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Sergio Marchionne ist tot

Der italienische Journalist Tommaso Ebhardt begleitete während Jahren das Wirken von Sergio Marchionne bei Fiat aus nächster Nähe. In seinem vor wenigen Tagen bei Bloomberg publizierten Essay «Marchionne und ich» schildert er in einer Anekdote, mit welchem Tempo der Konzernchef im Geschäftsleben unterwegs war.

Der Reporter erinnert sich, wie er am 1. Januar 2014 mit seiner Tochter in den Dolomiten die Skiferien verbrachte. Da kam die Meldung herein, dass Fiat nach fünf Jahren Verhandlungen soeben den US-Autobauer Chrysler übernommen hatte. Statt Skifahren mit der Tochter war nun Arbeit angesagt. «Ich war nicht wirklich überrascht. Marchionne arbeitet sieben Tage die Woche, jeden Tag im Jahr», schreibt Ebhardt.

Den Grundstein zu seiner ­steilen Karriere in der Wirtschaftswelt legte Marchionne in den 90er-Jahren in der Schweiz. Damals zeigte er sich noch mit Anzug und Krawatte. In diesen Tagen tauchten diese Bilder wieder in den Medien auf – Marchionne mit den beiden Investoren Martin Ebner und Christoph Blocher. Alle drei lächeln zufrieden. Marchionne war seit knapp drei Jahren Konzernchef von Algroup (Alusuisse-Lonza) und versprach, alles zu unternehmen, um den Wert für die Aktionäre zu steigern.

Nach zwei gescheiterten Fusionsversuchen gelang Marchionne das Gesellenstück: Die Chemiesparte Lonza wurde abgespalten und Alusuisse mit der kanadischen Alcan fusioniert. Das Ausbeinen des über 100-jährigen Traditionskonzerns machte die Aktionäre reich – allen voran Ebner und Blocher, die rund 20 Prozent am Unternehmen hielten und im Verwaltungsrat sassen. Marchionne verschaffte den beiden einen Gewinn von gegen 500 Millionen Franken, wie Analysten berechneten.

Marchionne erarbeitete sich jede Stufe selbst

Marchionne musste sich danach vorerst mit dem Chefposten der geschrumpften Lonza zufriedengeben. Doch sein weiterer Karriereschritt war eingefädelt. Algroup-Aktionär August von Fink jun. machte den damals 50-Jährigen 2002 zum Chef des Warenprüfkonzerns SGS, an welchem der Industrielle ebenfalls eine namhafte Beteiligung hielt.

SGS war ein Sanierungsfall. Marchionne ging sofort unzimperlich ans Werk. Er trennte sich innerhalb von zwei Jahren von 3000 Mitarbeitern und verschaffte sich den Ruf des harten, rücksichtslosen Managers. «Wenn es hart sein soll, dass ich Leute zur Rechenschaft ziehe, wenn sie nicht halten, was sie versprechen, dann bin ich hart», sagte er in einem Interview mit der «Bilanz». Trotz der Härte verliere er jedoch nie die Menschlichkeit, fügte er an. Im Rekordtempo gelingt Marchionne der Turnaround bei SGS.

Seine Karriere verdankte der Italokanadier weder der Herkunft noch langjährigen Seilschaften aus einem Bildungsinstitut oder einer Partei. Marchionne erarbeitete sich jede Stufe auf der Treppe nach oben selbst. Geboren und aufgewachsen ist der Sohn eines Polizisten in den italienischen Abruzzen. Mit seiner Familie wanderte er im Alter von 14 Jahren nach Kanada aus. Er studierte Philosophie, Betriebswirtschaft und Rechtswissenschaften in Toronto.

Als Marchionne 1983 ins Berufsleben startete, war er bereits 31 Jahre alt. Er begann als Spezialist für Steuerfragen bei der Revisionsfirma Deloitte. 1992 wurde er Finanzchef einer Verpackungsfirma, die zwei Jahre später von der Alusuisse übernommen wurde.

Bei der SGS wurde die Fiat-Familie Agnelli auf ihn aufmerksam. Sie hielt eine grössere Beteiligung an der Genfer Warenprüfgesellschaft. Erst holten die Agnellis Marchionne in den Verwaltungsrat von Fiat, 2004 übernahm er die Leitung des vor der Pleite stehenden Turiner Autokonzerns. Wie bei seinen früheren Stationen ordnete Marchionne auch bei Fiat alles dem Erfolg unter.

Bei der Industrieikone war der Glaube an Marchionne derart gross, dass man ihn ungehemmt gewähren liess. Langjährige Manager mussten gehen, Teile der Produktion verschwanden ins Ausland, und der Konzernsitz wurde schliesslich von Turin ins steuergünstige Amsterdam verlegt. Auch der Ferrari-Chef musste gehen. Luca di Montezemolo, Vertrauensmann der Agnellis und langjähriger Fiat-Präsident, unterlag vor vier Jahren im Machtkampf. Marchionne setzte sich selbst an die Spitze der Edelmarke aus Maranello.

Auf Platz 181 der reichsten Schweizer

Marchionne trat längst nicht mehr im Anzug auf. Ein dunkler Pullover, darunter ein Karohemd, war seit Jahren sein Markenzeichen. Er soll in den Schränken seiner Wohnsitze gleich mehrere solcher Outfits gehabt haben. Dank dem Erfolg und seiner Erscheinung galt er als Kultmanager.

Seinen Wohnsitz hatte Marchionne jahrelang in Walchwil ZG, heute ist er in Schindellegi SZ gemeldet. Laut «Wall Street Journal» erzielte er zeitweise ein Jahreseinkommen von über 70 Millionen Dollar, die «Bilanz» listet Marchionne mit einem geschätzten Vermögen von 550 Millionen Franken auf Platz 181 der reichsten Schweizer.

Für Schlagzeilen sorgte Marchionne, als er 2007 am Steuer seines Ferraris auf der A1 bei Rothrist einen Auffahrunfall baute. Verletzt wurde niemand.

Die Zusammenführung von Chrysler und Fiat wurde zur Krönung von Marchionnes Managerkarriere. Während Daimler Jahre zuvor scheiterte, reüssierte er. Heute ist Fiat-Chrysler mit den Marken Fiat, Alfa Romeo, Lancia, Maserati, Dodge, Jeep und Ram der siebtgrösste Autokonzern und schreibt schwarze Zahlen. Der Aktienkurs hat sich innert vier Jahren mehr als verdreifacht.

Seinen Abgang bei Fiat-Chrysler hatte Marchionne bereits aufgegleist, seine Gesundheit machte dem starken Zigarettenraucher nun aber einen Strich durch diese Pläne.

Nicht nur der Journalist Tommaso Ebhardt wird Marchionne in bleibender Erinnerung behalten – auch seine Tochter. Sie erhielt im Januar 2014 per Post ein Geschenk und einen Brief. «Es tut mir leid, dass ich deine Skiferien gestört habe, indem ich deinen Vater beschäftigte», stand dort geschrieben, signiert von Sergio Marchionne. (Tages-Anzeiger)

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