Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Warum das Fed die Zinsen weiter erhöht

Anfang Dezember hat der dafür zuständige Offenmarktausschuss (FOMC) der US-Notenbank Federal Reserve einstimmig beschlossen, die Kurzfristzinsen von 2,25 auf 2,5% zu erhöhen. Wie geplant ist dies bereits die vierte Erhöhung in zwölf Monaten. Die FOMC-Mitglieder kündigten auch an, 2019 werde es zwei weitere Erhöhungen um jeweils einen Viertelpunkt geben. Dies stiess weithin auf Ablehnung.

Kritiker betonen, das Wirtschaftswachstum habe sich im vierten Quartal verlangsamt, und die vom Fed bevorzugte Inflationsmessgrösse (die Erhöhung der Konsumentenpreise) sei unter das offizielle Ziel von 2% gefallen. Das Fed behauptet seit langem, seine Zinspolitik sei «datenabhängig». Warum besteht es dann auf seinem Plan und strafft die geldpolitischen Bedingungen?

Die Verlautbarung des FOMC, in dem die jüngste Zinserhöhung angekündigt wird, liefert dafür keinen expliziten Grund. Auch die Bemerkungen des Fed-Vorsitzenden Jay Powell bei seiner Pressekonferenz geben keinen Hinweis darauf, warum die Zinsen erhöht wurden, obwohl sich die Wirtschaft verlangsamt hat.

Niedrige Realzinsen

Die Bestimmung des passenden Zinsniveaus hängt von vielen sich verändernden Bedingungen ab. Was hatte der FOMC also im Sinn, als er die Zinsen im Dezember heraufsetzte und für 2019 weitere Erhöhungen ankündigte?

Es gibt drei Möglichkeiten: Erstens ist das derzeitige Niveau der realen (also inflationsbereinigten) Zinsen momentan sehr niedrig. Gemessen am Konsumentenpreisindex liegt die aktuelle jährliche Inflationsrate auf 2,2%. Zieht man diese Inflationsrate von den 2%igen nominalen Leitzinsen ab, sieht man, dass die Realzinsen vor den jüngsten Erhöhungen leicht negativ waren und danach etwa bei null lagen.

Eine Nullzinsrate wäre für eine stark notleidende Wirtschaft angemessen, aber nicht für eine, deren reales BIP in diesem Jahr über 3% gestiegen ist. Ausserdem beläuft sich die Arbeitslosigkeit auf ausserordentlich niedrige 3,7%. Die Einschätzung des Fed, welches Niveau der Arbeitslosenquote nachhaltig wäre, liegt mit 4,4% erheblich darüber.

Rezession könnte beginnen

Extrem niedrige Zinsen können zu einer Vielzahl ernster Probleme führen. Unternehmen nutzen die niedrigen Kapitalkosten, um sich übermässig zu verschulden. Banken und andere Kreditnehmer erwirtschaften Rendite, indem sie Geld an schlechte Schuldner verleihen und ihre Kreditbedingungen lockern. Portfolioinvestoren können die Wertpapierpreise auf ein überhöhtes Niveau treiben. Regierungen sind versucht, grosse Defizite in Kauf zu nehmen, da die Zinskosten für ihre Schulden relativ niedrig sind.

Ein zweiter Grund, die Zinsen zu erhöhen, könnte sein, dass der FOMC jetzt ein höheres Zinsniveau benötigt, um die Zinsen später – beim nächsten wirtschaftlichen Abschwung – senken zu können, um die Nachfrage anzukurbeln. Der momentane Aufschwung, einer der längsten seit dem Zweiten Weltkrieg, dauert nun seit seinem Beginn im Juni 2009 bereits 114 Monate an. Obwohl Aufschwünge nicht an Altersschwäche sterben, gibt es genug Warnzeichen dafür, dass innerhalb der nächsten zwei Jahre die nächste Rezession beginnen könnte – fallende Wertpapierkurse, Schwächen im Immobiliensektor, Abschwung in grossen europäischen Ländern und das unsichere Niveau der US-Exporte.

In den letzten drei Rezessionen senkte das Fed die Leitzinsen 5, 4,8 bzw. 5,3%. Bei einem Ausgangsniveau von 2% kann es die Zinsen allerdings nur 2 Prozentpunkte herabsetzen, bevor sie auf null gehen. Die Schweizerische Nationalbank und die Europäische Zentralbank haben ihre Leitzinsen zwar unter null gesenkt, aber für ihre Banken und Versicherungskonzerne wurde das zum Problem. Darüber hinaus ist nicht klar, welche zusätzlichen Probleme auftreten, wenn diese Zentralbanken ihre Zinsen normalisieren.

Wo ist das «neutrale» Niveau?

Der dritte Grund ist, dass der FOMC die Zinsen erhöht haben könnte, um die Realzinsen wieder auf ein «neutrales» Niveau zu heben. Einige Ökonomen meinen, dieses neutrale Niveau, das die allgemeine Nachfrage weder steigert noch bremst und oft als r* bezeichnet wird, sei in den vergangenen Jahren erheblich gesunken. Aber r* ist keine Zahl, die wie die Inflationsrate exakt errechnet werden kann. Sie muss mithilfe eines komplexen ökonomischen Modells geschätzt werden. Powell und andere haben betont, dass die Höhe dieses «neutralen» Niveaus schwer zu bestimmen ist.

Meine eigene Ansicht dazu ist, dass die Berechnungen, die nahelegen, der Schätzwert r* sei in den vergangenen Jahren stark gesunken, in Wirklichkeit die fallenden Zinsen des Fed und anderer Notenbanken spiegeln. In der Vergangenheit wurde allgemein angenommen, der Realwert des «neutralen» Niveaus liege auf etwa 2%. Da die aktuellen Realzinsen allerdings etwa null betragen, sind erhebliche Erhöhungen notwendig, um zum traditionellen Neutralniveau zurückzukehren.

Diese drei Gründe (und vielleicht noch andere) rechtfertigen die Sichtweise des FOMC, die aktuellen Zinsen seien zu niedrig und müssten erhöht werden. Wenn überhaupt, sind die jüngsten Erhöhungen vielleicht sogar zu gering und kommen zu spät.

Copyright: Project Syndicate.