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Vorsicht vor neuen Zombies

Die Untoten sind unter uns. Zumindest in der Welt der Unternehmen. Laut der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) ist jede achte kotierte Gesellschaft ein sogenannter Zombie: Diese Unternehmen existieren seit mindestens einer Dekade und konnten in den vergangenen drei Jahren mit dem operativen Gewinn die Zinskosten nicht decken. Einbezogen in ihre Analyse von vierzehn Ländern haben die Autoren der BIZ in der Studie vom September auch kotierte Gesellschaften aus der Schweiz, Deutschland sowie den Vereinigten Staaten. Für die Wirtschaft sind die vielen Zombieunternehmen ein Problem, denn sie binden Kapital und Arbeit, drosseln die Produktivität und bremsen das Wachstum.

Aber nicht nur der hohe Anteil an untoten Unternehmen ist besorgniserregend. Bedenklich ist auch der Trend. Laut BIZ hat sich der Anteil seit 1980 versechsfacht. Eine Wende ist nicht in Sicht, denn es gibt eine neue Generation von Zombies. Gesellschaften, die dank starken Wachstums, viel billigen Geldes und hoher Bewertung auf den ersten Blick nicht als Untote erkennbar sind. Es sind dies die als Tech-Konzerne bezeichneten Unternehmen mit Milliardenbewertung, wie etwa Tesla, Uber und WeWork. Das eindrucksvolle Preisschild ändert aber nichts an der Sachlage. Die neuen Zombies verbrennen Geld und haben Probleme, nachhaltig Gewinn zu erwirtschaften, um die Kapitalkosten zu decken.

Eine Belastung für die Wirtschaft

Im Gegensatz zu den neuen Exemplaren meiden die klassischen Zombies das Scheinwerferlicht. In der allgemein gebräuchlichen Definition sind sie alt, weder sehr klein noch sehr gross und in einer Branche, die sich im Umbruch befindet. Der Umsatz bröckelt weg, der Gewinn sinkt, und die Verschuldung steigt und steigt. Beispiele sind der Telecomausrüster Alcatel-Lucent sowie das Telecomunternehmen Sprint. Anleger sollten von solchen Unternehmen die Finger lassen. Sie sind «Value Traps» wie aus dem Lehrbuch – auf den ersten Blick günstig, auf den zweiten aber nur billig. Eine eigenständige Zukunft haben sie selten. Sprint wurde 2013 vom japanischen Telecomanbieter Softbank gekauft und Alcatel-Lucent 2016 von Nokia.

Der steigende Anteil der Zombies ist auch eine Folge der Geldpolitik. Die niedrigen Zinsen lassen die Unternehmen länger am Leben, denn der finanzielle Druck fehlt. Sie können darauf verzichten, Bereiche zu verkaufen oder sich zu restrukturieren. Selbst hoch verschuldete Gesellschaften wie Sprint können Anleihen emittieren, und Anleger kaufen die Ramschpapiere, weil sie auf der Suche nach Rendite sind. Das Niedrigzinsumfeld nach der Finanzkrise war zwar gemäss einer Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) nicht der Auslöser für die Zunahme, geholfen hat es aber. Ende der Achtzigerjahre betrug die Wahrscheinlichkeit, dass ein Zombieunternehmen im folgenden Jahr ein Zombie bleibt, gemäss der BIZ 60%. Während der Finanzkrise stieg sie auf 75%, und zuletzt belief sie sich gar auf 85%.

Die schöpferische Zerstörung –wie der Ökonom Joseph Schumpeter sie zur Mitte des vergangenen Jahrhunderts gepredigt hatte – existiert nicht mehr. Sie soll ineffiziente Unternehmen zur Leistungssteigerung antreiben oder aus dem Markt drängen. Doch das billige Geld hat der schöpferischen Zerstörung die Kraft geraubt. Die Konsequenzen zeigen sich in der Konjunktur: Die Zombieunternehmen drosseln die Produktivität, das Wachstum schwächelt. Denn Geld, das besser  in produktivitätssteigernde Projekte fliessen sollte, stopft Löcher der Zombies und bindet dort Arbeitskräfte. Zombieunternehmen mit niedrigerer Produktivität bleiben am Leben. Gleichzeitig fliesst weniger Geld zu den gesunden Gesellschaften, die eine höhere Produktivität aufweisen. Laut der OECD ist die Produktivität niedriger in Branchen mit einem hohen Anteil von Zombieunternehmen. Für die Wirtschaft verheisst das wenig Gutes. Denn nur wenn das (ungesunde) Alte verschwindet, kann Neues entstehen. Das ist eine Grundvoraussetzung des Kapitalismus.

