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Noch ist Europa nicht verloren

Was auch immer man von Polens neuer Regierung halten mag: Sie bringt Leben in die Bude EU. Witold Waszczykowski, der frischgebackene Aussenminister, sagt undiplomatisch, er möchte nicht, dass das Abendland im Allgemeinen und Polen im Besonderen aufgeht «in einem neuen Mix von Kulturen und Rassen, einer Welt aus Radfahrern und Vegetariern, die nur noch auf erneuerbare Energien setzen und gegen jede Form der Religion kämpfen».

Erfrischend ist nicht der Gehalt dieser grobschlächtigen Stammtischparolen, sondern der Kontrast zum Mainstream-Gesäusel, das gemeinhin etwa aus Brüssel oder Berlin zu vernehmen ist. Dagegen ist die «Political Incorrectness» aus Polen fast schon wohltuend. Waszczykowskis Holzhammer-Rhetorik ist jedenfalls nicht schlimmer als Denk- und Sprechverbote in der «alten» EU-West.

Etwa im Stil von Kanzlerin Merkel, die zarte Vorbehalte gegen schrankenlose Willkommenskultur kategorisch mit dem Spruch abwürgte, derlei sei «nicht mein Land». Oder à la Kölner Polizei, die zunächst die Silvesternacht am Bahnhof als passabel munter abhaken wollte, was von Verschweigen zu Belügen tendiert.

Klartext statt Worthülsen

Europas Zivilisation ist gewiss nicht bedroht von agnostischen, Grünzeug futternden Radfahrern exotischeren Teints, die auf dem Hausdach Solarpanels installiert haben. Aber auf seine raubeinige Art bringt Waszczykowski ein verbreitetes Unbehagen zum Ausdruck, das keine Regierung auf die Dauer ungestraft unter dem Deckel hält. Eine tabulose Debatte über Zuwanderung ist nämlich kein Alptraum, sondern notwendig. Sonst kann von Demokratie keine Rede mehr sein.

Völker sind immer schon gewandert, Kulturen haben sich stets vermischt. Doch als Bedingung zu fordern, dass sich Neuankommende anzupassen und einzufügen haben, ist keine Volksverhetzung. Solcher Klartext ist jedenfalls zielführender als das ewige Leiern der Leerfomel «Integration». Radeln ist gesund und ratsam, ein Salatbuffet desgleichen, doch «Nudging», obrigkeitliches Verhaltenslenken der nicht zweifelsfrei mündigen Bürger, ist eine Zumutung. Dass die Energiewende, die Deutschland und, sonderbar genug, auch die Schweiz durchzupeitschen versuchen, lieber bejubelt als hinterfragt werden soll, ist schmerzlich bekannt.

Wenn gewichtige Länder wie Grossbritannien und Polen – das weitaus bedeutendste in der «neuen» EU-Ost – Tacheles reden, sich Sittendiktate verbitten und mehr nationale Selbstverantwortung verlangen, ist das nur zu begrüssen. In Polen erinnert man sich noch gut an die Breschnew-Doktrin von der eingeschränkten Souveränität der sozialistischen Staaten; Ähnliches unter EU-Vorzeichen ist zu Recht unerwünscht. Drohungen an Polens Adresse sind da kein Triumph der Diplomatie, sie verhärten bloss die Position Warschaus. Der seinerzeitige Entrüstungsfeldzug gegen die ÖVP-FPÖ-Koalition in Wien lief auch ins Leere.

Dies alles gesagt, ist kritisch anzufügen: Es befremdet, welche Prioritäten die neue Regierung Polens setzt. Das Land hat sich bemerkenswert gut durch die Wirtschafts- und Finanzkrise der vergangenen Jahre manövriert und sich überhaupt beachtlich entwickelt – tut sich Warschau wirklich einen Gefallen mit rabiaten Eingriffen in die Medien und die Justiz? Werden die Menschen in Polen dadurch freier, wohlhabender, erhalten sie bessere Aussichten? Wird der Staat effizienter?

Fragwürdige Aktionen

Im Wahlkampf hatte die nun an die Macht gekommene Partei PiS, die nationalkonservatives, christlichdemokratisches und populistisches Gedankengut vertritt, noch mit wirtschaftspolitischen Themen geworben, wobei keineswegs mit einer liberalen Stossrichtung geglänzt. Der Feuereifer, mit dem sich die Regierung nun in sehr fragwürdige Aktionen stürzt, verheisst wenig Konstruktives und schafft kein Vertrauen.

Doch die Polen müssen selbst wissen, ob sie keine dringenderen Sorgen haben – sie können ihre Regierung bei nächster Gelegenheit abwählen. Dazu, und überhaupt, bedürfen sie keiner Belehrungen.