolitik vorab der US-Notenbank. Die Banken hatten ihren Anteil an der Entstehung der Krise über die Verbriefung von Subprime-Hypotheken zu vermeintlich sicheren, werthaltigen und risikofreien Wertpapieren. Diese wurden weltweit verkauft und vergifteten dann in der Krise die Bankbilanzen. Die Geldschöpfung durch die Geschäftsbanken war für die Entstehung der Krise nicht relevant.

Die falsche Diagnose führt denn auch zur falschen Therapie, eben dem Verbot der Geldschöpfung. Das wird auch dadurch verdeutlicht, dass die heutige Schwemme von Geld auf den Märkten nicht durch die Geldschöpfung der Geschäftsbanken verursacht wurde. Sie ist alleine auf die im Zuge der Krisenbekämpfung extrem expansive Geldpolitik der Notenbanken zurückzuführen. Sie waren – auch zehn Jahre nach der Krise – bisher nicht willens oder fähig, diese Liquidität wieder abzuschöpfen und damit die Zinsen zu normalisieren.

Die Initianten werfen den Banken vor, sie würden sich über die Geldschöpfung schamlos bereichern und aus dem Nichts «leeres» Geld schaffen. Darum verlangen sie, dass nur noch die Nationalbank Geld schaffen dürfe und dieses «schuldfrei» in Verkehr bringen soll. Das heisst nichts anderes, als dass sie das Geld verschenken soll. Dadurch würden gesamtwirtschaftliche Werte geschaffen, behaupten die Initianten.

Das ist eine groteske Verdrehung der Realität. Mit der Geldschöpfung durch die Banken wird eben gerade nicht Geld aus dem Nichts geschöpft. Eine Bank kann einen Kredit nur auf Antrag für einen bestimmten Zweck vergeben. Jedem Kredit steht ein realer Wert gegenüber: ein Haus, ein Auto, eine Maschine oder Ähnliches.

Wenn die Nationalbank umgekehrt «schuldfrei» Geld schafft, es also an die öffentliche Hand oder Private verschenkt, wird kein Wert geschaffen. Das Geld ist nicht nur schuldfrei, es ist auch wertfrei. Es liegt auf der Hand, dass eine derartige Schaffung von Geld sehr rasch inflationär wirken muss.

Abgesehen von diesem grundsätzlichen Einwand stellt sich die Frage, ob die Kreditgewährung an die Wirtschaft im Vollgeld-System gewährleistet wäre. Grundsätzlich ja, aber sie würde massiv erschwert und verteuert. Da die Banken die Sichtguthaben nicht mehr zur Kreditgewährung verwenden dürften, wäre ihr Spielraum deutlich eingeschränkt.

Das haben auch die Initianten erkannt. Sie verweisen darauf, dass die Nationalbank entsprechend dem Bedarf neues Geld schaffen und dieses in Umlauf bringen müsse. Das wiederum impliziert, dass die Nationalbank genau weiss, wie viel Kredit die Wirtschaft als Ganzes benötigt. Von wo sie dieses Wissen allerdings haben soll, bleibt schleierhaft.

Im heutigen System können die Banken flexibel und nach Bedarf Kredite an die Wirtschaft vergeben. Das ist die grosse gesamtwirtschaftliche Bedeutung der dezentralen Geldschöpfung: Sie führt zu einer Kreditversorgung gemäss den Bedürfnissen der Wirtschaft – ohne dass jemand im Voraus eine genaue Prognose erstellen muss, die dann ohnehin nicht zutrifft. Die Banken sind nahe an ihren Kunden und kennen deren Bedürfnisse. Die Notenbanken haben dieses Wissen nicht – und können es auch nicht haben.

Offen ist auch die Frage, wie die Milliardenbeträge durch die Nationalbank verteilt werden sollten. Die Initianten sehen zu Beginn einen Betrag von 300 Mrd. Fr., der zu verteilen wäre. Zudem stellen sie in Aussicht, dass die Nationalbank jährlich weitere von 5 bis 10 Mrd. Fr. zu verteilen habe.

Profitieren sollen zunächst die öffentlichen Haushalte. Nur: Ihre Finanzierung über die Notenpresse bzw. die Nationalbank ist heute verboten. Zudem sollen die Einzelnen vom Geldregen profitieren. Da sind heftige Verteilkämpfe programmiert. Sollen die Mittel für die Altersvorsorge eingesetzt werden? Sollen Infrastrukturen finanziert werden oder die Aus- und Weiterbildung? Soll das Geld direkt in die Taschen von Bedürftigen fliessen – und wer ist bedürftig? Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen.

Begehrlichkeiten werden provoziert

Die Politik wird nicht verlegen sein, Ideen zu gebären, Begehrlichkeiten werden geradezu provoziert. Der politische Druck auf die Notenbank wird immens, möglichst vielen Wünschen gerecht zu werden. Damit wird die Nationalbank zwar an Einfluss gewinnen – und vollends zum Spielball der Politik.

Sie selbst wehrt sich gegen die Initiative. Sie weiss, dass sie mit der neuen Rolle im Kreditgeschäft sowie der Geldverteilung überfordert wäre. Sie hat das nötige Know-how nicht und sie masst sich dieses Wissen auch nicht an. Überdies realisiert sie, dass ihre Unabhängigkeit dahin wäre, eine auf Geldwertstabilität ausgerichtete Politik wäre im System des Vollgeldes faktisch nicht mehr möglich.

Derartige Gedanken sind den Initianten offenbar fremd. Ebenso fragen sie sich nicht, warum denn keine politische Partei und kein bedeutender Verband der Wirtschaft ihr Anliegen unterstützt. Wenn die versprochenen Wunder realistisch wären, müssten die Parteien und Verbände doch auf den Zug aufspringen – tun sie aber nicht.

Mit der Vollgeld-Initiative würde eine weitere Machtverschiebung hin zu staatlichen Organen stattfinden. Es erstaunt denn auch nicht, dass die Initianten dem Bund die Kompetenz geben wollen, in der Versorgung der Wirtschaft mit Geld- und Finanzdienstleistungen «vom Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit» abzuweichen. Die unliberale Staatsgläubigkeit der Initiative wird nicht einmal kaschiert.

Der Vorstoss will ein gut funktionierendes Geldsystem ohne jede Not auf den Kopf stellen. Der Wechsel zu einem Vollgeld-System bringt enorme, kaum abschätzbare Risiken mit sich. Es gibt weltweit kein auch nur ansatzweise ähnliches System, das funktioniert. Die versprochenen Wunder werden nicht eintreten, die Krisensicherheit des Systems wird nicht erhöht. Ein Zusatznutzen des Systemwechsels ist nicht zu identifizieren. Der Schaden allerdings könnte enorm werden. Auf dieses Experiment mit irreversiblen Folgen ist zu verzichten und die Initiative abzulehnen.