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Trump sorgt in Ostasien für Unruhe

Der US-Präsident Donald Trump reklamiert für sich mit gewohntem Bravado, dass er beim Gipfeltreffen mit Nordkoreas Diktator Kim Jong-un die Welt vor einem Krieg bewahrt habe. Noch steht in den Sternen, was letztendlich aus den Verhandlungen zwischen der Weltmacht USA und dem stalinistischen Erbkönigtum Nordkorea resultieren wird. Die Bandbreite dessen, was die Welt zu erwarten hat, reicht von einer neuen Eiszeit und weiteren nuklearen Provokationen bis zu einem nachhaltigen innerkoreanischen Spannungsabbau.

Beim historischen Gipfel in Singapur waren nicht nur die beiden Hauptakteure vor Ort, sondern auch die von der Seitenlinie aus beobachtenden Moon Jae-in, Wladimir Putin, Xi Jinping und Shinzo Abe von Interesse. Trump wirbelt derzeit Ostasien durcheinander, mit weitreichenden geopolitischen und wirtschaftlichen Folgen, die auch im fernen Europa zu spüren sein werden. Dabei geht es nicht nur um Nordkorea und den globalen Handelskrieg, die derzeit im Vordergrund der Medienöffentlichkeit stehen. Längerfristig viel bedeutender sind die sicherheitspolitischen Gewichtsverlagerungen in Ostasien, die bereits am Horizont erkennbar sind.

Verunsichertes Japan

Chinas Wiederaufstieg zur Weltmacht ist bis anhin ziemlich friedlich verlaufen. Dies braucht nicht so zu bleiben. Mit wachsender und weltweit expandierender Wirtschaftsmacht steigt auch die Versuchung, diesen Einfluss mit militärischen Mitteln zu untermauern. Derzeit sehen wir dies primär im Südchinesischen Meer, wo Peking seine Ambition, diesen für den Welthandel wichtigen Teil des Pazifiks durch die Übernahme und die militärische Befestigung von Inseln und Atollen zu seinem «Binnenmeer» zu machen, offen zur Schau stellt. Chinas Nachbarn, vor allem auch Japan, dessen Bevölkerung  dramatisch schrumpft, beobachten mit Sorge den wachsenden Einfluss von nationalistischen und zuweilen auch revanchistischen Kräften in der Volksrepublik.

Japan ist der wichtigste und älteste Alliierte der USA in Ostasien. Seit Trumps Amtsübernahme ist indessen Tokio ebenso wie die Nato-Alliierten in höchstem Masse verunsichert. Obschon Ministerpräsident Abe ein sehr gutes Verhältnis mit Trump zu haben scheint, bekommt auch Japan die beunruhigende Volatilität des Weissen Hauses in aussen- und sicherheitspolitischen Belangen zu spüren. Trump hat Tokio wiederholt vorgeworfen, nicht genügend für seine Verteidigung zu unternehmen. Ebenso irritiert ihn natürlich der bilaterale Handelsüberschuss der Japaner.

Neben Südkorea beherbergt Japan die grössten amerikanischen Garnisonen in Asien, und es sorgt sich wie Deutschland und Südkorea, dass die USA ihre Mannschaften abziehen könnten. Man befürchtet, dass jenseits der militärischen Experten bei Trump und seinen engsten ideologischen Beratern schlicht das Verständnis für die riesige strategische Bedeutung des japanischen Inselreichs für die USA fehlt. Bezieht man Okinawa ein, so ist Japan für die amerikanische Vorwärtsverteidigung in den Worten von General Douglas MacArthur ein «unsinkbarer Flugzeugträger». In der Tat lassen sich vom japanischen Archipel aus weite Küstenstriche Chinas überwachen. Von dort sticht kein chinesisches Kriegsschiff in hohe See, ohne dass die amerikanische Überwachung es aufspüren kann.

So überraschend die Trump’schen Kehrtwendungen in der amerikanischen Aussen- und Sicherheitspolitik für viele auch kommen mögen, die Strategieplaner von Peking bis Seoul und von Taipeh bis Tokio arbeiten mit Hochdruck an neuen Szenarien, mit denen sich die eigenen, nationalen Interessen am besten wahren lassen. China gibt sich im bilateralen Handelskrieg mit den USA willensstark und sucht Partner, um die protektionistischen Wellen zu brechen. «One Belt One Road» ist klar darauf angelegt, Alternativen zu den traditionellen Handels- und Verkehrswegen zu finden und neue Abhängigkeiten vor Ort zu schaffen.

