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«Tesla kann unmöglich überleben»

«Meine Philosophie war immer, dass wir verloren sind, wenn wir nicht bessere Qualität bieten.»

Eine Krise eröffnet immer auch Chancen. Bestes Beispiel dafür ist die amerikanische Automobilindustrie. General Motors, Ford und die zu Fiat Chrysler Automobiles gehörende US-Gruppe Chrysler verzeichnen einen verblüffenden Turnaround und sind heute mit hohem Tempo unterwegs. Für Bob Lutz basiert das erfolgreiche Revival darauf, dass sich die Branche völlig neu ausgerichtet hat. «Kundenzufriedenheit steht heute an erster Stelle», sagt der Branchenveteran, der für alle drei US-Autobauer in leitender Funktion tätig war. Der gradlinige Schweizamerikaner ist überzeugt, dass die Hersteller aus Detroit auch künftig gut unterwegs sein werden. Erhebliche Probleme sieht er aber auf den Elektrofahrzeugbauer Tesla zukommen.

Herr Lutz, die Weltwirtschaft verliert zusehends an Schwung. Was heisst das für US-Autohersteller wie GM und Ford? -

Die amerikanische Automobilindustrie ist komplett anders aufgestellt als früher. Die Marken sind zwar noch die gleichen. Die Qualität der Fahrzeuge hat sich jedoch radikal verbessert. Selbst wenn die Nachfrage in den Vereinigten Staaten 10% zurückgehen sollte, kann die Branche das heute verkraften. Natürlich würde die Ertragskraft der Konzerne abnehmen. Zu einer Katastrophe wie 2008/09 käme es aber bei Weitem nicht.

Und wie sieht es finanziell aus? - Die US-Autoindustrie ist diesmal viel besser auf eine Konjunkturdelle vorbereitet. Speziell General Motors verfügt über eine kerngesunde Bilanz, ist kaum verschuldet und sitzt auf reichlich flüssigen Mitteln. Man könnte fast sagen, dass der Konkurs vor sieben Jahren ein Glücksfall war, denn auf lange Sicht wäre er ohnehin nur eine Frage der Zeit gewesen. GM konnte sich so rasch von der enormen Schuldenlast befreien. Nur schon die Zinskosten frassen früher Milliarden weg.

Gilt das auch für Chrysler? - Wenn einer der drei grossen US-Hersteller in einem wirtschaftlichen Rückgang gefährdet ist, dann Chrysler respektive das Mutterhaus Fiat Chrysler Automobiles. Das, weil es FCA in Europa nicht gut läuft und es auch in anderen Märkten wie Brasilien Probleme gibt. Nur in den USA geht es der Gruppe einigermassen gut, vor allem dank den Marken Dodge und Jeep. Jeep ist wie eine Gans, die andauernd goldene Eier legt. Als wir die Marke 1987 kauften, setzte sie 230 000 Wagen im Jahr ab. Letztes Jahr überschritt Jeep erstmals die Millionengrenze.

Gut erholt hat sich auch der Gesamtmarkt. Mit über 17,4 Mio. Fahrzeugen erreichte der Absatz in den USA letztes Jahr einen Rekord. Wie geht es jetzt weiter? - Auch im Januar lief es erneut gut. Saisonal bereinigt betrug die annualisierte Absatzrate nochmals über 17 Mio. Fahrzeuge. Die Händler geben ihre Bestellungen für Januar und Februar jeweils im Spätherbst auf. Jetzt stellt sich heraus, dass sie zu knapp kalkuliert haben. Zudem müssten sie nun die Lager für den Frühlingsverkauf aufbauen. Dieses Jahr ist das aber kaum möglich, denn die Hersteller kommen mit der Produktion gar nicht nach, ihre Kapazitäten sind voll ausgelastet.

Hinzu kommt, dass der Benzinpreis stark gesunken ist. Welchen Effekt hat das auf den Markt? - Ich rechne damit, dass der Ölpreis über die nächsten zehn Jahre niedrig bleiben wird. Das belebt die Nachfrage nach grösseren Wagen mit höherem Verbrauch, die in den USA enorm beliebt sind und die höchsten Margen erzielen. Solange die Nachfrage in diesem Segment robust bleibt, wird die US-Autoindustrie florieren.

Und wie steht es mit der Konkurrenz aus Japan und aus Europa? - Die Bruttozahlen sehen zwar noch genauso aus wie vor zehn Jahren: GM, Ford und Chrysler haben den gleichen Marktanteil wie damals, ebenso die Importeure aus Japan und Korea. Der Unterschied liegt in der Qualität des Umsatzes. Sie ist heute bei den amerikanischen Marken klar besser als bei den japanischen. Die Margen der US-Hersteller sind gestiegen, die der Konkurrenten aus Japan haben abgenommen. Das hat vor allem damit zu tun, dass die Amerikaner weitgehend aus schlechtem Geschäft ausgestiegen sind.

Was meinen Sie damit? - Die US-Hersteller verschleuderten früher einen Grossteil der Produktion an die Autovermieter. Auf kurze Sicht hat das den Absatz zwar gesteigert. Fast die gesamte Marge wurde damit aber verschenkt. Zudem überflutet man so den Markt mit relativ neuen Fahrzeugen, was sich verheerend auf den Wiederverkaufswert auswirkt – und darauf achten viele Kunden, wenn sie einen Neuwagen kaufen. Heute sieht man in den Flotten der grossen Autovermieter wie Hertz und Avis hauptsächlich japanische Modelle.

