Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

«Aktienauswahl ist mehr als die halbe Miete»

Thomas Della Casa: «Von Bankaktien halten wir uns weiterhin fern.»

Herr Della Casa, Negativzinsen und Aktienmärkte, die nicht mehr billig sind, verschärfen die Anlagenot. Wie gehen Sie in diesem Umfeld vor? - Wir müssen uns wie alle anderen nach der Decke strecken, das heisst: Aktien spielen im Portfolio eine grössere Rolle als bisher. Je länger, je wichtiger wird, auf Titel von qualitativ hochstehenden Unternehmen mit überzeugendem Geschäftsmodell, starker Bilanz und Preismacht zu setzen. Die Wirtschaft wächst zwar, aber ohne grosse Dynamik, was erstklassige defensive Werte bevorteilt und sie noch stärker ins Zentrum rücken wird. Lieber langweilig investieren, dafür solid.

Solid sind auch Staats- und erstklassige Unternehmensanleihen. Welche Rolle spielen sie noch für den Privatinvestor? - Anleger müssen im tiefen Investmentgrade oder darunter, unter einem BBB-Rating, graben, um noch eine gewisse Rendite zu finden. Bei Titeln mit kurzer Restlaufzeit sind Käufe zu verantworten. Ausser Traktanden sind Fremdwährungsanleihen gefallen, die vor allem unter institutionellen Investoren beliebt waren. Zur Währungsabsicherung dienten Swaps, was inzwischen zu teuer ist oder teils gar nicht mehr angeboten wird. Auch das zeigt die Anlagenot, sodass andere Anlageklassen zum Zug kommen, eben Aktien, Immobilien, Private Equity und andere alternative Strategien.

Vorsorgeinstitute kaufen auch Staatsanleihen mit negativer Rendite. Ein Raubbau am Volksvermögen? - Institutionelle Anleger sind gezwungen, solche Papiere zu kaufen, die real glücklicherweise noch immer eine gewisse Rendite abwerfen. Etwa ein Viertel aller Schweizer Bundesobligationen soll im Besitz von Swiss Life sein. Das hat der Versicherer letzthin selbst erklärt. Rund 80% des Schweizer Obligationenuniversums rentiert negativ, der Handel stockt, es gibt kaum mehr Verkäufer. Das sind schon Grössenordnungen, die zu denken geben. Aber so ist die Realität. Wir müssen damit rechnen, dass die Zinsen in den nächsten zwei Quartalen noch negativer werden und die Schweizerische Nationalbank die Schraube erneut anziehen wird.

Um den Franken zu schwächen? Besteht Anlass dazu? - Wir haben es jüngst wieder beim Brexit gesehen: Immer, wenn unerwartete Ereignissen Unsicherheit schüren, fliesst Kapital in den Franken. Das wird so bleiben. Der Franken steht unter latentem Aufwertungsdruck.

Was könnte ein nächster Auslöser für die Flucht in den Franken sein? - Die üblichen Risiken sind geopolitischer Natur. Aber die grösste Gefahr droht vom europäischen Finanzsektor. Italiens Banken haben 20% notleidende Kredite in ihren Büchern, Tendenz steigend. In den USA wurde das Bankenproblem gelöst. Man liess Institute Bankrott gehen, andere wurden zügig rekapitalisiert. So fand der Sektor rasch zu einer operationellen Normalität zurück, was in Europa leider nicht zutrifft. Auch das Problem der weiter gestiegenen Staatsverschuldung ist ungelöst. Acht Jahre nach der Finanzkrise hangeln wir uns zwar vorwärts, aber sehr, sehr langsam.

Die Neue Helvetische Bank ist Spezialistin für mittelgrosse und kleinere Schweizer Unternehmen. Wie nehmen sie, eineinhalb Jahre nach der Aufhebung der Euro-mindestgrenze, die Frankenstärke wahr? - Unter den mittelgrossen internationalen Unternehmen ist die Frankenstärke kein so grosses Thema mehr. Sie haben Alternativen und können ihre Produktion weiter auslagern. Unter den kleineren sieht es anders aus. Wer nur in der Schweiz produziert, hat es enorm schwer. Die Kosten sind hierzulande einfach höher.

Welche Zukunft hat der Werkplatz Schweiz? - Für die Schweiz ist der starke Franken ein Dauerthema. Er zwingt die Unternehmen, Jahr für Jahr zu optimieren. Die Schweizer Industrie hat das quasi in den Genen. Sie ist kompetitiv, auch weil sie immer wieder neue Produkte hervorbringt. Sie darf einfach nicht stehen bleiben, sonst gehen die Wettbewerbsvorteile verloren.

Welche Rolle spielt bei Ihrer Aktienselektion die Verlagerungspolitik? - Wir selektionieren stets nach den gleichen Kriterien. Wir suchen Unternehmen mit gutem Geschäftsmodell, solidem, freiem Cashflow, starker Bilanz und hohem Ertrag des eingesetzten Kapitals. In unserem Swiss Equity Investment Portfolio von zwölf bis fünfzehn Aktienpositionen gibt es keinen Restrukturierungs-, keinen Übernahmefall sowie keine eingebrochene, krass unterbewertete Gesellschaft. Es sind alles kerngesunde Unternehmen mit strukturellem, sprich nachhaltigem Wachstum, die die Kosten im Griff haben. Kurzfristige Opportunitäten sind eher die Ausnahme.

