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«Nur Stock Picking betreiben ist zu riskant»

Roland Egger: «Zurzeit fühlen wir uns mit unserer defensiven Haltung wohl.»

Herr Egger, die Börsen kommen nur noch schwer vom Fleck. Wo klemmt’s? - Klemmen erscheint mir ein bisschen übertrieben. Wenn man die steile Entwicklung seit Mitte Februar berücksichtigt, war eine Atempause zu erwarten. Klar, der Einbruch im ersten Quartal war heftig, aber der Markt hat sich davon relativ schnell erholt. Angesichts der frappanten Erholung ist die Konsolidierung eine gesunde Entwicklung.

Wovor haben Sie mehr Respekt, vor einem Zinsanstieg – in den USA machen wiederum Zinsängste die Runde – oder vor einer schwachen Weltwirtschaft? - Ehrlich gesagt würde ein abrupter Zinsanstieg die Märkte wohl stärker überraschen, und zwar negativ. In letzter Zeit scheint sich die Konsensmeinung dahingehend gebildet zu haben, dass die Zinsen auch am langen Ende für längere Zeit tiefer bleiben werden.

Wo befinden wir uns im Börsenzyklus? - Wenn wir die Hausse des S&P 500 betrachten, die im März 2009 begann, müssen wir ganz klar sehen, dass dies historisch einer der längsten Bullenmärkte ist. Vorher fand allerdings einer der schärfsten Einbrüche statt, ausgelöst durch die US-Immobilienkrise. Auch der US-Konjunkturzyklus läuft bereits überdurchschnittlich lange. Über alles gesehen kann man den Börsenzyklus schon als ziemlich reif bezeichnen.

Wozu raten Sie vor diesem Hintergrund an den Aktienmärkten? - Wir sind zurzeit vorsichtig eingestellt und raten zu einer leichten Untergewichtung der Aktienquoten. Wir sehen momentan nur noch ein limitiertes Aufwärtspotenzial. Wir schätzen die Aktienmärkte generell als eher hoch bewertet ein und denken, dass die Gewinnaussichten der Unternehmen auf mittlere Frist nicht viel Wachstumspotenzial aufweisen.

Gibt es Alternativen zu Aktien? - Aktien bleiben Aktien, und wenn man in Dividendentitel investiert, muss man mit Schwankungen leben können. Wer einen ausreichend langen Anlagehorizont hat, fährt mit Aktien klar am besten. Eine Alternative könnten Private-Equity-Anlagen sein. Jedoch ist da eine längere Bindung Pflicht. Zur Diversifikation empfiehlt es sich nach wie vor, einen gewissen Teil in festverzinsliche Papiere zu investieren. Die Märkte haben es im 1. Quartal bewiesen. Aber es gilt festzuhalten: Rendite wie bei Aktien lassen sich nur mit Aktien erzielen.

Wo lässt sich ein Investment verantworten, sind nicht auch Unternehmensanleihen riskant, Stichworte Zinsänderungs- und Ausfallrisiko? - Die Suche nach Rendite treibt die Anleger ganz klar die Risikoleiter hoch. Trotzdem gibt es nach wie vor Sektoren, die etwas abwerfen. Wir schätzen in Europa Hochzinsanleihen als attraktiv ein. Erstens drückt die Europäische Zentralbank mit ihren Käufen die Renditen nicht nur der Staats-, sondern auch der Unternehmensanleihen nach unten. Zweitens erwarten wir, dass das fundamentale Umfeld in Europa weiteres Verbesserungspotenzial hat, was sich günstig auf die Kreditrisikoaufschläge auswirkt.

Welche Asset Allocation empfiehlt Lombard Odier für ein ausgewogenes Portfolio? - Für ein ausgeglichenes Frankenportfolio empfehlen wir 3% Cash, 38,5% Obligationen. Aktien gewichten wir mit 41%, und 17,5% gehen in alternative Anlagen.

Wie könnte sich der Mix verändern, worüber machen Sie sich Gedanken? - Die politische Agenda ist für die nächsten Monate ziemlich beladen: das EU-Referendum in Grossbritannien, mögliche Wahlen in Spanien, die Verhandlungen über die Schulden Griechenlands, um nur ein paar Themen zu nennen. Eine Überraschung – Sie haben es angetönt – könnte auch darin liegen, dass die US-Daten dem Fed plötzlich Grund geben, doch noch im Sommer die Zinsen zu erhöhen. Zurzeit fühlen wir uns mit unserer defensiven Haltung wohl.

Der Anlagemix unterscheidet sich unter den Banken nicht sonderlich. Wo würden Sie antizyklisch ansetzen? - Wir haben im Februar in Schwellenländerwährungen investiert, aufgrund der Einschätzung, dass die Dollarhausse ins Stottern geraten wird und eine Erholung der ausgebombten Schwellenländerwährungen überfällig war. Die jüngsten Bewegungen gaben uns recht.