Etwas Neues geschaffen hat Tesla. Doch streng genommen ist auch der Elektroautobauer ein Zombie. Denn gegründet wurde er 2003, doch einen Jahresgewinn hat er noch nie geschrieben, ebenso wenig konnte die Gesellschaft mit dem operativen Ergebnis die jährlichen Kapitalkosten decken. 2018 resultierte bei einem Umsatz von 21 Mrd. $ ein operativer Verlust von 253 Mio. $ – die Zinskosten betrugen 629 Mio. $. Noch mehr in Schräglage befindet sich der Fahrtenvermittler Uber, der 2009 gegründet wurde und noch nicht das Alter eines Zombies erreicht hat. Im vergangenen Geschäftsjahr fuhr er bei 11 Mrd. $ Umsatz einen operativen Verlust von 2,8 Mrd. $ ein – die Zinskosten betrugen 544 Mio. $. Im laufenden Jahr wird das Resultat ähnlich aussehen, rechnet das Unternehmen für das erste Quartal doch mit einem Verlust von mindestens 1 Mrd. $ bei einem Umsatz von 3 Mrd. $. Also wird es auch spätestens dann in den Klub der Untoten aufgenommen werden. Ein Jahr länger wird es bei WeWork dauern. Die 2010 gegründete Gesellschaft mietet Büroflächen, modernisiert die Räumlichkeiten und vermietet sie weiter. Bewertet ist das private Unternehmen mit 47 Mrd. $. In New York verfügt es derzeit über so viel Bürofläche wie kein zweites Unternehmen. Dennoch resultierte 2018 ein Verlust von 1,9 Mrd. $, bei 1,8 Mrd. $ Umsatz.

Fluch und Segen zugleich

Zugegeben, es kann es einige Jahre dauern, bis eine junge Gesellschaft Gewinn erarbeitet. Doch die Google-Mutter Alphabet und das soziale Netzwerk Facebook wiesen zehn Jahre nach der Gründung operativ bereits einen Milliardengewinn aus, beim IT-Konzern Amazon waren es immerhin einige hundert Millionen. Die neuen Zombies sind davon weit entfernt. Zwar erreichen sie, im Gegensatz zu den alten Exemplaren, starkes Umsatzwachstum, doch der Profitabilität ist dies nicht förderlich – und zuletzt hat auch das Wachstum nachgelassen.

Tesla hat zu wenig Nachfrage, um als Elektroautobauer überleben zu können, und die Autos fallen mit spontaner Selbstentzündung sowie fehlerhafter Technik auf. Uber warnte vor dem Börsengang selbst, dass sie möglicherweise nie profitabel sein werde. Der Grund ist einfach. Die Kosten sind zu hoch. Nur wenn sie die Fahrer durch selbstfahrende Autos ersetzen kann, ist nachhaltiger Profit möglich. WeWork hat sich Anfang Jahr in The We Company umbenannt. Den neuen Zombies fällt es aber immer schwerer, die Marktteilnehmer zu überzeugen. Der Börsengang von Uber misslang. Statt sich zu steigern, verharrt der Wert des Unternehmens mit 70 Mrd. $ auf dem gleichen Niveau wie vor drei Jahren. Die Aktien Tesla haben sich in acht Monaten fast halbiert und notieren so niedrig wie zuletzt 2016.

Anleger sollten von den neuen Zombies die Finger lassen. Es handelt sich um reine Spekulationsobjekte. Ob sie hingegen auch für die Wirtschaft schädlich sind, ist anders als bei den alten Untoten nicht klar. Tesla beispielsweise hat die Entwicklung von Elektroautos forciert und vom Staat subventionierte Elektrofahrzeuge an den Kunden gebracht. Die Autobauer der alten Schule mussten reagieren, investierten in Forschung und Entwicklung und lancierten eigene Fahrzeuge. Uber andererseits erbringt von Kapitalgebern subventionierte Taxifahrten. Zwar nützt das den Konsumenten, doch leiden darunter die Taxifahrer, die mit den subventionierten Preisen nicht mithalten können.

Zudem fliesst das im Überfluss vorhandene Geld nicht immer zu den Unternehmen, die den grössten Nutzen stiften können. Das führt zu sorglosem Umgang mit finanziellen Mitteln und zu unrealisierbaren Projekten – die Rede ist etwa von der Besiedlung des Mars, obwohl es auf der Erde drängende Probleme zu lösen gibt.