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Türkei: Der schmerzhafte Abschied von den Boomzeiten

Strassenszene in Istanbul.

Die gute Nachricht zuerst. Die türkische Lira zeigt sich gegenüber Währungen wie dem Franken stabil. Der Wechselkurs hat sich von fast 7 Lira/Fr. im August auf nun 5.40 Lira/Fr. erholt. Die Panik vom vergangenen Herbst scheint vergessen.

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Im Vergleich zum Januar 2018 ist die Lira aber immer noch 30% weniger wert. Das ist schmerzhaft für türkische Konsumenten, die sich von ihrem Ersparten weniger leisten können.

Doch die Abwertung hat auch positive Seiten. Die Exporte werden für das Ausland günstiger. Das trägt zu einer Verbesserung der Handels- und Leistungsbilanz bei.

Schrumpfendes Leistungsbilanzdefizit

Das Defizit in der Leistungsbilanz, das zeitweise mehr als 6,5% des Bruttoinlandprodukts (BIP) betrug, galt als wunder Punkt der türkischen Wirtschaft. Denn mit dem Defizit geht ein Import von Kapital einher, und das bedeutet, dass die Verschuldung gegenüber dem Ausland wächst.

Ökonomen schätzen im Mittel, dass das Leistungsbilanzdefizit 2019 nur noch 2,2% des BIP beträgt. Das wäre das kleinste Defizit seit neun Jahren.

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Ein anderer Vorteil des stabileren Lirakurses ist, dass die Importe nicht teurer werden, was den Druck auf die Teuerung lindert. Die hohe Inflation von zeitweise 25% sollte so stetig zurückgehen, solange die Lira keinen neuen Schwächeanfall erleidet. Die Notenbank könnte dann die Zinsen senken und der kränkelnden Wirtschaft unter die Arme greifen.

Der Leitzins (einwöchiger Repo-Satz) liegt seit September bei 24%. Ein so hoher Zins war notwendig, um den weiteren Absturz der Lira zu verhindern.

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Fragile Stabilität

Den Panikmodus hat die Türkei zwar verlassen, trotzdem bleibe die Lage fragil, sagt David Hauner, Chefökonom für Osteuropa und den Nahen Osten bei BofA Merrill Lynch: «Die Lira konnte von der drastischen Zinserhöhung der Notenbank profitieren. Aber es ist gefährlich, den Carry Trade auszureizen.» Als Carry Trade wird die Ausnutzung einer Zinsdifferenz zwischen zwei Währungsräumen verstanden.

Momentan könne man mit dem Halten von Lira etwa 5% im Quartal verdienen, aber diese Strategie sei riskant, sagt Hauner.  «Das ist, als würde man Münzen vor der kommenden Dampfwalze auflesen.» Solange die Währung stabil sei, profitiere man von der Zinsdifferenz. Aber an einem schlechten Tag könne sich die Lira ein paar Prozent abwerten.

Anleger würden derzeit nicht nur auf die Lira, sondern auch auf türkische Anleihen und Aktien setzen, sagt Hauner. Die Rally der vergangenen Monate habe die Anleger dazu verleitet, ihre Positionen auszubauen. Er mahnt zur Vorsicht: «Der Markt wird mit negativen Schlagzeilen irgendwelcher Art schlecht umgehen können. Und Ende März finden Lokalwahlen statt, was für Volatilität sorgen kann.»

Schwacher Wachstumsausblick

Wie fragil die Lage ist, untermauern die BIP-Wachstumsprognosen der Ökonomen fürs laufende Jahr. Sie wurden seit Herbst im Mittel von 2,5 auf 0% gesenkt. Der Einkaufsmanagerindex (Purchasing Managers Index, PMI) notiert mit 46,4 deutlich unter der Wachstumsmarke von 50. Die Industrieproduktion ist im Dezember den fünften Monat in Folge gesunken – im Jahresvergleich beträgt der Rückgang 9,8%.

Denn das Leistungsbilanzdefizit ist nicht in erster Linie durch einen Exportschub kleiner geworden, sondern durch einen Rückgang der Importe. Hauner kommentiert: «Vom Höhepunkt bis zum Tief ist der Konsum 10% eingebrochen.» So habe die Rezession die Leistungsbilanz verbessert. Deshalb sieht Hauner den Ausgleich der Leistungsbilanz auch nicht auf einem nachhaltigen Pfad: «Erholt sich die Wirtschaft, wird das Defizit wieder zunehmen.»

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Fiskalpolitik stützt

Zur Belebung der Nachfrage müssten die Zinsen gesenkt werden. Doch das ist unwahrscheinlich: «Der letzte Inflationsbericht der Notenbank signalisiert, dass sie mit einer Zinssenkung zögern wird», glauben die Ökonomen von Capital Economics.

Auch David Hauner sieht dafür weniger Spielraum. Denn auch bei einem stabilen Wechselkurs würde die Teuerung hoch bleiben – wegen der Regierung, die mehr ausgibt, als sie einnimmt: «Die Fiskalpolitik ist immer noch ziemlich expansiv. Eigentlich bräuchte es weniger Staatsausgaben, um die Inflation in den Griff zu bekommen.»

Ausserdem zweifelt Hauner, dass tiefere Zinsen einen zweiten Kreditboom auslösen würden. «Die Kapazität der Banken zur Kreditvergabe ist ausgereizt, auch wenn Kreditrisiken über einen Garantiefonds an die Regierung ausgelagert wurden.» Die Zahl der problematischen Kredite, die von einem Zahlungsausfall bedroht seien, sei deutlich gestiegen.

Das sei eine Folge des Kreditbooms der vergangenen Jahre, glaubt Hauner: «Die Türkei war unter den Schwellenländern einer der grössten Profiteure des Quantitative Easing in den USA und in Europa. Das sieht man am rasanten Wachstum der Kreditvergabe.» Quantitative Easing (QE) sind Anleihenkäufe der Notenbanken. Nur in China sei der Kreditanstieg noch grösser gewesen.

Billiges Geld habe der Zentralbank ermöglicht, die realen Zinsen – also die Zinsen nach Abzug der Inflation – unter null zu drücken. «Negative Realzinsen brachten einen Kredit- und Immobilienboom», sagt Hauner.

Analysten von Capital Economics machen die Notenbank für einen Grossteil der aktuellen Probleme verantwortlich. «Die Zentralbank hat die Geldpolitik locker gelassen, das hat starkes Wachstum, aber auch ein immer grösseres Defizit in der Leistungsbilanz zur Folge gehabt», erklären sie.

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Langfristige Folgen des Kreditbooms

Im Boom gingen die nötigen Wirtschaftsreformen vergessen. David Hauner zieht den Vergleich zur Eurokrise: Wie in den Euromitgliedländern Südeuropas habe man sich auf den Kreditboom verlassen. Ähnlich wie in Portugal oder Spanien werde es Jahre dauern, bis die Verschuldung abgebaut sei. Der Entschuldungsprozess werde das Wachstum auf Jahre belasten: «Es wird keine schnelle Erholung geben.»

Notwendig seien nun Investitionen zur Verbesserung der Produktivität, um die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Während des Booms sei das zu kurz gekommen. «Unter den grossen Schwellenländern weist die Türkei über die vergangenen zehn Jahre das schwächste Produktivitätswachstum aus», meint der Ökonom von BofA Merrill Lynch.