Warum griffen die US-Autobauer überhaupt zu solchen Dumpingmethoden? - Das hatte verschiedene Ursachen. Ein Grundproblem war, dass sich die meisten Topmanager extrem kurzsichtig verhielten. Sie konzentrierten sich nur auf die Finanzen und sahen das Auto als Summe von Kosten. Am Produkt selbst hatten sie gar kein echtes Interesse. Sie hätten genauso gut Waschmaschinen oder Kühlschränke verkaufen können.

Was hatte das für Konsequenzen? - Amerikanische Autos genossen früher den Ruf, hochzuverlässig und praktisch unzerstörbar zu sein. Dann gerieten wir aber überall ins Hintertreffen: Von den Materialien über die Verarbeitung bis hin zu den Fahreigenschaften. Die Konkurrenz aus Japan und Europa, speziell aus Deutschland, bot wesentlich mehr. Doch anstatt unsere Autos qualitativ auf internationales Niveau zu bringen, fokussierten wir uns darauf, Kosten zu senken und die Produktion zu vereinfachen. So wurde etwa zusehends auf Geräuschisolierungen und Gummidichtungen verzichtet, um die Marge zu halten. Das musste zwangsläufig böse ausgehen.

Was wäre Ihrer Ansicht nach denn eine bessere Strategie gewesen? - Mit der Billigproduktion war das Ende nur eine Frage der Zeit. Meine Philosophie war deshalb immer, dass wir völlig verloren sind, wenn wir nicht mehr Qualität bieten. Bei Chrysler und später bei General Motors hatte ich die Entwicklung daher grundlegend umgekrempelt und orientierte unsere Autos an den besten internationalen Standards. In der Finanzabteilung sagte man mir zwar, ich sei verrückt, weil die Margen einbrechen würden. Langfristig gab es aber keine Alternative.

Was hat Qualität bei den amerikanischen Herstellern heute für einen Stellenwert? - Kundenzufriedenheit und Kundenfreundlichkeit stehen jetzt an erster Stelle. International betrachtet, liefern alle drei Konzerne aus Detroit Spitzenprodukte. Sie haben begriffen, dass der Verkaufspreis überproportional steigt, wenn man mehr in die Qualität investiert. Ein Buick LaCrosse der Generation, die ich zum Beispiel bei GM nach meinen Vorstellungen gestalten konnte, kostet heute bei der Produktion zwar 1500 $ mehr. Der Absatzpreis ist aber um 11 000 $ gestiegen. Anstatt die Fahrzeuge zu verschleudern, lassen sich so die Margen halten.

Immer wichtiger werden neue Technologien. Wie liegen die drei Hersteller aus Detroit bei smarten Autos im Rennen? - Sie sind in diesem Bereich gut positioniert. GM ist IT-Konzernen wie Google oder Apple bei autonomen Fahrzeugen klar voraus. Auch Ford ist vorne mit dabei. Nur Chrysler hinkt in allem finanziell bedingt etwas hinterher. Deshalb jammert Konzernchef Sergio Marchionne auch immer, dass es eine Konsolidierung brauche.

Und wie sieht es mit Elektrofahrzeugen aus? Bleibt Tesla hier das Mass aller Dinge? - Das Model S von Tesla ist technisch eine Spitzenleistung. Tesla kann aber unmöglich überleben. Die Nachfrage nach Elektroautos ist weniger gross als erhofft. Zudem sind die Kosten viel zu hoch – Tesla schreibt nach wie vor rote Zahlen. Die Batterien werden zwar günstiger. Der Fortschritt ist aber längst nicht so gross wie in der IT-Industrie, wo jede neue Chip-Generation nur noch halb so viel kostet. Auch halte ich das neue Modell X mit den hinteren Flügeltüren für anfällig: Die Dachstruktur ist dafür viel zu schwach. Damit für Tesla die Rechnung aufgeht, müssten 500 000 Fahrzeuge pro Jahr produziert werden. Das ist auf absehbare Zeit unmöglich. Seit der Gründung hat das Unternehmen erst 107 000 Autos produziert. GM macht das in vier Tagen.

Aber auch GM, Ford und andere etablierte Hersteller setzen auf Elektroautos. - Das hat aber damit zu tun, dass sie bis 2025 strengere Verbrauchsnormen erfüllen müssen. Im Schnitt muss jedes verkaufte Auto dann mit einer Gallone Benzin fast 88 Kilometer fahren können. Das geht nur, wenn Elektro- und Hybridfahrzeuge für einen gewissen Prozentsatz des Absatzes aufkommen. Branchenleader wie GM, Ford, Chrysler, Honda, Toyota, Nissan, BMW und Volkswagen werden ihre Elektroautos daher mit Verlust verkaufen, um den hohen Verbrauch margenstarker Allradfahrzeuge und Pickup Trucks zu kompensieren. Das begrenzt die Preisgestaltung bei Elektrofahrzeugen nach oben, was Tesla kaum Spielraum lässt. Ich wette deshalb jeden Betrag, dass Tesla untergehen wird. Vielleicht wird das Unternehmen vom Staat gerettet oder von einem grossen chinesischen Konzern gekauft. Als Automobilmarke auf sich alleine gestellt, ist sie aus meiner Sicht in einer absolut hoffnungslosen Situation.

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