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Weitergeben von Uhrmacher-Know-how

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Die erste Uhr, die im Projekt «Le Garde-Temps Naissance d’une montre» entstand.
Michel Boulanger, Uhrmacher aus Frankreich, verschrieb sich dem Abenteur «Le Garde-Temps Naissance d’une montre».
Die erste Uhr, die im Projekt «Le Garde-Temps Naissance d’une montre» entstand.

Das Projekt ist so verrückt, dass nur Passionierte dahinterstecken können. Robert Greubel und Stephen Forsey (Gründer von CompliTime im Jahr 2001 und der Marke Greubel Forsey im Jahr 2004) und der unabhängige Uhrmacher Philippe Dufour (eine Kapazität auf seinem Gebiet) gehören zu dieser Sorte Mensch. Gemeinsam haben sie viel Zeit und Geld in das Projekt «Le Garde Temps – Naissance d’une montre» gesteckt. Ihr Ziel: das gesamte uhrmacherische Fachwissen und die alt-überlieferten Fertigkeiten, die für die Handanfertigung einer Uhr mit Komplikationen nötig sind, an interessierte Personen weiterzugeben. Für die Fabrikation sollen ausschliesslich traditionelle Techniken und Werkzeuge zum Einsatz kommen – mit einer einzigen Ausnahme: Die technischen Pläne werden mit dem Computer erstellt, damit sie der Nachwelt erhalten bleiben. Dennoch ist die Grundidee, einen Zeitmesser fast vollständig von Hand anfertigen zu können.

Wer glaubt, das sei der Alltag der Uhrmacher, täuscht sich gewaltig. Heutzutage werden Dekorationen, Feinarbeiten und Einstellungen zwar manuell in speziell dafür eingerichteten Manufakturen ausgeführt, die Komponenten einer Uhr aber allesamt von digital gesteuerten Maschinen fabriziert. Seien wir ehrlich: Nur noch sehr wenige Uhrmacher besitzen die Fähigkeit, eine Uhr von A bis Z von Hand herzustellen. Natürlich droht dadurch das Fachwissen verloren zu gehen. «Aufgrund der Automatisierung der Fabrikationsprozesse geraten viele traditionelle Techniken und handwerkliches Fachwissen allmählich in Vergessenheit», warnt Stephen Forsey. «Mit anderen Worten: Die Uhrmacherkultur kommt jeden Tag etwas mehr abhanden.»

Sechs Jahre für eine Uhr

Dieses Problem schien aber lange niemanden zu kümmern. Nicht einmal als die drei Passionierten 2006 mit den Uhrmachern Kari Voutilainen und Vianney Halter die Stiftung Time Æon gründeten, die sich an der Ausbildung künftiger und selbständiger Uhrmacher beteiligen wollte. Doch die Mittel dazu fehlten. Also beschlossen Robert Greubel, Stephen Forsey und Philippe Dufour im Jahr darauf, einen Schritt weiter zu gehen. Sie überlegten sich «eine ambitionierte Aktion, die das gemeinsame Engagement für die Uhrenkultur konkret umsetzt». Entstanden ist das Projekt «Le Garde Temps – Naissance d’une montre». Mit der Fertigstellung der ersten Uhr wurde das erste Ziel nun verwirklicht. Neben Philippe Dufour, der sich bereit erklärt hat, sein Wissen zu vermitteln und die dafür nötige Zeit aufzuwenden, und Greubel Forsey, die die gesamte Aktion finanziert hat – die Rede ist von mehreren Millionen Franken –, haben auch viele Firmenangestellte einen Beitrag zu diesem Abenteuer geleistet.