Die von China vorangetriebene Etablierung der Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB) ist im institutionellen Bereich ein Unterfangen, um die Macht der USA einzudämmen. In ähnliche Richtung weist auch das von Peking eingeleitete Tauwetter in den japanisch-chinesischen Beziehungen. Offensichtlich will Xi Jinping nicht einen Mehrfrontenkrieg riskieren und setzt deshalb auf eine bessere Beziehung zu Tokio selbst unter dem bis vor kurzem noch diffamierten «Nationalisten» Abe.

Zu den unsinnigsten Handlungen der frühen Trump-Administration gehört die Beerdigung der Trans-Pacific Partnership (TPP). Dieses Abkommen hatte ausdrücklich zum Ziel, den Einfluss Chinas im asiatisch-pazifischen Raum einzudämmen. TPP war anfänglich bei den Japanern wenig beliebt, doch wandte Ministerpräsident Abe, der sich stärker als seine Vorgänger mit Geopolitik befasst und Japans Interessen in Südost- und Südasien mit Nachdruck fördert, viel politisches Kapital für die Verabschiedung der TPP durch das japanische Parlament auf. Offensichtlich half der gute Draht, den Abe zu Trump zu haben beansprucht, nicht weit. Jedermann in Tokio weiss, dass TPP keine Chance auf Wiederbelebung mehr hat, auch wenn Trump, wie er einmal angedeutet hat, einen Gesinnungswandel durchmachen sollte.

Noch ist unklar, wie der asiatisch-amerikanische Handelskrieg ausgehen wird. In den letzten Jahren hatten vor allem China und Japan als Teil ihrer geopolitischen Rivalität mit milliardenschweren Investitionsflüssen das innerasiatische Wirtschaftswachstum angetrieben. Es wird sich weisen müssen, wie gross der Effekt der amerikanischen Handelssanktionen sein wird. Der US-Markt ist nicht leicht zu ersetzen; auch wenn Japaner und Chinesen vermehrt auf neue Nachfrage in Südasien, insbesondere Indien, und im Asean-Raum setzen, so sind dies bestenfalls langfristige Perspektiven. Hinzu kommt, dass wegen der schrumpfenden Bevölkerung in Japan und des raschen technologischen Fortschritts Chinas die bisher vorhandenen Komplementaritäten zwischen der chinesischen und der japanischen Volkswirtschaft nicht mehr viel Spielraum belassen.

Ende der «Pax Americana»

Jenseits der unmittelbaren wirtschaftlichen Implikationen muss die Unberechenbarkeit der Trump-Regierung in Ostasien Sorgen bereiten. Auch wenn Trumps Einsitz im Weissen Haus auf eine Amtszeit beschränkt bleiben sollte, gibt es berechtigte Befürchtungen, dass in sicherheitspolitischer Hinsicht schwere und dauerhafte Schäden angerichtet werden könnten. Im Vordergrund stehen die koreanische Halbinsel und Taiwan, beides Krisenherde, wo amerikanische Sprunghaftigkeit zu immensen Problemen führen kann. Ebenso bedrohliche Konsequenzen sind zu befürchten, wenn die stark angeschlagene «Pax Americana» endgültig begraben wird.

Während der vergangenen siebzig Jahre mag die amerikanische Präsenz in Ostasien von vielen Japanern, Koreanern und wahrscheinlich einer Mehrheit der Chinesen abgelehnt worden sein. Doch jetzt, da Washington aus eigenen Stücken seine Präsenz mindert, wachsen die Befürchtungen, was ein amerikanischer Rückzug für die Stabilität in der Region bedeuten kann. In Japan entsteht in der regierenden Liberal-Demokratischen Partei ein Konsens, dass Japans Verteidigungskapazitäten substanziell aufgestockt werden müssen.

Sollte gar das Containment von Nordkorea fehlschlagen, werden in Südkorea und Japan Forderungen nach einer atomaren Aufrüstung nicht mehr völlig aus dem Rahmen fallen. Dies wiederum wird in China die traditionellen Ressentiments und Befürchtungen gegenüber Japan neu befruchten. Zu bedenken ist, dass Wunden, die der japanische Aggressionskrieg in Korea und China geschlagen hat, noch lange nicht geheilt sind und durch mangelnde oder verzerrte Geschichtskenntnis auf allen Seiten offen gehalten werden.