Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Von Schnellbooten und Supertankern

Die Schweizer Fintech-Landschaft hat den Schritt vom Hype in die Realität geschafft. Gemäss einer aktuellen Studie des Instituts für Finanzdienstleistungen Zug (IFZ) gab es Ende vergangenen Jahres 356 Jungunternehmen im Bereich der Finanztechnologie. Ein Jahr zuvor waren es noch 220. Zudem floss 2018 ein Rekordwert an Kapital in die junge Branche.

Darunter befinden sich sehr erfolgreiche, stark wachsende Gesellschaften. Die besten Lösungen werden am 14. März an der FuW-Konferenz «Fintech 2019 – Beyond Banking» mit den «Swiss FinTech Awards» ausgezeichnet. Finalisten sind Apiax , Traxia , Crypto Finance und Sonect .  Zwei ehemalige Preisträger sind Loanboox und Crowdhouse. Loanboox vermittelt Kredite zwischen Gemeinden und institutionellen Investoren. Crowdhouse hat mit ihrer Plattform das Investieren in Immobilien zu einer Sache von wenigen Mausklicks gemacht. Beide trugen dazu bei, dass das Volumen im Schweizer Crowdlending 2018 exponentiell zugenommen hat. Neues Erlebnis, tiefere Kosten

Beide Start-ups stehen zugleich stellvertretend dafür, was die Digitalisierung der Finanzindustrie bedeuten kann. Sie nahmen einen uralten Prozess (Kreditvermittlung und Immobilienkauf) und digitalisierten ihn, indem sie mit überschaubaren Ressourcen eine benutzerfreundliche Plattform bauten. Dadurch schufen sie nicht nur ein neues, einfacheres Kundenerlebnis. Indem sie mithilfe von Technologie Schritte und Drittparteien aus den Prozessen herausnahmen, sorgten sie für Transparenz und senkten die Kosten. Gerade Crowdhouse hat dadurch eine Anlageklasse für eine völlig neue Kundengruppe erschlossen, die es sich zuvor nicht leisten konnte zu investieren. Für beide Start-ups ist der Börsengang eine Option, für Crowdhouse kommt er vielleicht schon im nächsten Jahr.

Während sich die Schnellboote des Finanzplatzes prächtig entwickeln und in neue Gewässer vordringen, sind die alten Supertanker – Banken und Versicherungen – vor allem mit sich selbst beschäftigt. Die Regulierungskosten steigen, die Zinsen bewegen sich nahe dem Rekordtief, die Margen sinken, und der Wettbewerbsvorteil Bankgeheimnis gegenüber dem Ausland ist längst dahin. Die Zahl der Finanzhäuser sinkt seit zehn Jahren.

Die Digitalisierung, die ein Ausweg aus dem schleichenden Niedergang sein kann, steht zwar auf der Prioritätenliste der meisten Bank-CEO ganz oben. Doch ein Tanker lässt sich eben nur behäbig steuern. Viele schaffen es bis heute nicht, eine simple, benutzerfreundliche Mobile-Banking-App aufzusetzen. Sie schlagen sich mit einer veralteten IT und einer Filialstruktur herum, die entweder von Grund auf modernisiert oder zurückgebaut werden muss.

Hilfe von den Start-ups

Dabei spielt die Digitalisierung nach Schweizer Modell zumindest momentan noch für die Banken. Die Regulierung setzt die Hürde für Neueinsteiger hoch. Der Schweizer Markt ist klein, sodass Start-ups, die sich an ein breites Publikum wenden, es schwer haben, schnell gross zu werden. Schweizer wechseln nur sehr selten die Bank, die Bereitschaft, Tech-Unternehmen wie Google, Amazon oder Facebook Geld anzuvertrauen, ist gering.

Gemäss IFZ-Studie bieten die meisten Fintech-Unternehmen in der Schweiz ihre Dienste direkt den Banken an, die dadurch die Möglichkeit erhalten, relativ günstig und rasch ihr Angebot transparenter, günstiger und benutzerfreundlicher zu gestalten. Zwar ist seit Anfang des Jahres die neue Banklizenz «light» in der Schweiz in Kraft. Doch es muss sich erst noch zeigen, ob Fintech-Start-ups nun mehrheitlich danach greifen.

Denn der Rahmen ist eng gesteckt, es dürfen nur Publikumsgelder unter 100 Mio. Fr. angenommen werden, Anlage und Verzinsung sind untersagt. Zudem müssen ähnliche regulatorische Vorgaben wie für Banken erfüllt werden. Manches Start-up, das auf eine Bankeninfrastruktur angewiesen ist, kooperiert da lieber mit einer Bank – wie es beispielsweise die Mobile-Banking-App Neon mit der Hypothekarbank Lenzburg tut.

Das Umfeld für die junge Branche wird zumindest von der IFZ-Studie heute schon als eines der besten der Welt taxiert. Davon profitierten zuletzt vor allem die Fintech-Start-ups aus dem Bereich der Blockchain-Technologie. Sie sprossen in den vergangenen zwei Jahren wie Pilze aus dem Boden und bilden mit 34% mittlerweile das Gros der Szene. Ihnen bietet die Ausgabe einer eigenen Kryptowährung (Initial Coin Offering, ICO) einen Finanzierungsweg, vorbei an den traditionellen Wagniskapitalgebern. 2017 kam durch ICO in der Schweiz eine Fabelsumme zusammen. Dann brachen die Kryptowährungen ein, und mit ihnen das ICO-Kapital.

Die Blockchain erhebt sich

Viele in der Blockchain-Szene sehen darin ein heilsames Gewitter, das seriösen Projekten den Durchbruch in den Mainstream ebnen soll. So haben als Erste die Blockchain-Start-ups Alethena und Mt Pelerin ihre Aktien auf die Blockchain gebracht, Tokenisierung heisst der Fachausdruck. Das Liechtensteiner Start-up Crowdlitoken ist gerade dabei, selbst eine Obligation auf der Blockchain zu emittieren. Damit will es zum Pilotprojekt an der Swiss Digital Exchange (SDX) werden, einer neuen Tochter der Schweizer Börse.

Denn auch die Grossen haben das Potenzial der Tokenisierung entdeckt. Die Schweizer Börse will mit SDX Mitte Jahr starten. Swisscom arbeitet daran, Aktien auf die Blockchain zu bringen. Die Privatbank Vontobel und Julius Bär kooperieren mit Kryptogesellschaften, um ihren Kunden Vermögenswerte auf der Blockchain anbieten zu können.

Alethena-Gründer Pascal Caversaccio sagt, gerade für kleine und mittlere Unternehmen biete sich so die Gelegenheit, die eigenen Aktien günstiger, einfacher und sicherer auf den Markt zu bringen oder nur schon ein Mitarbeiterbeteiligungsprogramm zu verwalten. Der Mittelsmann Börse wird dabei nicht mehr benötigt, und beim Aktienkauf könnten dann wohl auch die heute immer noch hohen Gebühren wegfallen. Digitalisierung, wie sie auch der kleine Privatanleger spürt.