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SNB kann Kehrtwende nicht erklären

Thomas Jordan, Präsident der Schweizerischen Nationalbank, während der heutigen Pressekonferenz.

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) kann ihre Kehrtwende vom 15. Januar, als sie nach dreieindrittel Jahren den Franken-Euro-Mindestkurs aufhob, nach wie vor nicht völlig überzeugend erklären. Zwar trat SNB-Präsident Thomas Jordan souverän auf, als er sich am Donnerstagvormittag anlässlich der vierteljährlichen geldpolitischen Lagebeurteilung den Fragen der Medien stellte – zum ersten Mal seit der Kehrtwende. Diese nagt dennoch an der Glaubwürdigkeit.

Mindestkurs doch nicht absolut notwendig

Der Mindestkurs sei absolut notwendig, hatte die SNB jeweils erklärt. Damit könne sie ihr Mandat erfüllen, die Preisstabilität zu gewährleisten. Sie müsse sich gegen den Deflationsdruck stemmen, denn ein noch stärkerer Franken würde Importe vergünstigen und das Preisniveau weiter nach unten drücken.

Am Donnerstag und ohne Mindestkurs hat die SNB nun ihre Inflationsprognose deutlich herabgesetzt, für dieses Jahr von –0,1 auf –1,1% und für nächstes Jahr von 0,3 auf –0,5%.

Da der Mindestkurs nicht mehr existiert, müsste die Nationalbank konsequenterweise andere Massnahmen ergreifen, um ihr Mandat zu erfüllen. Doch den Leitzins respektive das Zielband für den Dreimonatszins Libor lässt sie unverändert auf –0,25 bis –1,25%, und in der Mitte verharrt der Zins auf Sichteinlagen bei der SNB bei –0,75%. Die Ökonomen von UniCredit kommentieren, in einem deflationären Umfeld könne eine Notenbank ihre Inflationsprognose nicht beliebig oft herabsetzen ohne Auswirkung auf ihre Glaubwürdigkeit.

Trotz klarem Mandat abwarten statt Gegensteuer geben

Weshalb also hat die Nationalbank mit Blick auf ihr Mandat am Donnerstag den Leitzins nicht weiter gesenkt? Jordan erklärte, die SNB sei mit –0,75% «schon sehr weit gegangen». Nun «wollen wir die Wirkung beobachten». Der Franken sei sehr hoch bewertet, und der Negativzins sollte helfen, diese Überbewertung abzubauen. Damit schwinde auch der Druck auf die Importpreise.

Künftig weniger Institute vom Mindestzins befreit

Der Negativzins ist weitherum auf Kritik gestossen, etwa weil er auch Pensionskassen trifft, die Altersguthaben anlegen. Dieses Geld fliesse nicht in die Schweiz und führe dadurch zu Aufwertungsdruck auf den Franken, sondern es liege schon im Inland.

Jordan: «Damit das Instrument der Negativzinsen wirkt, muss es für alle gelten.» Je mehr Ausnahmen gemacht würden, desto weicher werde dieses Instrument, desto mehr werde es unterlaufen.

Zudem trügen nicht nur ausländische Gelder dazu bei, dass der Franken stark sei, gab Jordan zu bedenken, es sei «eine Mischung von Einflüssen vorhanden». Direktoriumsmitglied Jean-Pierre Danthine führte aus, die Schweiz habe im Aussenhandel stets einen Exportüberschuss. Das damit von Inländern eingenommene Kapital sei traditionellerweise zumindest zum Teil im Ausland investiert worden. Seit der Finanzkrise blieben die Exporteinnahmen im Inland, statt in ausländischen Währungen investiert zu werden, das stärkte den Franken.

Somit fragt sich, weshalb die SNB bundesnahe Betriebe wie die Pensionskasse Publica vom Negativzins befreit. «Wir überprüfen alle Ausnahmen, die wir im Moment haben, mit dem Ziel, diese Ausnahmen zu reduzieren», sagte Jordan. Die SNB will also künftig nicht mehr, sondern weniger Ausnahmen als jetzt.

Die Bilanz für die Geldpolitik einsetzen

Jordan ging auch auf die Frage ein, weshalb die Kehrtwende gerade im Januar notwendig war. Immerhin hatte die SNB im September gewarnt, die Wirtschaftsaussichten hätten sich «spürbar verschlechtert» und die «Deflationsrisiken wieder zugenommen». Und am 11. Dezember doppelte sie nach: «Die Deflationsrisiken haben nochmals zugenommen.»

Und am 15. Januar? Hatte die SNB Angst, sie müsste allzu hohe Devisenbeträge kaufen, um den Mindestkurs weiterhin zu verteidigen? Dadurch würden sich die Fremdwährungsreserven respektive die Bilanz weiter aufblähen – sie beträgt etwa 80% des schweizerischen Bruttoinlandprodukts. Dazu sagt Charles Wyplosz, Experte für Geldpolitik an der Universität Genf ( lesen Sie hier mehr ): «Es gibt kein Problem mit der Grösse einer Notenbankbilanz für die Geldpolitik. Auch falls sich die Bilanz nochmals verdreifacht oder vervierfacht hätte: Wenn das nötig ist, um die Geldpolitik umzusetzen, muss es getan werden.»

Jordan: «Die Nationalbank hat nie Angst gehabt, ihre Bilanz einzusetzen, wenn sie davon überzeugt war, dass die Bilanzausdehnung ein geldpolitisches Ziel erreichen kann.» Die SNB habe auch nie Angst gehabt, dass es nach einer solchen Massnahme grosse Verluste geben könne – solche habe es in der Vergangenheit mehrfach gegeben. Die Gewinnausschüttung an Bund und Kantone «ist nie ein Thema gewesen, das die Nationalbank bei ihren geldpolitischen Handlungen beeinflusst hätte».

Keine Chance gegen die EZB

Die SNB müsse selbstverständlich auch schauen, dass sie die Mittel, die sie zur Verfügung habe, sinnvoll einsetze, erklärte Jordan. Es gehe nicht an, unnötige und vermeidbare Verluste in Kauf zu nehmen. «Dadurch würde künftig die Fähigkeit der Nationalbank geschwächt, ihre Geldpolitik durchzuführen.» Es beeinträchtige einerseits die Fähigkeit, später die Bilanz noch einmal auszudehnen, und anderseits die Fähigkeit, die Bilanz bei Bedarf zu verkleinern. Dabei könne sich eine ungeschickte Geldpolitik stark auswirken.

Zwischen dem 11. Dezember und dem 15. Januar hat sich vor allem eines verändert: Die Anzeichen verdichteten sich, dass die Europäische Zentralbank ihr umfangreiches Anleihenkaufprogramm – die quantitative Lockerung QE – in Bälde starten werde. Am 22. Januar hat die EZB dies angekündigt, und das hat den Euro weiter nach unten gedrückt.