Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

«Novartis ist eine Value-Perle»

«Wir sind nicht bereit, für eine vage Zukunft zu zahlen, sondern nur für das, was wir heute sehen können.»

Pharmawerte haben in den letzten Jahren wenig Freude bereitet. Auch die Schweizer Blue Chips Novartis und Roche schneiden nur mässig ab. Genau das macht sie für Sarah Ketterer interessant. «Es begeistert uns, wenn wir grossartige Unternehmen finden, die vom Markt vernachlässigt werden», sagt die Gründerin von Causeway Capital Management. Die auf internationale Value-Strategien spezialisierte Investmentboutique aus Los Angeles fokussiert sich auf günstig bewertete Qualitätstitel und bewirtschaftet rund 60 Mrd. $ an Kundengeldern. Optimistisch ist die erfahrene Investorin ebenso für die Valoren der Industriegruppe ABB, wo sie mitunter Chancen im Trend zu Elektroautos sieht.

Frau Ketterer, Value-Strategien haben einen schweren Stand. Wachstumstitel wie Amazon und Netflix stehen derzeit in der Gunst der Anleger, wogegen Substanzwerte wenig populär sind. Wie gehen Sie unter diesen Bedingungen vor? - Für Value-Investoren gibt es immer wieder Phasen, die psychologisch enorm schwierig sind. Selbst mein Nachbar fragt mich inzwischen, ob sich all die harte Arbeit zur sorgfältigen Aktienanalyse überhaupt lohne, wenn man an der Börse doch auch sonst spielend leicht Geld verdienen könne. Solche Aussagen sind aber in der Regel ein Anzeichen dafür, dass der Markt den Zenit erreicht hat.

Das hat es in den letzten Jahren aber schon oft geheissen. - Ich arbeite inzwischen über drei Jahrzehnte im Investmentgeschäft. Dabei hat sich immer wieder gezeigt, wie schwierig es ist, den Markt zu timen. Es ist wie mit einem Hütchenspiel, bei dem man praktisch nur verlieren kann. Emotionen sind deshalb ein schlechter Ratgeber. Selbst wenn man den richtigen Zeitpunkt zum Ausstieg erwischt, ist die Gefahr dann gross, dass man den richtigen Moment für den Wiedereinstieg verpasst. Hinzu kommt, dass sich die Märkte nicht immer so ruhig verhalten werden wie in den vergangenen Jahren. Normalerweise schwanken sie viel intensiver, was nicht nur Risiken birgt, sondern auch Chancen bietet.

Wo genau sehen Sie denn Chancen? - Anleger, die auf Wachstum setzen, sind vor allem am Ausblick interessiert. Sie können sich vor Vorfreude auf die Zukunft kaum im Zaum halten, wogegen ihnen die Gegenwart dumpf und langweilig erscheint. Genau umgekehrt ist es für Value-Investoren wie uns: Wir sind nicht bereit, für eine vage Zukunft zu zahlen, sondern nur für das, was wir wirklich sehen können. Deshalb spüren wir Unternehmen auf, die falsch verstanden werden. Ein Paradebeispiel dafür sind gegenwärtig Pharmaaktien wie Novartis.

Was macht Novartis interessant? - Die Bewertung: Wenn man den Wert aller Medikamente zusammenzählt, eine kleine Prämie für die Entwicklungspipeline hinzurechnet, davon die geringen Schulden abzieht und zusätzlich die angekündigte Abspaltung der Augenheilsparte Alcon in Betracht zieht, dann resultiert ein Endergebnis, das den aktuellen Börsenwert klar übersteigt. Hinzu kommt eine Dividendenrendite von rund 3,5%. Das macht Novartis zu einer Value-Perle. Man braucht bloss zu warten, bis sich die Bewertungslücke schliesst, und wird dafür in der Zwischenzeit mit einer feudalen Ausschüttung belohnt.

Jetzt steigen die Zinsen aber. Das spricht nicht gerade für Renditepapiere. - Viele Investoren machen hier einen Denkfehler. Sie glauben, dass Aktien mit einer hohen Dividendenrendite am empfindlichsten auf steigende Zinsen reagieren werden. Ich argumentiere hingegen, dass das Gegenteil der Fall ist.