Konkret gestartet wurde das Projekt 2009 mit der Wahl eines Schülers. Er musste bereit sein, alles andere stehen und liegen zu lassen, um sich voll und ganz seiner neuen Aufgabe zu widmen. Sie bestand darin, sich das Wissen und die Techniken anzueignen, sie Schritt für Schritt zu dokumentieren und sie dann seinerseits weiterzugeben. Angesichts dieser anspruchsvollen Aufgabe fiel die Wahl nicht auf ein Greenhorn, sondern auf Michel Boulanger, einen diplomierten Uhrmacher und Lehrkraft für Uhrmacherei in Paris. Auf ihn wartete eine kolossale Arbeit. Er musste nicht nur eine Uhr mit drei Zeigern und einem Tourbillon entwickeln, sondern auch – mit der Hilfe der drei Projektinitianten – zahlreiche Werkzeuge für die Fabrikation der Uhr herstellen. Ausserdem hatte er den Auftrag, jeden einzelnen Produktionsschritt in Schrift und Bild festzuhalten, damit die Informationen später interessierten Uhrmachern als Grundlage dienen können.

«Anfangs stiess das Projekt auf wenig Resonanz, aber als die Uhr anfing, Gestalt anzunehmen, machte es Klick», sagt Stephen Forsey. Auslöser für das plötzliche Interesse war vor allem die Präsentation des Uhrwerks an der SIHH 2012. Davor habe er fast nur mit Problemen zu kämpfen gehabt, räumt Michel Boulanger ein: «Mir die Fertigkeiten und das Wissen anzueignen, war schwieriger, als ich angenommen hatte. Einen Handgriff so zu verstehen und zu beherrschen, dass man ihn sozusagen automatisch durchführen kann, fordert viel Zeit und geschieht schrittweise, Abkürzungen gibt es hier nicht. Das Erlernen der hohen Uhrmacherkunst lehrt Demut.»

Sobald die erste Uhr fertig war, wurden zehn weitere Exemplare hergestellt und zum Verkauf angeboten. Der Erlös geht zur Nachwuchsförderung an die Stiftung Time Æon. Und Michel Boulanger gibt das neu erworbene Wissen an die aufstrebende Generation weiter. Mit dieser ersten abgeschlossenen Phase ist ein wichtiger Schritt getan, freut sich Stephen Forsey: «Das ist unglaublich wichtig, denn für unsere Zukunft und die Zukunft der mechanischen Uhrmacherei muss dieses Wissen verstanden, beherrscht und erhalten werden.»

Junge Talente im Fokus - - Mehrere andere, meist private Projekte fördern junge Talente oder ihre Ausbildung. Dies geschieht auf unterschiedliche Art. Die Aktion «Young Talent Competition» der Académie Horlogère des Créateurs Indépendants (AHCI) zum Beispiel will besondere Begabungen von Lernenden und jungen Uhrmachern ans Licht fördern. Sie wurde 1985 ins Leben gerufen und zählt die namhaftesten unabhängigen Uhrmacher zu ihren Mitgliedern. Allerdings fehlte es der AHCI anfangs an Geld und Unterstützung. Die erste Ausgabe des Nachwuchswettbewerbs ging deshalb fast unbemerkt über die Bühne.

Als François-Paul Journe (Seele und Eigentümer der Marke FP Journe, ebenfalls Mitglied der AHCI) die Patenschaft des Wettbewerbs übernahm, änderte sich das schlagartig. Dank des gewonnenen Bekanntheitsgrads erhielt die Ausgabe 2015 der «Young Talent Competition» eine neue Dimension. Die Kreationen der drei von den AHCI-Mitgliedern bestimmten Preisträger aus Dänemark, Schweden und der Schweiz fanden grosse Beachtung und lösten ein entsprechendes Medienecho aus. Zwei der Gewinner werden bei FP Journe ein mehrwöchiges Praktikum absolvieren, um sich mit der Praxis einer integrierten Manufaktur vertraut zu machen.

Die Bewerbungen für 2016 können bereits eingereicht werden, die Anforderungen aber sind hoch. Laut den Veranstaltern soll das Niveau der Kreationen fortlaufend erhöht werden, wovon man sich auch eine zunehmende Medienpräsenz erhofft. Neu haben neben den AHCI-Mitgliedern auch die Öffentlichkeit und die Journalisten die Möglichkeit, die Qualität der eingereichten Kreationen zu beurteilen. Ob die nächsten Preisträger die Uhrmacher-Stars von morgen sein werden, wird sich in ein paar Jahren zeigen. |