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Werft den US-Protektionismus über Bord

Wenn man etwas 99 Jahre lang versucht hat, und die Lage verschlechtert sich immer mehr, ist es Zeit, etwas Neues zu probieren. Der Kongress der Vereinigten Staaten verabschiedete 1920 ein Gesetz für die Handelsmarine (Merchant Marine Act, auch als Jones Act bekannt), um die amerikanische Schifffahrtsindustrie zu schützen und die nationale Sicherheit zu stärken. Aber das Gesetz hat die Industrie fast völlig zerstört und den amerikanischen Unternehmen, den Konsumenten und der Umwelt erhebliche Kosten aufgebürdet. Daher muss es versenkt werden.

Der Jones Act fordert, dass alle Waren, die zwischen amerikanischen Häfen transportiert werden, mit Schiffen befördert werden, die unter US-Flagge fahren, deren wichtigste Teile in den USA hergestellt werden und die vollständig in Amerika zusammengebaut werden müssen.

Diese Schiffe müssen sich zu mindestens 75% in US-Eigentum befinden, und ihre Besatzung muss zu 75% aus Amerikanern bestehen. Und wenn ein solches Schiff unter US-Flagge in Übersee repariert werden muss, erheben die USA 50% Steuern auf die Reparaturkosten.

Restriktivstes Gesetz

Der Warentransport zwischen zwei Häfen desselben Landes wird Kabotage genannt. Das Weltwirtschaftsforum bezeichnet den Jones Act als das weltweit restriktivste Kabotagegesetz, und die OECD sieht die USA bei der Strenge ihrer Schifffahrtsregeln hinter China und Indonesien an dritter Stelle.

Die Anforderungen des Jones Act sind schon seit langem eine protektionistische Belastung für die US-Wirtschaft und schaden zunehmend der nationalen Sicherheit – wie Colin Grabow, Inu Manak und Daniel Ikenson vom Cato Institute letztes Jahr in einer wichtigen Studie gezeigt haben. (Dieser Kommentar bezieht sich weitgehend auf ihre Arbeit.)

Nehmen wir die nationale Sicherheit: Seit 2000 ist die Anzahl der US-Schiffe über 1000 Tonnen, die mit dem Jones Act übereinstimmen, von 193 auf 99 gesunken. Als das US-Militär 2002/03 Material an den Persischen Golf schickte, transportierten amerikanische Handelsschiffe lediglich 6,3% der Gesamtmenge, und auf Schiffe unter ausländischer Flagge entfielen weitere 16%. Der Rest wurde vom US-Militär selbst verschifft.

Ausserdem sind der Bau und der Betrieb von Schiffen in den USA extrem teuer geworden. Küstencontainerschiffe aus amerikanischer Produktion kosten schätzungsweise zwischen 190 und 250 Mio. $ pro Stück – entsprechende ausländische Modelle nur etwa 30 Mio. Und da die der Jones-Richtlinie entsprechenden Schiffe so teuer sind, werden sie von ihren Eigentümern nicht ausgetauscht.

Die wirtschaftlich sinnvolle Lebensdauer eines Schiffs beträgt nach allgemeiner Einschätzung etwa zwanzig Jahre, aber über 65% der Jones-Flotte sind über dreissig Jahre alt – was sie ineffizient oder gar gefährlich macht. Und während in Amerika von 2014 bis 2016 weniger als 1 Mio. Bruttoregistertonnen an Schiffskapazität hergestellt wurde, waren es in Südkorea und China zusammen 140 Mio.

Gemäss manchen Schätzungen sind die täglichen Betriebskosten der Schiffe unter US-Flagge fast dreimal so hoch wie diejenigen ausländischer Schiffe. Berichten zufolge sind die Mannschaftskosten amerikanischer Schiffe fünfmal höher. Will man Rohöl von der Golfküste in den Nordosten der USA in einem der Jones-Richtlinie entsprechenden Schiff transportieren, kostet dies 5 bis 6 $ pro Barrel. Für den Transport von der Golfküste nach Ostkanada in einem ausländischen Schiff sind es nur 2 $.

Wegen der hohen Transportkosten entlang der US-Küste und über die grossen Seen hat sich das Volumen amerikanischer Güter entlang dieser Routen seit 1960 etwa halbiert. Gleichzeitig hat der US-Güterverkehr auf der Schiene um 50%  zugenommen, die Langstreckentransporte per Lastwagen um über 200%. Nur 2% der US-Inlandtransporte finden auf dem Wasser statt, in Europa sind es 40%.

Ohne den Jones Act könnten viele Güter innerhalb der USA auf dem Wasser günstiger transportiert werden als auf dem Land. Bezeichnenderweise hat der US-Güterverkehr auf dem Wasser von und nach Kanada und Mexiko, der dieser Richtlinie nicht unterliegt, seit 1960 um 300% zugenommen.

Indem er die Transporte der US-Unternehmen aufs Land drängt, erhöht der Jones Act die Kosten für Unternehmen und Konsumenten. Zudem führt er zu mehr Staus auf den Autobahnen. Darüber hinaus emittieren Lastwagen-, Schienen- und Lufttransporte bis zu 145mal mehr Kohlendioxid als Transportschiffe.

Das Gesetz hat noch weitere negative Effekte. Puerto Rico, das vom Rest der USA über Land nicht zu erreichen ist, zahlt einen besonders hohen Preis, da die Insel nur von einer Handvoll den Jones-Richtlinien entsprechenden Schiffen regelmässig angelaufen wird. Während die benachbarte Dominikanische Republik Öl aus den USA kauft, ist es für Puerto Rico billiger, es aus Venezuela und anderen Ländern zu beziehen (obwohl das US-Öl selbst günstiger ist). Als die Insel 2017 durch den Hurrikan «Maria» verwüstet wurde, setzte US-Präsident Donald Trump den Jones Act lediglich für zehn Tage aus – nicht lang genug für ausländische Schiffe, um nötige Hilfsgüter zu bringen.

Unnötige Umweltschäden

Dass Puerto Rico sowie andere US-Gebiete und Bundesstaaten höhere Transportkosten zahlen müssen, erfüllt keinen sinnvollen Zweck und diskriminiert lediglich US-Bürger. Angesichts dessen, dass US-Häfen täglich von ausländischen Schiffen und Mannschaften angelaufen werden, kann man kaum argumentieren, die Seeleute müssten aufgrund der nationalen Sicherheit Amerikaner sein. Und da die erhöhten CO2-Emissionen zu teuren und unnötigen Schäden führen, sollten auch Umweltschützer protestieren.

Nachdem der Jones Act in den letzten 99 Jahren die US-Handelsschifffahrt zerstört hat, muss er jetzt ausser Kraft gesetzt werden. Schiffe sollten in US-Gewässern dort eingesetzt werden, wo sie am günstigsten sind. Und ohne protektionistische Gesetze könnte der amerikanische Schiffbausektor endlich seine Produktion rationalisieren und wettbewerbsfähiger werden.

Je länger der Jones Act in Kraft bleibt, desto teurer wird die US-Handelsschifffahrt, und desto ausgeprägter wird ihr Niedergang sein. Statt den hundertsten Geburtstag eines schädlichen und protektionistischen Gesetzes zu feiern, müssen die Politiker es über Bord werfen.