Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Schweiz und UK: Gemeinsame Interessen

Der Zugang zum europäischen Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen ist für den Schweizer Finanzplatz, den Marktführer in der grenzüberschreitenden Vermögensverwaltung, von zentraler Bedeutung. Das Vereinigte Königreich sieht sich heute mit einem ähnlichen Problem konfrontiert, da das Land infolge des Brexit den «Europäischen Pass» verlieren wird, dank dem sämtliche Finanzinstitute auf dem britischen Hoheitsgebiet ihre Dienstleistungen in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union anbieten dürfen. Das Vereinigte Königreich und die Schweiz haben also grosse gemeinsame Interessen, die sie gegenüber der EU durchsetzen möchten.

Gewiss, die beiden Länder befinden sich in einer anderen Situation und verfügen auch nicht über die gleiche Verhandlungsmacht gegenüber der EU. Erstens: Der Grössenunterschied und somit das Gewicht sind nicht zu unterschätzen. Der Schweizer Finanzplatz ist zwar gross, hat aber bei weitem nicht das Gewicht der City, des wichtigsten Finanzzentrums der Welt. Der Zugang zum britischen Markt für Finanzdienstleistungen ist für die europäischen Banken – insbesondere für die kleineren Institute – also äusserst wichtig, wäre die Gründung einer Tochtergesellschaft in London doch sehr kostspielig.

Bilateralen Weg erneuern

Zweitens: Während die Schweiz unter starkem Druck steht, rasch ein institutionelles Rahmenabkommen mit der EU abzuschliessen, hat das Vereinigte Königreich beschlossen, den europäischen Binnenmarkt zu verlassen, und bemüht sich um ein Freihandelsabkommen mit der EU. Die Schweiz kann es sich heute folglich nicht leisten, ihre Beziehungen mit der EU noch weiter zu verkomplizieren und den Abschluss eines institutionellen Rahmenabkommens – das unabdingbar ist, um den bilateralen Weg zu erneuern und einen besseren Zugang zum europäischen Markt zu erhalten – zu erschweren.

Drittens: Das Vereinigte Königreich ist im Gegensatz zur Schweiz immer noch Mitglied der EU. Die britischen Finanz- und Bankvorschriften entsprechen somit den EU-Anforderungen voll und ganz. Dies wird die Verhandlungen mit der EU über ein Abkommen, mit welchem sich beide Vertragspartner nach dem Brexit den gegenseitigen Zugang zu ihren jeweiligen Märkten für Finanzdienstleistungen sichern, zweifelsohne wesentlich vereinfachen. Viertens: Die Schweiz und das Vereinigte Königreich sind und bleiben im Finanzdienstleistungsbereich in mancherlei Hinsicht Konkurrenten.

Diese unterschiedlichen Voraussetzungen sollten die Schweiz und das Vereinigte Königreich jedoch nicht davon abhalten, im Hinblick auf ihre jeweiligen Verhandlungen mit der EU Möglichkeiten der Zusammenarbeit zu nutzen.

Da das Vereinigte Königreich seine Beziehungen zur EU von Grund auf neu regeln muss, tut es sicherlich gut daran, die Erfahrungen der Schweiz zu berücksichtigen, die rund hundertzwanzig bilaterale Abkommen mit der EU abgeschlossen hat. Deshalb hat die britische Politik seit dem Votum für den Brexit Experten und ehemalige politische Entscheidungsträger aus der Schweiz beigezogen. Sie will sich ein genaueres Bild davon verschaffen, welche Erfahrungen die Schweiz bei ihren bilateralen Verhandlungen mit der EU und bei der Umsetzung der mit ihr abgeschlossenen Abkommen gemacht hat.

Mehr als Erfahrungsaustausch

Die gemeinsamen Interessen der Schweiz und des Vereinigten Königreichs gehen jedoch über den blossen Erfahrungsaustausch hinaus. Es liegt im Interesse beider Länder, mitzuverfolgen, wie sich die laufenden Verhandlungen zwischen der EU und dem jeweils anderen Staat entwickeln. Die Lage hat sich deutlich entspannt, seit es den europäischen und den britischen Unterhändlern im letzten März gelungen ist, sich auf eine Übergangsregelung für den EU-Austritt des Vereinigten Königreichs zu einigen.

Trotzdem steht es noch in den Sternen, wie sich der Zugang zum europäischen Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen gestalten wird, welchen die City erhalten könnte. Während die Europäische Kommission ein Äquivalenzsystem befürwortet, stehen die britische Politik und Finanzbranche dieser Lösung zu Recht sehr skeptisch gegenüber. Die Einführung der Äquivalenzlösung würde einer widerruflichen politischen Ermessensentscheidung der EU gleichkommen. Aus diesem Grund sprechen sich die Interessengruppen der City, namentlich die International Regulatory Strategy Group (IRSG), denn auch für eine Zwischenlösung zwischen Pass und Äquivalenzsystem aus.

Meistbegünstigungsklausel

Sie bevorzugen die gegenseitige Anerkennung der jeweiligen Regeln im Rahmen eines massgeschneiderten Freihandelsabkommens zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich. Eine solche Lösung, mit welcher der grenzüberschreitende Zugang zum europäischen Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen gesichert wäre, würde natürlich eine enge Zusammenarbeit zwischen den Aufsichtsinstanzen voraussetzen.

Die Schweiz könnte bei ihren Verhandlungen mit der EU die Bedingungen, die diese dem Vereinigten Königreich zur Regelung des grenzüberschreitenden Zugangs zum europäischen Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen allenfalls gewährt, als Hebel nutzen. Sie könnte sich in diesem Fall auf die Meistbegünstigungsklausel (NPF) in den WTO-Übereinkommen berufen, wonach ein Vertragspartner alle Vorteile und Vergünstigungen, die er einem anderen zugesteht, auch allen übrigen Mitgliedstaaten einzuräumen hat. Ausnahmen zu dieser NPF-Regel bestehen zwar, dennoch müssen die beiden Partnerstaaten dieses Dossier mit grosser Aufmerksamkeit verfolgen.