Gold und Rohstoffe setzen sich positiv in Szene. Geht der Aufschwung weiter? - Gold ist als Absicherung gegen einen Vertrauensverlust in die Währungen zu sehen. Man hält es und hofft, dass man es nicht braucht. Mit Blick auf die grosszügige Geldpolitik der Notenbanken hat Gold durchaus Potenzial. Einzig ein unerwarteter Anstieg des allgemeinen Zinsniveaus würde ihm schaden. Rohstoffen gegenüber sind wir generell neutral eingestellt. Innerhalb der Rohstoffe sind wir leicht negativ bezüglich Basismetallen. Edelmetalle stufen wir neutral ein. Der Ölpreis könnte in der zweiten Jahreshälfte angesichts des erwarteten Produktionsrückgangs in den USA etwas steigen, aber kaum deutlich.

Verluste minimieren statt Gewinne maximieren, ist das Credo der ins Kraut schiessenden Multi-Asset-Lösungen. Stimmen Sie in den Chor mit ein? - Wir bieten mit unseren Vantage-Funds bereits seit einiger Zeit einen risikobasierten Ansatz, der klar darauf abzielt, Abwärtsrisiken zu minimieren. Auch unsere Pensionskasse wird nach diesem Prinzip – sehr erfolgreich übrigens – verwaltet. Es ist eine geeignete Lösung für Anleger, die sich nicht allzu sehr den Schwankungen der Märkte aussetzen möchten.

Tröstet es den Kunden, wenn er weniger verliert als der Gesamtmarkt? Verlust ist Verlust. - Den risikobasierten Ansatz setzen wir im erwähnten Fonds um. In einem konventionellen Portfolio kann man Verluste mit dem aktiven Einsatz von derivaten Instrumenten oder Futures, die man zur temporären Absicherung nutzt, vermeiden. Nur – theoretisch klingt das einfach, in der Praxis jedoch ist es um einiges schwieriger. Man muss sich bewusst sein, dass jede Absicherung ihren Preis hat und der Erfolg keineswegs garantiert ist. Wir empfehlen ganz klar, ein breit diversifiziertes Portfolio zu konstruieren. Diversifikation ist der einzige Schutz, der gratis ist.

Die Cash-Positionen sind hoch. Wird es zu Negativzinsen kommen, auch für kleinere Beträge, und was könnte der Ausweg sein? - Es ist sehr schwierig einzuschätzen, ob und wann die Negativzinsen auch für kleinere Beträge erhoben werden. Die Optionen sind allesamt nicht ohne Risiken. Das Ziel der Notenbank ist ja unter anderem, dass die hohen Frankenbestände vermehrt im Ausland investiert werden, so lässt sich der Frankenkurs schwächen. Auch da stellt sich sofort die Frage nach geeigneten Instrumenten, denn kurz laufende, risikoarme Obligationen rentieren grösstenteils negativ. Grundsätzlich wichtig ist der Anlagehorizont. Wer über mehr als sechs Monate disponiert, für den könnten Obligationen-Fonds mit niedriger Duration, wie unser Ultra-Short-Duration Fonds, eine Möglichkeit sein.

Was ist im gegenwärtigen Umfeld der Schlüssel am Aktienmarkt: Investieren nach Sektoren und Regionen oder sich einzig aufs Stock Picking konzentrieren? - Wir empfehlen generell einen sogenannten Core-Satellite-Ansatz, ein festen Kern garniert mit Ergänzungsanlagen. Die genannten Schwellenländer-Währungen sind ein solcher Satellit. Ein Portfolio allein auf Stock Picking aufzubauen, ist riskant. Selbstverständlich raten wir zu einer breiten Diversifikation über Regionen und Sektoren hinweg. Das schliesst aber nicht aus, innerhalb dieser Allokation sehr selektiv vorzugehen. Strategisch favorisieren wir Technologie und Gesundheit. Mit Blick auf die Regionen haben wir zurzeit keine Präferenz.

Und die Frage: Small oder Large Caps? - Auch da ist der Anlagehorizont entscheidend. Small Caps waren in der Vergangenheit besser, aber man muss sich bewusst sein, dass dies vor allem auch der Liquiditätsprämie geschuldet ist. Ein rasches Aussteigen kann in kleinkapitalisierten Titeln schwierig sein. Man muss bereit sein, Korrekturen und Durststrecken auszusitzen. Wir empfehlen eine ausgeglichene Allokation zwischen Large und Small Caps.

Wo stehen in Ihrem Szenario SMI, Dax und S&P 500 Ende Jahr? - Wir setzen keine spezifischen Kursziele, sondern berechnen Fair-Value-Marken. Im SMI sehen wir sie Ende Jahr bei 9000, im S&P 500 bei 2050 und im Stoxx Europe 600 bei 360.

Welche Einzeltitel – Schweiz und international – sind ein Muss? - Wichtig ist eine breite Diversifikation, sei es auf Sektor- als auch auf Titelebene. Wenn Sie drei Namen hören wollen: in der Schweiz Novartis, Roche und Geberit und international LVMH, Royal Dutch Shell und Walt Disney.