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Banken: Noch immer zu gross zum Scheitern

Fast sieben Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise und mehr als fünf Jahre nach Verabschiedung des so genannten Dodd-Frank-Gesetzes zur Reform des Finanzsystems in den USA ist die eigentliche Ursache der Krise – die Existenz systemrelevanter Banken – noch immer nicht behoben. So lange, wie es Banken gibt, die zu gross sind, um zu scheitern, ist eine weitere Katastrophe lediglich eine Frage der Zeit.

Den Begriff «zu gross zum Scheitern» gibt es zwar schon seit mehreren Jahrzehnten, aber im Zuge des Zusammenbruchs von Lehman Brothers im September 2008 war er plötzlich in aller Munde. Als sich die Probleme wie ein Lauffeuer in das gesamte Finanzsystem verbreiteten, entschied die US-Regierung, dass einige Banken und andere Finanzinstitute im Verhältnis zur Wirtschaft so gross waren, dass sie «systemrelevant» wurden, und dass man nicht zulassen dürfe, dass sie in Konkurs gehen. Lehman verschwand, aber unter anderen AIG, Goldman Sachs, Morgan Stanley, Citigroup und Bank of America wurden durch unterschiedliche Formen massiver – und beispielloser – staatlicher Unterstützung gerettet.

Das offizielle Motto damals war «nie wieder», was politisch und wirtschaftlich durchaus sinnvoll war. Diese grossen Finanzunternehmen erhielten Unterstützung in einem Ausmass, das der Privatwirtschaft ausserhalb des Finanzsektors normalerweise nicht zur Verfügung steht, und ganz bestimmt nicht Familien, deren Vermögenswerte (ihre Häuser) geringer waren als ihre Schulden (ihre Hypotheken).

Gefahr des «moral hazard»

Wenn grosse, komplexe Finanzunternehmen weiterhin eine unausgesprochene Garantie hätten, dass ihnen der Staat zu Hilfe kommt, wären sich viele Menschen – rechts und links im politischen Spektrums – einig, dass das anderen Bereichen des Privatsektors gegenüber unfair wäre, und dass es grosse Banken dazu verleiten würde, wieder unverhältnismässig hohe Risiken einzugehen. Im Jargon der Ökonomie spricht man von einem moralischen Risiko («moral hazard»). Aber man braucht keine Spezialausbildung, um zu wissen, dass es unvernünftig und gefährlich ist, wenn Bankmanager alle Vorteile bekommen (hohe Prämien), wenn die Geschäfte gut laufen und alle anderen ihre Risiken abdecken, wenn die Geschäfte nicht so gut laufen (Rettungspakete und wirtschaftlicher Abschwung).

Kernstück des Dodd-Frank-Gesetzes ist ein zweifacher Ansatz hinsichtlich des Problems der systemrelevanten Banken. Der erste Titel des Gesetzes legt fest, dass es möglich sein muss, dass jedes Unternehmen in Konkurs gehen kann, ohne dem allgemeinen Finanzsystem oder der realen Wirtschaft in grossem Ausmass zu schaden. Regulierer werden unmissverständlich beauftragt, sicherzustellen, dass alle grossen Finanzunternehmen derart strukturiert sind, dass ein Konkurs unter Anwendung der normalen Regeln und Verfahren der Gerichte möglich ist, ohne dass sich der katastrophale Dominoeffekt nach dem Scheitern von Lehman wiederholt.

Im zweiten Titel des Gesetzes schuf der Kongress eine Aufsichtsbehörde, über die der US-Einlagensicherungsfonds (Federal Deposit Insurance Corporation) Finanzunternehmen, die in Probleme geraten, übernehmen und Aktionären wie Kreditgebern angemessene Verluste auferlegen kann, ohne das System selbst zu gefährden oder eine globale Panik auszulösen. Die gute Nachricht ist, dass die FDIC in den vergangenen fünf Jahren bei der realistischen Formulierung des zweiten Titels einige Fortschritte erzielt hat.

Bankrott – aber wie?

Die schlechte Nachricht ist, dass es fast keinen Fortschritt hinsichtlich der Vorschrift gegeben hat, dass es möglich sein muss, dass grosse Finanzunternehmen Bankrott gehen können. Bei einer Anhörung dieser Tage vor einem Teil des Bankenausschusses des Senats herrschte in Bezug auf diesen Punkt über alle politischen Parteien hinweg komplette Einigkeit. Worüber man sich nicht einig ist, sind die Massnahmen, die zu ergreifen sind, um diesen wichtigen Teil von Dodd-Frank zu vollenden.

Die Republikaner haben vorgeschlagen, die Konkursordnung zu ändern und spezielle Vorgaben für grosse, komplexe Finanzunternehmen zu schaffen. Bei diesem Ansatz gibt es jedoch drei Probleme.

Zunächst sollten alle Unternehmen in den USA nach denselben Regeln scheitern können. Eine Vorzugsbehandlung bestimmter Akteure verfestigt die Wahrnehmung, es sei sicherer, einigen grossen Unternehmen Geld zu leihen – was ihren unfairen Vorteil noch verstärkt.

Internationale Auswirkungen

Zweitens sollte man nicht glauben, dass der Privatsektor Interesse daran haben würde, grossen Finanzunternehmen unter Gerichtsaufsicht Finanzmittel zur Verfügung zu stellen, besonders während einer Systemkrise. Per definitionem entsteht eine solche Krise ja gerade in dem Moment, in dem Darlehen aus dem Privatsektor nicht einfach zugänglich sind. Und ein hohes Darlehen in der Höhe von Zig-Milliarden Dollar vom US-Finanzministerium an einen Konkursrichter ist weder politisch tragfähig noch wirtschaftlich ratsam.

Schliesslich würde der Konkurs eines grossen US-Finanzunternehmens heute einen fatalen Wettkampf um Kapital unter den Regulierern der ganzen Welt auslösen. Einige ausländische Regulierer, wie die Bank of England, haben zugesichert, bei einem Abwicklungsverfahren durch die FDIC nicht präventiv zu handeln. Aber eine solche Zusicherung gilt nicht für gerichtliche Konkursverfahren, Behörden auf der ganzen Welt würden lokale Kreditgeber und Steuerzahler zu schützen versuchen, indem sie Vermögen in ihrem Zuständigkeitsgebiet beschlagnahmen.

Die einzig vernünftige Alternative ist, grosse, komplexe Finanzunternehmen kleiner und weniger komplex zu machen, so dass sie nach den normalen Konkursregeln scheitern können. Das ist die Absicht von Dodd-Frank.

Die FDIC arbeitet unermüdlich in diese Richtung, der Vorstand der US-Notenbank dagegen war bisher weniger enthusiastisch. Aber Gesetz ist Gesetz und es ist an der Zeit, es umzusetzen.

Copyright: Project Syndicate.

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