Also kein Kaufen zu Tiefstkursen? - Das ist ein gutes Vorgehen bei Marktverwerfungen, wenn auch gute Qualität massiv an Wert verliert. Aber es ist keine Strategie, auf die man sich Tag für Tag verlassen kann.

Auch nicht CS oder UBS? -

Von Bankaktien halten wir uns weiterhin fern. Auch eine CS und eine UBS können wir schlicht nicht einschätzen. Wer hätte gedacht, dass Credit Suisse unter 10 Fr. fällt? Das Einzige, was wir wussten, war, dass der Trend im Investment Banking schwach ist, der Fixed-Income-Bereich stockt und die Börsenvolumen schwächeln. Banken sind prozyklisch. Wenn die Wirtschaft anzieht, geht’s den Banken gut, aber so weit sind wir gegenwärtig noch nicht. Auch Rechtsfälle und regulatorische Hürden binden die Institute zurück. Bankaktien sind Value-Traps, also nur vermeintlich billig.

Wie lange halten sie umgekehrt an gebeutelten Titeln fest, siehe Swatch Group? - Swatch Group ist keine Value-Trap. Der Konzern hat fast kein Fremdkapital, generiert weiterhin einen respektablen freien Cashflow und hat hervorragende Produkte. Selbstverständlich sind Umsatz und Rentabilität zurückgekommen aus den bekannten Gründen: Steuern für Luxusuhren in China, Nachfrageeinbruch in Asien und Tourismusregionen in Europa. Aber wir sind überzeugt, dass sich die Situation in den nächsten zwei Jahren normalisieren wird. Und Swatch Group bietet die Gratisoption Belenos, Batterien mit Vanadium, die 30% mehr Kapazität versprechen als herkömmliche Lithiumbatterien. Kooperationspartner Geely aus China, dem unter anderem Volvo gehört, bekommt jetzt Prototypen und will mittelfristig zwei Drittel seiner Autos mit elektrischem oder hybridem Antrieb ausstatten. Die Technologie hat grosses Potenzial.

Mit SGS und Schindler befinden sich zwei weitere Titel mit Asien-Link unter den Favoriten. Macht Ihnen China keine Sorgen? - Chinas Wachstum wird sich auch in den nächsten Jahren abkühlen. Aber Schindler hat sich vom Installations- zum Serviceunternehmen gewandelt. Der Liftservicebereich ist enorm attraktiv und beständig. Auch SGS ist eine hervorragende Firma, eine der wenigen, die mit vielen kleineren Akquisitionen schnell und rentabel zu wachsen imstande ist. Ohne Waren- und Serviceprüfung geht heute im internationalen Handel nichts mehr.

Die guten Aktien sind teuer, zu teuer? - Der US-Markt ist verhältnismässig teuer, Europa günstig und auch nicht überbewertet, wenn man die Finanzwerte herausrechnet. In der Schweiz bewegen sich die ganz grossen Titel nicht über dem Fair Value, sind also, wenn man noch die Dividendenrendite von rund 3% betrachtet, attraktiv bewertet.

Wo liegt die Bewertungsgrenze, wo Sie auch von einem guten Titel die Hände lassen? - Lindt & Sprüngli beispielsweise – ein hervorragendes Unternehmen, aber eben auch enorm teuer. Die US-Fondsgesellschaft Tweedy Browne hat eine gute Formel, die auch wir verwenden: Was wird bei einer Übernahme bezahlt? Meist acht bis zehn Mal den Betriebsgewinn auf Stufe Ebitda. Dieser Betrag darf nicht überschritten sein. Und wir schauen, ob der  Gewinn die Kapitalkosten übertrifft. Wenn das über viele Jahre geschieht, hat sich das Geschäftsmodell bewährt, und es ist grundsätzlich auch ein höheres KGV gerechtfertigt. Das typische Beispiel ist Geberit – teuer zwar, aber stets in der Lage, einen Mehrertrag zu erwirtschaften dank Innovation und Preismacht.

Das Schweizer Musterportfolio der NHB liegt seit Jahresbeginn mit plus rund 7% deutlich vor dem Gesamtmarkt. Was erwarten Sie fürs zweite Halbjahr? - Das kommt auf die Finanztitel an. Kommt es zum Revival, schmilzt unser Vorsprung. Swiss Re ist unser einziger Finanztitel. Eine Belebung des Finanzsektors halten wir jedoch für wenig wahrscheinlich, die Probleme stecken einfach zu tief. Dann sollten wir den Index nochmals ein Stück übertreffen können.

Aktien auch in hektischer und diffuser Zeit? - Mit den richtigen Unternehmen, die ihre Cashflows erwirtschaften, absolut. Heute investiert die ganze Welt passiv, was Mehrertrag von vornherein ausschliesst. Hätte sich Warren Buffett nur am Index orientiert, würde niemand von ihm sprechen. Theorie und Praxis zeigen es immer wieder: Eine umsichtige, unaufgeregte Aktienauswahl ist längerfristig jedem anderen Anlagestil überlegen.