Weshalb? - Der wichtigste Faktor für die Bewertung einer Aktie ist der Zins, auf dessen Basis der erwartete Cashflow abdiskontiert wird: Je höher der Satz, desto weniger ist der künftige Zahlungsstrom eines Unternehmens heute wert. Genau das spricht gegen Wachstumstitel. Investoren zahlen für sie einen hohen Preis im Voraus und müssen dann lange warten, bis sie ihr Geld zurückerhalten. Dank der rekordtiefen Zinsen war das bislang kein Problem. Das ändert sich nun aber, wenn die Kreditkosten steigen. In diesem Umfeld werden Value-Aktien umso interessanter. Statt auf die Zukunft zu wetten, wird es attraktiver, eine günstige Aktie zu kaufen, mit der man sein Geld in wenigen Jahren zurückerhält.

Novartis befindet sich derzeit allerdings im Umbau. Birgt das nicht Risiken? - Das stimmt. Es eröffnet aber auch grosses Kurspotenzial. Novartis ist ein Unternehmen aus der Kategorie «Selbsthilfe». Damit meine ich finanziell kerngesunde Gesellschaften, die ihr operatives Geschäft restrukturieren. Im Klartext heisst das, jeder Konzernbereich wird daraufhin geprüft, ob er fortan noch zum Kerngeschäft passt. Im Gegensatz dazu haben Wachstumsunternehmen kaum Zeit, sich um Fragen dieser Art zu kümmern. Für sie zählt in erster Linie, das Expansionstempo möglichst hoch zu halten, wobei die Kosten häufig vernachlässigt werden.

Was bringt in dieser Hinsicht die Abspaltung von Alcon? - Seit Novartis Alcon akquiriert hat, sind bald zehn Jahre vergangen. Wir sind daher erfreut, dass Vasant Narasimhan als neuer Konzernchef frischen Wind bringt. Als er uns vor einiger Zeit hier in unseren Büros in Los Angeles besuchte, wurde uns sofort klar, dass er die Einzelteile der Gruppe nüchtern analysiert und sich nicht scheut, Tabus zu brechen. Noch vor wenigen Jahren wäre eine Abspaltung von Alcon hingegen kein Thema gewesen.

Inwiefern spielt es für einen US-Investor wie Causeway Capital eine Rolle, dass Novartis ein Schweizer Unternehmen ist? - In der Schweiz gibt es eine ganze Reihe qualitativ hochstehender Unternehmen. Ein weiteres Beispiel ist Roche, wo wir ebenfalls investiert sind. Roche wird wie Novartis ausgezeichnet geführt und belehrt Kritiker immer wieder eines Besseren. Der Konzern hält die Konkurrenz aus dem Bereich Biosimilars auf Distanz, indem er Innovationen vorantreibt und auf ein breites Produktportfolio setzt.

Für welche Aktien würden Sie sich entscheiden, wenn Sie wählen müssten: Roche oder Novartis? - In unserem Team gibt es dazu unterschiedliche Meinungen. Mir gefällt, dass beide Titel in unserem Portfolio sind. Dass Novartis ein Drittel der Inhaberaktien von Roche hält, gibt Roche zudem Stabilität. Wir können die Zukunft natürlich nicht vorhersehen. In der Vergangenheit sagte aber jeder Chef von Novartis stets das Gleiche: Die Roche-Beteiligung wird nicht angerührt. Novartis wird daher wohl eher zuerst prüfen, ob die Generikasparte Sandoz teilweise oder ganz veräussert werden soll, bevor Fragen zum Roche-Paket überhaupt aufkommen.

In Ihrem Portfolio befinden sich auch andere europäische Pharmawerte. Was spricht generell für den Sektor? - Die Branche ist im Umbruch. Sie muss ihre Ressourcen effizienter bewirtschaften und ist innovativ gefordert, neue Medikamente zu entwickeln. Der Druck, Wert für Investoren zu schaffen, dürfte künftig sogar noch weiter steigen. In dieser Hinsicht sind auch die Valoren von AstraZeneca attraktiv. Das Unternehmen ist in der Vergangenheit zwar über hausgemachte Probleme gestolpert. Heute verfügt es aber über eine der spannendsten Pipelines im Bereich Immunotherapie, bei der Krebs mit körpereigenen Zellen bekämpft wird. Den Präparaten, die sich im Entwicklungsstadium befinden, messen wir bei der Aktienbewertung zwar kaum Gewicht zu. Kommt ein neues Medikament dann aber auf den Markt, ist das wie das Sahnehäubchen auf dem Kuchen.

