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Tanzt die Schweiz bald den Fintech-Samba?

Das fünftgrösste Land der Welt mit seinen 200 Mio. Einwohnern hat noch viel mehr Entwicklungsmöglichkeiten, schreibt Gastautor Marc Lussy.

Bei einem zweitägigen Arbeitsbesuch in Brasilien, der von Ueli Maurer und Herbert Scheidt, Präsident der Schweizerischen Bankiervereinigung, angeführt wurde, war es der explizite Wunsch der brasilianischen Regierung, das Thema Fintech in die Agenda aufzunehmen. Entsprechend fand das Panel in São Paulo zur Digitalisierung im Finanzsektor mit Top-Vertretern aus beiden Ländern grossen Anklang.

Vor allem Marlene Amstadt, die Vizepräsidentin der Finanzmarktaufsicht (Finma), wurde von den brasilianischen Start-ups mit Fragen regelrecht bombardiert. Auch bei den Treffen mit Regierungsvertretern und Bankmanagern beider Länder waren neben Themen wie dem Marktzugang für Schweizer Banken auch das Schweizer Fintech-Ökosystem und allfällige Synergien mit brasilianischen Playern Gegenstand der Gespräche.

Der Beginn eines Fintech-Abenteuers

Schon vor gut eineinhalb Jahren hat die staatliche Initiative Swissnex Brasil das Potenzial von Synergien erkannt. Deshalb hat sie eine Schweizer Fintech-Mission nach São Paulo ins Leben gerufen. Thomas Puschmann, Leiter des Fintech Innovation Lab der Universität Zürich, und Marc Lussy, der Autor dieses Artikels, sind dem Ruf gefolgt und ins Land des Samba gereist. Der Startschuss für eine fruchtbare Fintech-Zusammenarbeit fiel also bereits damals.

Die Schweiz konnte bei brasilianischen Fintech-Enthusiasten erfolgreich auf die Landkarte gebracht werden. Natürlich konnten auch die Schweizer Missionsteilnehmer wertvolle Erfahrungen sammeln. Danach sind die Aktivitäten zwischen den beiden Ländern stark gestiegen. Schweizer Fintech-Start-ups wurden an verschiedene Events nach São Paulo eingeladen, und im Mai haben etwa zwanzig brasilianische Fintech-Start-ups die Schweiz besucht. Dies im Rahmen einer vom Swiss Business Hub Brasil lancierten Reise.

Vielversprechendes Ökosystem

Die durch Start-ups vorangetriebene Digitalisierung hat im brasilianischen Finanzsektor etwa zwei Jahre später begonnen als in der Schweiz. Trotz der brasilianischen Wirtschaftskrise ist dieser Bereich von circa fünfzig Start-ups im Jahr 2015 auf über 400 in diesem Jahr gewachsen. Doch dies dürfte erst der Anfang gewesen sein. Das fünftgrösste Land der Welt mit seinen 200 Mio. Einwohnern hat noch viel mehr Entwicklungsmöglichkeiten.

So streicht auch Goldman Sachs in einer Studie von 2017 das grosse Potenzial des Fintech-Sektors heraus. Treiber dieser Entwicklung ist der grosse konsolidierte Bankensektor, der massiv in die Zusammenarbeit mit Start-ups investiert. Daneben haben die Brasilianer eine sehr innovative und unternehmerische Einstellung. Zudem gibt es viele hoch ausgebildete Leute in Brasilien. Neben den grossen Firmen wird das Wachstum dieses Ökosystems vor allem auch durch die tech-affine Bevölkerung befeuert. Derzeit ist es für brasilianische Fintech-Start-ups jedoch meist noch schwierig, Kapital zu finden. Dies könnte das Wachstum gefährden.

Schweiz und Brasilien ergänzen sich optimal

Aufgrund der kleinen Bevölkerung ist in der Schweiz für ein Fintech-Start-up das B-to-C-Modell (Angebote für Privatkunden) schwierig. Hier bietet Brasilien als eines der bevölkerungsreichsten Länder für eine junge Schweizer Firma, die sich im B-to-B-Bereich (Angebote für Unternehmen) bereits etablieren konnte, grossartige Möglichkeiten.

Auf der anderen Seite ist Brasilien für ein Technologieunternehmen in der Anfangsphase ein schwieriges Pflaster. Start-ups haben im südamerikanischen Land mit viel Administration und Ungewissheiten zu kämpfen. Hingegen kann es für brasilianische Fintechler eine gute Option sein, ihre Gesellschaft in der Schweiz zu gründen und im Rahmen eines Incubator-/Accelerator-Programms hier Fuss zu fassen. Sie können so ihr Geschäftsmodell validieren, erste Firmenkunden akquirieren und langsam profitabel werden. Dies, um dann gestärkt nach Brasilien zurückzukehren und dort zu versuchen, den Markt zu erobern.

Eine Zusammenarbeit und das Nutzen von Synergien bedingen natürlich, dass für beide Seiten vergleichbare Problemstellungen vorhanden sind. Dies ist aber gegeben. Ein wichtiger Bereich in Brasilien wie hierzulande ist beispielsweise das Crowdfunding. Stark wachsend sind in beiden Ländern die Bereiche Blockchain/Crypto Assets und Insurtech. Speziell im Versicherungsbereich lassen sich auf beiden Seiten des Atlantiks bereits jetzt vergleichbare Start-ups finden. Sehr spannend ist der Wealthtech-Regtech-Bereich, in dem die Schweiz über grosses Know-how verfügt. In Brasilien ist dieser Sektor noch eher schwach ausgeprägt. Hier wird die Nachfrage nach digitalen Lösungen in den kommenden Jahren stark steigen.

Die ersten Pflöcke sind eingeschlagen

Die Arbeit von Swiss Business Hub und Swissnex Brasil hat das Terrain in den vergangenen Monaten vorbereit. Danach hat die Promotion des Schweizer Fintech-Ökosystems durch Bundesrat Maurer und durch die Bankenvertreter ein starkes Zeichen gesetzt. Der von der Schweizer Börse gegründete Fintech Incubator & Accelerator F10 hat den Ball nun aufgenommen und wird im Mai 2019 zusammen mit brasilianischen Partnern in São Paulo einen Hackathon durchführen.

Zudem hat die Banco Itaú, eine der grössten brasilianischen Banken und Treiber der Digitalisierung, bereits im Jahr 2010 in Zürich eine Privatbank eröffnet. Auch dies kann helfen, die beiden Fintech-Welten miteinander zu verbinden.

Es ist angerichtet, packen wir’s an, oder wie man in Brasilien sagt: Vamo que vamo, eh nois!