Ein Unsicherheitsfaktor sind aber die Medikamentenpreise. Im Kernmarkt USA droht Präsident Trump diesbezüglich mit Eingriffen. - Die Trump-Regierung ist darauf erpicht, im Kampf gegen steigende Medikamentenpreise einen Erfolg zu verbuchen. Sie wird sich aber auf weit verbreitete Krankheiten wie Diabetes konzentrieren. Die Unternehmen, in die wir investieren, sind in diesen Bereichen kaum engagiert. Sie fokussieren sich auf Gebiete wie Onkologie, Multiple Sklerose, Arthritis oder Alzheimer. Der enorme Bedarf an Behandlungsmöglichkeiten ist bei diesen Krankheiten kaum gedeckt, sodass reichlich Raum zur Preissetzung besteht.

Positionen hielten Sie auch schon in den Aktien der Schweizer Grossbanken CS und UBS. Warum jetzt nicht mehr? - Auch im Finanzsektor suchen wir vorab Unternehmen, die in die Kategorie «Selbsthilfe» fallen. Das gilt etwa für Barclays aus Grossbritannien, wo sich endlich Fortschritte zeigen. Interessant sind ebenso Banken, die wegen ihrer geografischen Lage zu Unrecht abgestraft worden sind. Dazu gehören UniCredit in Italien und CaixaBank in Spanien. Die meisten Titel aus dem europäischen Bankensektor sind uns hingegen zu teuer. Hinzu kommt, dass der Ausblick für die Branche durchwachsen ist. Sie ist mit neuen Konkurrenten konfrontiert, die traditionelle Geschäftsmodelle untergraben. Technologie spielt dabei eine Schlüsselrolle, weshalb sich Banken mehr Know-how aneignen müssen als je zuvor.

Längst nicht jede Aktie, die zu einem tiefen Preis handelt, ist auch wirklich ein Schnäppchen. Wovon sollten Investoren momentan die Finger lassen? - Value-Fallen gibt es derzeit vor allem in Japan. Ich will mich nicht despektierlich über japanische Aktien äussern, offeriert die Börse von Tokio doch eine grosse Auswahl an Gesellschaften, von denen einige ausgezeichnet aufgestellt sind. Es tummeln sich dort aber auch diverse Konzerne, die ihren Verwaltungsrat seit Ende der Siebzigerjahre kaum aufgefrischt haben. Entsprechend schlecht steht es um ihre Agilität und Innovationskraft.

Was wäre ein Beispiel dafür? - Hitachi. Aus zyklischen Überlegungen waren wir in den Titeln zwar kurzfristig engagiert. Auf lange Sicht bieten sie Investoren aber kaum etwas, zumal das Management keinen Drang zu einem radikalen Umbau verspürt. Hitachi bleibt damit ein unübersichtliches Konglomerat, das sich in vielen verschiedenen Geschäftsbereichen verzettelt und deshalb nur eine minderwertige Rendite auf dem eingesetzten Kapital erwirtschaftet. ABB ist da ganz anders.

Was gefällt Ihnen an ABB? - ABB ist ein fantastisches Industrieunternehmen, dessen Aktien unter dem fairen Wert handeln. Es wird hervorragend geführt und konzentriert sich konsequent auf ein einfach verständliches Geschäftsmodell. Im Fokus stehen industrielle Automation und Elektrifizierung, wodurch sich ABB äusserst vielversprechend positioniert. Ich denke dabei zum Beispiel an all die vielen Ladestationen, die es weltweit mit dem Aufkommen von Elektroautos brauchen wird. Das Gleiche gilt für den Bereich Robotik, wo ABB ein globaler Branchenleader ist.